Deutschland

Sachsen-Anhalt will kommunale Finanzgeschäfte überprüfen

Innenminister Holger Stahlknecht will neue Kontrollen einführen, um zu verhindern, dass sich Kommunen und Zweckverbände in Sachsen-Anhalt bei riskanten Finanzgeschäften verspekulieren.
11.05.2018

Künftig sollten sogenannte Derivatgeschäfte in jedem Einzelfall auf einen Verstoß gegen das geltende Spekulationsverbot geprüft werden, sagte der CDU-Politiker am Freitag in Magdeburg. Anlass ist eine laufende Prüfung des Landesrechnungshofs. Erste Ergebnisse lägen den Verdacht nahe, dass mehrere Zweckverbände in der Vergangenheit bei hochriskanten Geschäften Verluste im zweistelligen Millionenbereich eingefahren haben, sagte Stahlknecht. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass Verbände die Einbußen über erhöhte Gebühren an die Kunden weitergaben. Sollte sich diese Befürchtung bestätigen, wäre das ein "ungeheuerlicher Vorgang", sagte der CDU-Politiker." "Das ist keine kleine Nummer, über die wir hier reden", erklärte er.

Denn: Nicht nur die Weitergabe dieser Verluste an die Endkunden ist verboten - auch die Spekulationen selbst sind es. Das sei mehrfach mit Erlassen klargestellt worden, ergänzte Staatssekretärin Tamara Zieschang. Da das Verbot anscheinend nicht reiche, sollte das Landesverwaltungsamt potenziell problematischen Geschäfte im Vorfeld prüfen - und genehmigen. Den Vorschlag unterbreitete das Ministerium den Innenexperten des Landtags. Dort wird gerade das zugehörige Gesetzespaket überarbeitet.

Rechnungshof soll auch kleinere Städte in den Blick nehmen

Stahlknecht regte zudem an, dem Rechnungshof zu erlauben, auch Städte und Gemeinden mit weniger als 25 000 Einwohner zu überprüfen. Weil das bisher nicht möglich ist, checkten die Experten im aktuellen Fall nur die 11 Landkreise, 18 Kommunen und 50 Zweckverbände. Um trotzdem herauszufinden, ob auch kleinere Städte und Gemeinden problematische Finanzgeschäfte tätigen, übernehme derzeit das Landesverwaltungsamt die Prüfung der fehlenden Kommunen. Eine erste Übersicht, wie viele von ihnen Derivatgeschäfte tätigten, soll im Juni vorliegen.

Derivate sind ein verbreitetes Instrument am Finanzmarkt, mit dem etwa Schwankungen bei Kursen oder Zinsen abgesichert werden können. Eine Prüfung des Rechnungshofs ergab, dass 25 kommunale Zweckverbände seit 1999 solche Geschäfte getätigt haben. "Der Einsatz von derivaten Finanzinstrumenten auf kommunaler Ebene ist also kein Einzelfall, sondern flächendeckende Praxis", teilten die Prüfer mit.

Derivate als reines Spekulationsprodukt verboten

Dies ist nicht per se verboten. Für die Absicherung von Krediten können sie zulässig sein, als reines Spekulationsprodukt hingegen nicht, so das Ministerium. Beim Abwasserzweckverband in Bad Dürrenberg im Saalekreis stieß der Rechnungshof bereits auf solche verbotenen Geschäfte. Die Experten prüfen weiter, mehr als eine Hand voll Fälle gilt als problematisch. Die tatsächliche Dimension kann laut Rechnungshof erst nach dem Abschluss abgeschätzt werden.

Auch das Innenministerium wartet auf die Ergebnisse. Sollten Verluste auf Kunden umgelegt worden sein, müssten die Gebühren sofort neu berechnet werden, unterstrich Stahlknecht. Geschäftsführer betroffener Zweckverbände, die Verbandsversammlung mit Kommunalvertretern als Aufsichtsgremium, aber auch Banken könnten für Schadenersatz in die Pflicht genommen werden. Zudem müsste dann geprüft werden, ob gegen die Verantwortlichen auch strafrechtlich ermittelt wird. (dpa)