Deutschland

Hamburg macht Ernst: Diesel-Fahrverbote treten in Kraft

Die Wirkung ist umstritten: Mit Diesel-Fahrverboten auf zwei Straßenabschnitten will Hamburg für bessere Luft sorgen. Kritiker sprechen von purer Messzahlenkosmetik. Dennoch macht der Senat nun Ernst.
30.05.2018

Die bundesweit ersten Diesel-Fahrverbote wegen schlechter Luft treten an diesem Donnerstag (31. Mai) in Hamburg in Kraft. Um die Stickoxidbelastung auf zwei stark befahrenen Straßenabschnitten im Stadtteil Altona-Nord zu senken, dürfen dort keine älteren Diesel mehr fahren, die nicht die Euro-Norm 6 erfüllen. Während das Fahrverbot auf der Max-Brauer-Allee für Personenkraftwagen und Lastwagen gilt, dürfen auf der Stresemannstraße nur noch Fahrzeuge mit einem Gesamtgewicht von unter 7,5 Tonnen fahren. Die Maßnahme ist umstritten. Die Reihe der Kritiker reicht vom ADAC über die Opposition und Koalitionsparteien bis hin zu Umweltschützern.

In den vergangenen Wochen wurden an den Straßen bereits 55 Umleitungs- und 49 Verbotsschilder aufgestellt, die auf die Beschränkung hinweisen und Ausweichrouten ausweisen. Bislang setzen rote Kreuze die Schilder außer Kraft. In der Nacht zum Donnerstag sollen sie dann abgehängt werden.

Zahlreiche Autofahrer vom Verbot ausgenommen

Eigentlich war das Inkrafttreten der Verbote bereits vor Wochen geplant. Allerdings hatte die Umweltbehörde noch die schriftlichen Begründungen des Bundesverwaltungsgerichts abwarten und auswerten müssen. Das Leipziger Gericht hatte Fahrverbote im Februar in Grundsatzurteilen generell für zulässig erklärt, wenn damit die Belastung der Luft mit Stickoxiden verringert werden soll. Der Senat hatte die Fahrverbote im Rahmen eines Luftreinhalteplans bereits im Juni vergangenen Jahres beschlossen. Nach Auswertung der Gerichtsentscheidungen sah man keinen Änderungsbedarf.

Durchfahrtsbeschränkungen für ältere Diesel-Personenkraftwagen und -Lastwagen gelten auf einem 580 Meter langen Teilstück der Max-Brauer-Allee sowie für Lastwagen auf einem rund 1,6 Kilometer langen Abschnitt der Stresemannstraße. Ausgenommen von den Verboten sind Rettungsfahrzeuge, Anwohner und deren Besucher, Müllwagen, Lieferfahrzeuge und Taxis, sofern sie Passagiere aufnehmen oder absetzen. Betroffen sind dennoch Hunderttausende Diesel-Fahrzeuge von Hamburgern, Pendlern, Berufskraftfahrern und Reisenden. Ende vergangenen Jahres erfüllten laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) allein von den in Hamburg angemeldeten 264 406 Diesel-Personenkraftwagen nur 96 356 die sauberste Euro-6-Norm.

BUND fordert flächendeckendes Verbot

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hält die Durchfahrtsbeschränkungen für nicht zielführend, da so Verkehr und schädliche Stickoxide nur auf andere Straßen verteilt, dort aber mangels Messstationen nicht erfasst würden. "Wir brauchen flächendeckende Fahrverbote, die den Menschen helfen und nicht den Messstationen", hieß es. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sprach sich ebenfalls gegen das Hamburger Fahrverbot aus, allerdings aus anderen Gründen: Ziel sei eine städtische Mobilität, die den Menschen und der Umwelt diene, sagte er dem "Hamburger Abendblatt" (Mittwoch). "Dabei kann es nicht sein, dass einzelne Verkehrsteilnehmer bewusst ausgeschlossen werden." Mobilität sei das Fundament für die Wirtschaft und die Freiheit der Menschen.

Auch Kiel schmiedet Pläne für ein Fahrverbot und auch dort gibt es viele hitzige Debatten um das Thema. Umweltminister Robert Habeck (Grüne) hält an Fahrverboten auf dem Theodor-Heuss-Ring fest: „Das ist das schwächste Fahrverbot, das denkbar ist“, sagte der Minister am Dienstag. Es betreffe nur ältere Diesel-Autos, die in Richtung Eckernförde unterwegs seien.

Uneinigkeit in der Kieler Landesregierung

Dabei reicht das geplante Verbot nach Überlegungen des Umweltministeriums zusammen mit einer Schutzwand gerade so aus, um die Grenzwerte an der Verkehrsachse künftig einzuhalten. An der seit 2011 gemessenen Überschreitung der Grenzwerte sind nach Habecks Einschätzung „eher nicht die Kreuzfahrtschiffe schuld“, die in Kiel in den Sommermonaten im Hafen liegen.

Kritische Stimmen kamen von Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD), der Habeck Aktionismus vorwarf. Mit Blick auf noch ausstehende Gutachten konterte der Grünen-Politiker: „Die Gutachteritis löst nicht das Problem.“ Für die Stickoxide sind nach Ansicht des Ministers in erster Linie die 12 000 älteren Diesel je Fahrtrichtung und Tag verantwortlich. Wobei aufgrund des Gefälles und des häufigen Stop-and-Go während des Berufsverkehrs die Autos in einer Richtung für drei Viertel der Stickoxid-Emissionen verantwortlich seien.

Auf die Landesregierung aus CDU, Grünen und FDP sieht Habeck keine Probleme zukommen, obwohl Verkehrsminister Bernd Buchholz (FDP) ein Fahrverbot ablehnt. "Was Jamaika angeht, gibt es kein böses Blut", sagte der Grünen-Politiker.  (dpa/ls)