Deutschland

Klimakabinett: Show oder Chefsache?

Kaum abgasfreie Autos, alte Heizungen, Kohlekraftwerke – beim Verringern des Treibhausgas-Ausstoßes in Deutschland sieht es mau aus, ein Gesamtkonzept fehlt. Das soll nun ein Klimakabinett ändern. Wird Klimaschutz zur Chefsache oder ist alles nur Show?
20.03.2019

Die ersten Köpfe des Klimakabinetts stehen fest, ob sie ihren Job ernst nehmen, wird sich zeigen.

Im Streit um Deutschlands Kurs beim Klimaschutz soll ein neues Klimakabinett den Durchbruch bringen. Die Bundesregierung setzte am Mittwoch diesen Kabinettsausschuss ein, zu dem unter anderem sechs Fachminister und die Kanzlerin gehören. Mit dem Vorsitz wurde Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) beauftragt. Die Minister sollen ein Gesetz oder mehrere Gesetze vorbereiten, mit denen Deutschland die Klimaschutzziele 2030 verbindlich erreicht und der Klimaschutzplan aus dem Jahr 2016 umgesetzt wird.

Schulze zeigte sich zufrieden: "Viel zu lange haben sich in der Bundesregierung letztlich nur die Umweltministerinnen für den Klimaschutz in Deutschland verantwortlich gefühlt", sagte sie. "Das wird sich jetzt endlich ändern." Wann das Klimakabinett erstmals tagen soll, steht noch nicht fest.

Jahresgenau Minderungsziele

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt verfehlt Deutschland sowohl die selbst gesetzten als auch die verbindlichen EU-Ziele beim Einsparen von Treibhausgasen wie Kohlendioxid (CO2). Für den Kohleausstieg hat eine Kommission ein Konzept vorgelegt, eine andere Kommission soll noch im März Vorschläge für den Verkehrsbereich liefern. Ein drittes Gremium, das sich um den wichtigen Gebäudebereich kümmern sollte, liegt auf Eis. Laut Koalitionsvertrag von Union und SPD sollten für diese Bereiche eigentlich schon Ende letzten Jahres Klimaschutz-Programme vorliegen.

Zudem stößt der Entwurf eines Rahmengesetzes für den Klimaschutz, den Schulze vorgelegt hat, in der Union auf viel Widerstand. Sie will damit den Klimaschutzplan in ein Gesetz überführen, das für die einzelnen Bereiche wie Verkehr, Landwirtschaft und Gebäude Ziele für die Reduktion des Treibhausgas-Ausstoßes festlegt. Schulze sieht jahresgenaue Minderungsziele für die Sektoren vor sowie eine finanzielle Verantwortung der Ressorts, falls Deutschland EU-Ziele verfehlt und Verschmutzungszertifikate zukaufen muss.

CDU-lastige Besetzung

Diese Probleme soll nun das Klimakabinett lösen. Zeitlich befristet ist der Ausschuss zwar nicht, ein Gesetz soll aber laut Koalitionsvertrag noch 2019 verabschiedet werden. Dieses Ziel hatten die Koalitionsspitzen vergangene Woche noch einmal bekräftigt.

Mit dabei sind neben Schulze und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auch Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz (SPD), Bauminister Horst Seehofer (CSU), Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), Agrarministerin Julia Klöckner (CDU), Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) sowie Staatssekretär Steffen Seibert, der Sprecher der Bundesregierung. Weitere Mitglieder der Bundesregierung können einbezogen werden.

Nicht alle sind überzeugt

Grünen-Chefin Annalena Baerbock mahnte, das Klimakabinett dürfe nicht zu einer "Plauder-Runde" werden. Linke-Klimapolitiker Lorenz Gösta-Beutin sprach von einem Ablenkungsmanöver. "Wer wie die Ministerien der Union gegen jede Form von verbindlichem Klimaschutz schießt, der wird auch durch einen neuen Arbeitskreis keine Abkehr von der Lobbypolitik herbeizaubern", sagte er. FDP-Fraktionsvize Frank Sitta kritisierte das "sektorale Kleinklein der Klimapolitik" und sprach von einem "Showkabinett".

Die Umweltorganisation Greenpeace zeigte sich hoffnungsvoll: "Die Kanzlerin macht Klimapolitik endlich wieder zur Priorität", sagte Geschäftsführer Martin Kaiser. Um den Stillstand schnell aufzulösen, müsse das Klimakabinett rasch eine ganze Reihe an Maßnahmen und Gesetzen auf den Weg bringen.

VKU verweist auf sektorübergreifende Verantwortung

VKU-Hauptgeschäftsführerin Katherina Reiche begrüßt das neue Gremium und fordert: "Die Einsetzung eines Klimakabinetts ist richtig. Zugleich sind die Erwartungen an das Gremium hoch. Das Klimakabinett sollte den längst überfälligen Schritt wagen, nicht nur den Energiesektor, sondern auch den Verkehrs- und Wärmesektor in den Fokus zu nehmen und die Emissionen auch in diesen Sektoren zu bepreisen. Alle Sektoren müssen ihren Beitrag leisten, um die Klimaschutzziele zu erreichen." (dpa/ls)