Deutschland

Merkel: "Es geht nicht darum, als erstes irgendwelche Ausstiegsdaten zu beschließen"

Die Kohlekommission hat einen neuen Fahrplan, es geht bis Januar in die Verlängerung. Hinter den Kulissen gibt es reichlich Zoff. Die Knackpunkte:
21.11.2018

Es gehe darum, "Klimawandel auf der einen Seite und Zukunft für Menschen in einen Einklang zu bringen", so die Bundeskanzlerin im Bundestag.

Die Kommission zur Vorbereitung des Kohleausstiegs in Deutschland soll nach den Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Zukunft der Betroffenen in den Mittelpunkt stellen. Es gehe darum, "Klimawandel auf der einen Seite und Zukunft für Menschen in einen Einklang zu bringen", sagte Merkel am Mittwoch während der Haushaltsdebatte im Bundestag. "Es geht nicht darum, als erstes irgendwelche Ausstiegsdaten zu beschließen, sondern es geht darum, Menschen Hoffnung zu geben, Zukunft zu geben, Strukturwandel wirklich vorzubereiten", sagte sie.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) reagierte erfreut auf die Äußerung der Kanzlerin. Es sei immer die Position der ostdeutschen Braunkohleländer gewesen, dass es erst einen Strukturwandel und dann einen Kohleausstieg geben müsse, betonte Kretschmer. 

Erst über Hilfen für Strukturwandel sprechen

Unterdessen wurde bekannt, dass die Kommission auf Druck vor allem der ostdeutschen Kohleländer länger tagen wird als bisher geplant. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur soll das Gremium zunächst konkreter über Hilfen für den Strukturwandel in den betroffenen Regionen wie der Lausitz sprechen, bevor ein Plan für den Kohleausstieg festgezurrt wird. Die Bundesregierung will deswegen die Arbeit der Kommission bis Januar verlängern, wie es am Mittwoch aus Kommissionskreisen hieß. Zuerst hatte die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" darüber berichtet. Die beteiligten Umweltverbände protestieren heftig.

Die Kohleländer Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt hatten Nachbesserungen bei Strukturmaßnahmen gefordert. "Jedes vorzeitige Ausstiegsdatum muss an die Voraussetzung eines vorher stattgefundenen erfolgreichen Strukturwandels gebunden sein", hatten die Ministerpräsidenten von Sachsen und Brandenburg, Michael Kretschmer (CDU) und Dietmar Woidke (SPD), in einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gefordert. Sie verlangten Festlegungen zu einem langfristig durch den Bund gespeisten Fonds, einem Maßnahmegesetz ähnlich dem Bonn-Berlin-Gesetz und ein Sofortprogramm für die Region.

Neuer Fahrplan im Kanzleramt entschieden

Die Kommission wollte eigentlich bereits am kommenden Mittwoch ihre Arbeit abschließen und ein Gesamtpaket mit Details zu Strukturwandel, Abschaltungen von Steinkohle- und Braunkohlekraftwerken bis 2022 und einen Ausstiegsplan inklusive Enddatum vorlegen. Erst vergangene Woche hatten die vier Vorsitzenden der Kommission mitgeteilt, man strebe ein Ergebnis schon bis 28. November und damit früher als geplant an. Laut Mandat hat die Kommission bis Ende des Jahres Zeit für ihren Abschlussbericht.

Der neue Fahrplan sei am Dienstagabend beim Treffen der Koalitionsspitzen im Kanzleramt entschieden worden, hieß es aus Koalitionskreisen. Der Co-Vorsitzende der Kommission, Bahn-Vorstand Ronald Pofalla, sei darüber unterrichtet worden. Auch die Unionsfraktion sei zu der Auffassung gelangt, dass es so nicht weitergehe, hieß es. Die Kommission müsse zunächst konkrete Strukturhilfen für die Kohleregionen beraten. Außerdem müsse sichergestellt werden, dass die Strompreise "nicht aus dem Ruder" gerieten.

Umweltverbände verlangen eine Aussprache

Scharfe Kritik kam von Umweltverbänden. "Wir möchten hiermit aufs Schärfste dagegen protestieren und Sie nachdrücklich darum bitten, beim ursprünglich vereinbarten Zeitplan zu bleiben", schrieben die Kommissionsmitglieder Martin Kaiser (Greenpeace), Kai Niebert (Deutscher Naturschutzring) und Hubert Weiger (BUND) an die Vorsitzenden. Der Eindruck, dass Bundes- und Landespolitiker versuchten, "nach Belieben die Arbeit einer zivilgesellschaftlichen Kommission und deren Empfehlungen zu beeinflussen", sei "völlig unbegreiflich". Für die nächste geplante Sitzung am kommenden Montag verlangten sie eine Aussprache.

"Wir erwarten von Ihnen als Vorsitzende klare Signale, dass der Klimaschutz jetzt auf der Agenda bleibt und es zu keiner Verschiebung des Abschlusses der Kommissionsarbeit kommt. Ansonsten riskieren Sie einen zivilgesellschaftlichen Konsens und damit auch die Chance einer Strukturentwicklung für die Braunkohleregionen", schrieben die drei Umweltverbände.

"Lange Zeitachsen machen es meistens nicht besser"

In der Kommission gab es aber auch gelassenere Stimmen: "Lange Zeitachsen machen es meistens nicht besser, aber da der Strukturwandel im Fokus steht, sei es drum", sagte ein Kommissionsmitglied. (dpa/hil)