ÖPNV

Bund und Länder ringen um Nachfolger für 9-Euro-Ticket

Ende August läuft das Angebot aus. Insbesondere die Grünen dringen auf ein Nachfolgemodell der dreimonatigen bundesweiten Rabattaktion. Doch die Finanzierung ist einmal mehr umstritten.
07.08.2022

Bundesweit sind im Juni, Juli und August bislang 31 Millionen 9-Euro-Tickets verkauft worden.

Gut drei Wochen vor dem Auslaufen des günstigen 9-Euro-Tickets ringen Bund und Länder über ein mögliches Folgeangebot des Billig-Fahrscheins. Besonders umstritten ist nach wie vor die Finanzierung einer Anschluss-Lösung. Bayern pocht darauf, dass der Bund allein die Kosten für das Nachfolgeangebot im Nah- und Regionalverkehr übernimmt. Andere Länder signalisierten die Bereitschaft zur Mitfinanzierung. Finanzminister Christian Lindner sieht aber keinen Spielraum für zusätzliche Mittel des Bundes.

Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) sagte der Deutschen Presse-Agentur am Samstag, «in dieser außergewöhnlichen Situation muss der Bund für weitere Entlastungen der Bürgerinnen und Bürger sorgen – und zwar ausschließlich der Bund». Schließlich zahlten die Länder bereits für etliche Entlastungsmaßnahmen des Bundes mit, «obwohl sie diese nicht angestoßen haben».

Zuvor hatte die Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, Maike Schaefer (Grüne) erklärt, die Länder seien bereit, ein Nachfolgeangebot zum 9-Euro-Ticket mitzufinanzieren. Voraussetzung für eine solche Entscheidung wären aber Fakten, die Bundesminister Volker Wissing (FDP) bisher schuldig bleibe, sagte die Bremer Mobilitätssenatorin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Vorschläge für 365-Euro-Jahresticket und Monatstickets für 29, 49 oder 69 Euro

Das befristete 9-Euro-Ticket wurde zur Entlastung der Menschen in Deutschland angesichts steigender Preise von der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP eingeführt. Es gilt von Juni bis August in Bussen und Bahnen des Nah- und Regionalverkehrs und kostet pro Monat 9 Euro. Schon vor dem Start des Sondertickets gab es Streit über die Finanzierung. Widerstand kam unter anderem lange aus Bayern.

Der Bund finanziert die Aktion mit 2,5 Milliarden Euro zum Ausgleich von Einnahmeausfällen bei Verkehrsunternehmen - zusätzlich zu regulären 9,4 Milliarden Euro an «Regionalisierungsmitteln» in diesem Jahr, mit denen Länder und Verbünde Verkehrsleistungen bei Anbietern bestellen. Dazu kommt eine weitere Milliarde aus einem anderen Topf. Die Länder fordern generell mehr Bundesgeld für den ÖPNV.

Über Anschlussangebote für die 9-Euro-Tickets wird diskutiert, um Fahrgäste von Energiekosten zu entlasten und Anreize fürs Umsteigen in den ÖPNV zu erhalten. Unter anderem gibt es Vorschläge für ein 365-Euro-Jahresticket und Monatstickets für 29, 49 oder 69 Euro.

Lindner: "Es stehen in der Finanzplanung keinerlei Mittel zur Verfügung"

Lindner stellte in der «Augsburger Allgemeinen» (Montag) klar: «Es stehen in der Finanzplanung für eine Fortsetzung des 9-Euro-Tickets keinerlei Mittel zur Verfügung.» Jeder Euro müsste durch Kürzung anderswo mobilisiert werden, sagte der FDP-Politiker. Wissing war zuletzt offen für eine Nachfolgeregelung. Seinem Ministerium zufolge ist die Bereitschaft der Länder aber mitentscheidend, sich finanziell zu beteiligen.

Der nordrhein-westfälische Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) sagte der «Westdeutschen Allgemeinen Zeitung». «Wir sind zu Gesprächen über die kurzfristige Verlängerung und eine dauerhafte Nachfolgeregelung bereit.» Schaefer betonte, «die Länder haben schon beim Corona-Rettungsschirm bewiesen, dass sie grundsätzlich bereit sind, sich substanziell zu beteiligen».

SPD: Zur Finanzierung klimaschädliche Subventionen im Straßenverkehr reduzieren

Die SPD-Fraktion pocht auf eine Beteiligung der Länder an den Kosten. Es müsse klar sein, dass nicht allein der Bund die Finanzierung übernehmen könne, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Detlef Müller, der dpa. «Zudem muss gesichert sein, dass die notwendige Stabilisierung des Betriebs in Folge von Kostensteigerungen sowie der Ausbau des Angebotes im ÖPNV nicht hinten anstehen dürfen.» Außerdem dürfe ein Nachfolgeticket bestehende günstigere Sozialtickets nicht ersetzen. «Zur Finanzierung des Bundesanteils für eine Nachfolgeregelung ist ein Abbau beziehungsweise eine Reduzierung von klimaschädlichen Subventionen im Bereich des Straßenverkehrs ein gangbarer Weg.»

Grüne fordern Beschneidung des Dienstwagenprivilegs

Führende Politiker der Grünen hatten in einem Konzeptpapier zwei Tickets als Nachfolger für das 9-Euro-Ticket vorgeschlagen: ein Regionalticket für 29 Euro und ein bundesweit gültiges Ticket für 49 Euro im Monat. Beide sollen nur für den Nah- und Regionalverkehr gelten. Zur Finanzierung wollen die Grünen das Dienstwagenprivileg beschneiden, mit dem Unternehmen Kosten für Firmenwagen steuerlich absetzen können. Vor allem der CO2-Ausstoß soll dabei stärker berücksichtigt werden.

Lindner stemmt sich gegen den Vorschlag der Grünen, die pauschale Versteuerung von Dienstwagen abzuschaffen, um einen Nachfolger für das 9-Euro-Ticket zu finanzieren. «Es ist schon linke Polemik, die pauschale Versteuerung eines Geschäftswagens als Privileg zu bezeichnen, denn es ist vor allem eine Steuervereinfachung», sagte er dpa.

Die Idee der Grünen würde Millionen Bürger dazu zwingen, ein Fahrtenbuch zu führen, ohne dass unter dem Strich für den Staat Mehreinnahmen herauskämen. Untersuchungen zeigten, dass die Pauschalversteuerung keinen Steuervorteil bedeute. Eine Steuersubvention bei Dienstfahrzeugen gebe es dagegen bei E-Autos. «Die ist in meinen Augen aber sinnvoll, weil damit klimafreundliche Neufahrzeuge als Geschäftswagen in die Flotte kommen, die wenig später gute und günstige Gebrauchtwagen sind», sagte Lindner.

Linken-Chef kann sich ab 2023 ein 1-Euro-Ticket pro Tag vorstellen

Die Linke will das 9-Euro-Ticket bis Jahresende weiterlaufen lassen. «Ab 2023 könnte man auf ein Ein-Euro-Ticket pro Tag übergehen», sagte Parteichef Martin Schirdewan der Düsseldorfer «Rheinischen Post» und dem Bonner «General-Anzeiger» (beide Montag). «Unser strategisches Ziel bleibt ein kostenloser Nahverkehr für alle Bürgerinnen und Bürger.» Geld dafür könne kurzfristig durch eine so genannte Übergewinnsteuer eingenommen werden, die auf als übermäßig betrachtete Gewinne von Unternehmen abzielt. (dpa/hoe)