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Rettungspaket für Uniper steht - Umlage für Gaskunden

Der Bund rettet den Energiekonzern Uniper. Ab Herbst sollen Versorger Preissteigerungen über eine Umlage weiter geben können. Für Gaskunden wird es teurer, weitere Entlastungen sind aber geplant.
22.07.2022

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erklärte bei einer Pressekonferenz am Freitag die Grundzüge des Rettungspakets für Uniper. Der Bund steigt beim angeschlagenen Energiekonzern ein.

Auf Gaskunden kommen ab Herbst im Zuge eines Rettungspakets der Bundesregierung für den Energiekonzern Uniper höhere Preise zu. Über eine Umlage sollen Versorger stark gestiegene Einkaufspreise wegen der Drosselung russischer Lieferungen an alle Gasverbraucher weitergeben können. Zugleich kündigte aber Bundeskanzler Olaf Scholz am Freitag zusätzliche Entlastungen für Bürger und Unternehmen an. Zu Beginn kommenden Jahres werde es eine große Wohngeldreform geben.

«Wir stellen sicher, dass niemand in der jetzigen Situation überfordert wird», sagte Scholz. Der SPD-Politiker sprach wegen der Umlage von zusätzlichen Belastungen von 200 oder 300 Euro für eine vierköpfige Familie im Jahr. Die Umlage kommt zusätzlich zu einer ohnehin erwarteten Preiswelle, mit der Haushalte schrittweise rechnen müssen.

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Das rund 15 Milliarden Euro schwere Rettungspaket für Uniper sieht vor, dass der Bund mit 30 Prozent bei dem Düsseldorfer Unternehmen einsteigt. Geplant sind weitere Stützungsmaßnahmen. So soll ein Darlehen über die staatliche Förderbank KfW von zwei Milliarden auf neun Milliarden Euro erhöht werden.

Scholz: "Uniper ist von überragender Bedeutung für die Energieversorgung"

Uniper hatte staatliche Hilfen beantragt. Das Unternehmen muss wegen der Drosselung der russischen Lieferungen über die Ostseepipeline Nord Stream 1 teureres Gas auf dem Markt einkaufen, um Verträge zu erfüllen. Das führt zu Liquiditätsproblemen, weil Uniper die Preissteigerungen bisher nicht weitergeben kann.

Uniper-Chef schätzt Kosten für weitere Ersatzbeschaffungen auf 6,2 Milliarden Euro

Auf den Energiekonzern kommen in den kommenden Wochen weitere Belastungen in Milliardenhöhe zu. Uniper-Chef Klaus-Dieter Maubach schätzt die Kosten für die Ersatzbeschaffungsmengen bis Ende August auf 4,5 Milliarden Euro. Der September würde weitere 1,7 Milliarden Euro kosten.

Das Unternehmen beliefert mehr als 100 Stadtwerke und Industriefirmen. Scholz sagte, Uniper sei von überragender Bedeutung für die Energieversorgung der Bürger und Unternehmen. Mit dem Paket könne das Unternehmen stabilisiert in die Zukunft schauen.

In der Pandemie stützte der Bund etwa die Lufthansa mit Milliarden-Steuergeldern und stieg bei dem Unternehmen ein. In der Finanzkrise half er der Commerzbank.

Umlage kann zur Erhöhung der Gaspreise um zwei Cent pro kWh führen

Mit einer Umlage sollen Versorger nun Preissteigerungen weitergeben können. Es sollen alle davon profitieren, vor allem aber Uniper als größer Importeur von russischem Gas.

Scholz sagte, die Umlage sei zum 1. Oktober geplant, möglicherweise schon zum 1. September. Sie könne zu einer Erhöhung der Gaspreise um 2 Cent pro Kilowattstunde führen. «Je nachdem, wie groß der Haushalt ist, wird das durchaus auch spürbar werden.» Etwa die Hälfte aller Wohnungen in Deutschland wird mit Gas beheizt.

Ob Kunden die Umlage schon ab September oder Oktober zahlen müssen, ist offen. Es könnte dauern, bis die Kosten vom Anfang der Lieferkette, also den Importeuren, bei den Haushalten ankommen. Die Bundesregierung arbeitet an einer Verordnung.

Höhe der Umlage von Höhe russischer Gaslieferungen abhängig

Geplant ist, dass Importeure 90 Prozent der höheren Beschaffungskosten über die Umlage weitergeben können. Die Höhe der Umlage ist auch davon abhängig, wieviel Russland liefert - je weniger, desto teurer wird die Ersatzbeschaffung. Russland liefert nach einer Wartung von Nord Stream 1 zwar wieder Gas, aber nur etwa 40 Prozent der möglichen Auslastung. Scholz bezeichnete Russland als unsicheren Gaslieferanten.

Ein Umlagesystem gab es auch bei der inzwischen abgeschafften EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms über die Stromrechnung. Mit der Gasumlage sendet die Bundesregierung auch ein Preissignal an Verbraucher, dass sich Energiesparen lohnt. Die Regierung hat wiederholt klargemacht, es könnten nicht alle Preissteigerungen abgefedert werden.

"Die Umlage sollte der Bund unbedingt vor dem Herbst umsetzen und vor allem: die Umlage der hohen Energiepreise zeitlich so strecken, dass Kundinnen und Kunden nicht überfordert werden", kommentierte der Verband VKU in einer Pressemitteilung. Zudem sollte auch der Staat einen Zuschuss aus Steuermitteln leisten, der die Belastung dämpft.

Scholz kündigt große Wohngeldreform an

Bundeskanzler Scholz kündigte weitere Entlastungen an - mit einer großen Wohngeldreform zu Beginn kommenden Jahres. «Wir wollen den Kreis der berechtigten Haushalte ausweiten.» Es sollten mehr Bürger, Arbeitnehmer und Rentner davon profitieren können.

Zudem solle eine Heizkostenpauschale dauerhaft integriert werden. Auch für Studenten solle es Heizkostenzuschüsse geben. Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Bürgergeldreform solle definitiv zum 1. Januar in Kraft gesetzt werden. Das Bürgergeld soll Hartz IV ablösen.

Außerdem sollen Kündigungsschutzregeln mit dem Ziel überprüft werden, dass überforderten Mietern der Mietvertrag oder Energiekunden der Liefervertrag nicht gekündigt werden kann. Für Unternehmen, die wegen der Energiepreise in Schwierigkeiten geraten sind, soll es zusätzliche Hilfen geben. Scholz verwies zudem auf die konzertierte Aktion, bei der die Regierung mit Arbeitgebern und Gewerkschaften Schritte zur Eindämmung der Inflation berät.

Scholz verspricht Verbrauchern: "You'll never walk alone"

Darüber hinaus macht er eine Ansage von sehr grundsätzlicher Bedeutung an die Verbraucher: «Wir werden das tun, was erforderlich ist und so lange, wie das notwendig ist.» Als griffigen Slogan für dieses Versprechen verwendet er den Titel der weltweit wohl bekanntesten Fußball-Hymne: «You'll never walk alone»

Der Auftritt des Kanzlers erinnert an frühere Versprechen in ähnlich brenzligen Situationen. Im Sommer 2012 befriedete der damalige EZB-Präsident Mario Draghi die damalige Euro-Schuldenkrise mit den dem Machtwort: «Die EZB wird alles tun, um den Euro zu retten - Whatever it takes.» Aber kann Scholz sein «You'll never walk alone»-Versprechen halten? Das ist die große Frage.

Starke Verwässerung lässt Uniper-Aktie einbrechen

Trotz der zu erwartenden Stabilisierung Unipers durch das Rettungspaket ist der Aktienkurs des Energiekonzerns am Freitag um knapp 29 Prozent auf ein Rekordtief von 7, 47 Euro gefallen. Anleger reagierten mit teils kräftigen Verkäufen auf den Einstieg Deutschlands bei Uniper. Hintergrund ist, dass das Engagement des Bundes mit einer massiven Anteilsverwässerung einhergeht.

Das Stabilisierungspaket sieht eine Kapitalerhöhung von rund 267 Millionen Euro zum Ausgabepreis von 1,70 Euro je Aktie unter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre vor. Die Kapitalerhöhung führt zu einer Beteiligung des Bundes an Uniper von rund 30 Prozent, Unipers Mehrheitseigner Fortum wollte die Beteiligung eigentlich auf 25 Prozent begrenzen. Weiter soll ein sogenanntes Pflichtwandelinstrument in Höhe von bis zu 7,7 Milliarden Euro an den Bund ausgegeben werden.

Die Uniper-Aktien stehen schon seit Monaten unter Druck. Vor Beginn des Krieges Russlands gegen die Ukraine hatten sie um die 40 Euro gekostet.

Scholz: "Milliardenschwerer Sanierungsbeitrag von Fortum"

An der finnischen Börse knickten die Aktien der Uniper-Mutter Fortum am Freitag um sechs Prozent ein. Der Anteil von Fortum an Uniper wird im Zuge des Einstiegs des deutschen Staates von rund 80 auf 56 Prozent verwässert. "Das ist schon ein milliardenschwerer Beitrag von Fortum zur Sanierung von Uniper", bekräftigte Kanzler Scholz auf Nachfrage eines Journalisten. Die Beteiligung kann allerdings durch eine ebenfalls angekündigte Pflichtwandel-Anleihe wieder aufgestockt werden.

Sicherung des Investment-Grades zentrales Anliegen von Uniper

Das in Unipers Rettungspaket geplante Pflichtwandel-Instrument habe ein Volumen von bis zu 7,7 Milliarden Euro, hieß es. Pflichtwandel-Anleihen sind verzinsliche Papiere, bei denen die Wandlung in Aktien spätestens zum Ende der Laufzeit verpflichtend ist. Sie werden daher von Ratingagenturen als ähnlich zu Eigenkapital angesehen. Die beschlossenen Maßnahmen sollen sicherstellen, dass die Kreditwürdigkeit von Uniper weiterhin als Investment-Grade eingestuft werden.

Bei Uniper soll die Ausgabe in Tranchen erfolgen, soweit es der Liquiditätsbedarf des Konzerns erfordert. Der Umtauschpreis je Aktie bei Wandlung sieht einen Abschlag von 25 bis 50 Prozent auf den Börsenkurs der Uniper-Aktien in einem bestimmten Zeitraum vor Durchführung der Wandlung vor. Fortum wird dabei die Option eingeräumt, Teile des Pflichtwandel-Instruments vom Bund zu erwerben.

Auf die Frage, ob das Rettungspaket einem Schutzversprechen für weitere systemrelevante Energieversorger gleich komme, wollte sich Scholz indes nicht festlegen lassen. "Das ist keine Blaupause. Jedes Unternehmen ist ein Einzelfall", so der Kanzler. (dpa/hoe)