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"Durch ein Zahlungsmoratorium wird die Bugwelle immer größer"

Stadtwerkevertreter sehen den Vorstoß von Ministerin Lemke kritisch. Bereits im vergangenen Jahr sind vor allem die Gassperren deutlich gestiegen. Das hat viel mit Corona und Nachholeffekten zu tun.
07.10.2022

Im vergangenen Jahr erhielten rund 4 Millionen Stromkunden und etwa eine Million Gaskunden eine Sperrandrohung.

Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke will die Bürger aufgrund der hohen Belastungen durch die gestiegenen Energiepreise vor Strom- und Gassperren schützen. In der Stadtwerkebranche wird dieser Vorstoß weiterhin mit großer Skepsis gesehen.

„Ein Moratorium für Zählersperrungen stellt keine nachhaltige Lösung für den Endverbraucher dar“, sagt etwa Christian Theves, Abteilungsleiter Privat- und Gewerbekundenvertrieb bei den Stadtwerken Duisburg. Die entstandenen Kosten blieben bestehen und stellten weiterhin eine Verbindlichkeit für den Kunden dar.

„Bei allem Verständnis für diese Diskussion sehen wir ein Zahlungsmoratorium äußerst kritisch. Das Aussetzen der monatlich wiederkehrenden Zahlungen erlässt solange nicht die Schuld, bis ein Dritter für die Zahlungen einspringt – ansonsten verursacht das Moratorium lediglich den Aufschub der Fälligkeiten, die Bugwelle wird immer größer“, schreibt Christian Meyer-Hammerström, Geschäftsführer der Osterholzer Stadtwerke in der Nähe von Bremen.

"Stadtwerke können nicht zeitgleich mit Zahlungsausfällen und Liquiditätsproblemen kämpfen"

Zudem würde ein Moratorium massive Auswirkungen auf die Liquidität der Energie- und Wasserwirtschaft haben, zu der gerade auch eine Vielzahl kleinerer und mittlerer Versorgungsunternehmen gehörten. „Die Absicherung von Kunden mit Zahlungsschwierigkeiten muss über die bestehenden Systeme und staatliche Hilfsprogramme und/oder den auch in Niedersachsen angedachten Härtefallfond erfolgen“, stellt Meyer-Hammerström klar. Hiermit wäre der Durchfluss liquider Mittel im Energiewirtschaftssystem sichergestellt. „Gerade in diesen Zeiten brauchen wir eine stabile Energie- und Wasserversorgung, die ihrerseits nicht zeitgleich mit Zahlungsausfällen und Liquiditätsproblemen kämpfen kann“, stellte er klar.

Zahl der Stromsperrungen hat um zwei Prozent zugenommen

Die Zahl der unbezahlten Strom- und Gasrechnungen hat indes nach einem deutlichen Rückgang im Corona-Jahr 2020 bereits im vergangenen Jahr wieder zugenommen. 2021 erhöhte sich die Zahl der Stromsperrungen in Deutschland um gut zwei Prozent auf rund 235 000, wie aus den Zahlen für den neuen Monitoringbericht von Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt hervorgeht, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegen. Die Zahl der Gassperrungen erhöhte sich sogar um rund 12 Prozent auf rund 27 000. Damit waren etwa 0,4 Prozent aller Stromkunden und rund 0,2 Prozent aller Gaskunden in Deutschland von Lieferstopps betroffen.

Für 2022 liegen nach Angaben der Behörden noch keine Daten vor. Der Anstieg der Energiekosten im Jahr 2022 könne allerdings dazu führen, dass mehr Strom- und Gaskunden mit ihren Strom- und Gasrechnungen in Zahlungsverzug geraten. Dies könne letztlich zu einem Anstieg der Sperrungen führen, hieß es.

Fünf Millionen Strom- und Gaskunden erhielten 2021 eine Sperrandrohung

Der Anstieg im vergangenen Jahr ist demnach teilweise auf nachgeholte Sperrungen aus dem Jahr 2020 zurückzuführen. Durch Corona in finanzielle Nöte geratene Bürger hatten im ersten Corona-Jahr zeitweise ein sogenanntes Leistungsverweigerungsrecht. Ihnen mussten Zahlungen für Strom und andere Leistungen der Daseinsvorsorge gestundet werden. Ein Großteil der Lieferanten verzichtete zudem freiwillig auf Sperrungen ihrer Kunden. Auch im Jahr 2021 hat rund die Hälfte der von der Bundesnetzagentur befragten Strom- und Gaslieferanten auf eine Sperrung freiwillig verzichtet.

Für die Sperrung von Strom und Gas gelten strenge Vorgaben. In der Grundversorgung darf eine Sperrung erst bei einem Zahlungsverzug von zwei Monatsabschlägen und mindestens 100 Euro durchgeführt werden. Wenn kein Monatsabschlag vereinbart ist, muss der Zahlungsverzug mindestens ein Sechstel des voraussichtlichen Jahresbetrags ausmachen. Dies gilt nunmehr auch im Gasbereich, in dem es bisher keine Untergrenze gab.

Im vergangenen Jahr erhielten rund 4 Millionen Stromkunden und etwa eine Million Gaskunden eine Sperrandrohung. Den Monitoringbericht 2021 wollen die Behörden Ende November veröffentlichen. (hoe/dpa)