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Innogy-Zerschlagung sorgt weiterhin für Unruhe

"Es sind turbulente Zeiten für Innogy", so Vorstandschef Uwe Tigges auf der Hauptversammlung. In der Tat: viele Fragen sind noch ungeklärt.
24.04.2018

Die Innogy-Vorstände stellen sich während der Hauptversammlung der RWE-Tochter zum Gruppenfoto auf: Hans Bünting, Hildegard Müller, Uwe Tigges und Martin Herrmann (v.l.).

Gut sechs Wochen nach der überraschenden Ankündigung der Energiekonzerne Eon und RWE, die RWE-Tochter Innogy zu zerschlagen, sind die Folgen des Megadeals für Verbraucher, Beschäftigte und Aktionäre unklar. Bei der Innogy-Hauptversammlung sagte Vorstandschef Uwe Tigges am Dienstag, die meisten Detailfragen seien "weiterhin offen". Weder gebe es von Eon ein Übernahmeangebot für die Innogy-Aktionäre, noch bestehe eine Zusage, auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten. Eon will nach der Übernahme rund 5000 Stellen streichen.

Geklärt ist bei Innogy dagegen, wer das Unternehmen bis zu seinem vermutlichen Ende 2019 führen wird. Interimschef Tigges wurde zum offiziellen Vorstandsvorsitzenden bestellt. Er hatte das Amt im Dezember 2017 zunächst übergangsweise übernommen, nachdem sich Innogy von Vorstandschef Peter Terium getrennt hatte. Der Niederländer erhält eine Abfindung von insgesamt rund 12 Mio. Euro. Das seien 5,3 Mio. Euro weniger, als er bei Erfüllung seines Vertrages bekommen hätte, erläuterte Aufsichtsratschef Erhard Schipporeit vor den Aktionären.

Pehlke: Sind überzeugt, Change-of-Control-Klausel greift

Für Unruhe sorgt die geplante Zerschlagung weiterhin auch bei den Kommunen. Innogy ist bekanntlich an rund 100 Stadtwerken und regionalen Versorgern beteiligt und besitzt rund 3800 Strom- und Gasnetz-Konzessionen - nicht nur im RWE-Kernland Nordrhein-Westfalen. Diese Verbindungen bestehen oft seit Jahrzehnten. Eon will das lukrative Geschäft der Strom- und Gasnetze übernehmen und so zum neuen Partner der Kommunen werden.

Einzelne Kommunen prüfen allerdings bereits, ob in Verträgen vereinbarte Sonderkündigungsrechte genutzt werden können, um sich nach anderen Partnern umzusehen oder Stadtwerke wieder ganz in kommunale Hand zurückzuholen. "Wir sind der Überzeugung, dass die Change-of-Control-Klausel greift", ist beispielsweise der Chef der Dortmunder Stadtwerke, Guntram Pehlke, überzeugt. Innogy ist mit 39,9 Prozent an der Dortmunder Energie- und Wasserversorgung DEW21 beteiligt. Die Grünen im Dortmunder Rat haben bereits vorgeschlagen, sich von Innogy/Eon zu trennen.

Eon will zügig das Gespräch mit Kommunen suchen

Am Kölner Regionalversorger Rheinenergie ist Innogy mit 20 Prozent beteiligt. Vorstandschef Dieter Steinkamp sagte dem Handelsblatt, das Unternehmen wolle Bestimmungen zu "Change-of-Control-Vorgängen" im Zusammenhang mit dem geplanten Innogy-Verkauf "intensiv prüfen". 

Eon kündigte an, so bald wie möglich Gespräche mit den Kommunen zu suchen, die gemeinsam mit Innogy an Netzgesellschaften beteiligt sind. Schon jetzt habe Eon mit mehr als 5000 Kommunen in Deutschland vertrauensvolle Partnerschaften im Netzgeschäft, sagte ein Sprecher. Seit 2007 habe Eon mehr als 90 Prozent der seitdem ausgelaufenen Konzessionsverträge erneuern können.

"Eon kann umfangreiche Verfahrens-Know-how von RWE nutzen"

Das Beispiel Dortmund zeigt aber auch, wie eng die gegenseitige Verflechtung von Kommunen und Energiekonzernen bisweilen ist. Die Stadtwerke sind größter kommunaler Aktionär von RWE, die Kommunen haben im RWE-Aufsichtsrat den Deal abgesegnet. Bei Innogy gibt es in Dortmund weit über 2000 Arbeitsplätze, die künftig zu Eon wechseln sollen. "Auch das muss bedacht werden", sagte Pehlke.

Nach Berechnung des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt, Energie dürfte Eon künftig mehr als die Hälfte der insgesamt rund 20 000 Verteilnetz-Konzessionen bei Strom und Gas halten. "Bei Neuausschreibungen kann Eon künftig auch noch das umfangreiche Verfahrens-Know-how von RWE nutzen und gegenüber den Mitbewerbern ausspielen", erklärte Kurt Berlo, der bei dem Institut zum Thema Netz-Konzessionen forscht.

Mächtige Position von Eon als Grundversorger

Offen sind auch die Folgen der Innogy-Übernahme für die Stromverbraucher. Eon-Chef Teyssen ist Befürchtungen entgegengetreten, sein Unternehmen bekomme dadurch zu viel Marktmacht. "Im Vertrieb hätten wir einen Marktanteil von 25 Prozent in Deutschland. Ein Monopol sieht anders aus", sagte Teyssen der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung".

Der für Firmen der Energiebranche arbeitende Datenbank-Analyst Enet hat sich die Folgen des Eon-RWE-Deals genauer angesehen und Deutschland dazu in rund 17 000 kleine Einheiten zerlegt. In gut jeder zweiten davon wird Eon demnach künftig der Grundversorger sein - also dasjenige Unternehmen, das dort die meisten Haushaltskunden mit Strom oder Gas beliefert. Und das schafft einen sicheren Kundenstamm: Nach Zahlen der Bundesnetzagentur hatten 2016 mehr als 70 Prozent aller Strom-Haushaltskunden einen Basisvertrag oder einen anderen Vertrag beim örtlichen Grundversorger.

Störfeuer von Finanzinvestor Macquarie könnte erfolgreich sein

Unterdessen könnte das Störfeuer des australischen Finanzinvestors Macquarie im Milliardendeal laut Aussage des Innogy-Managements durchaus Aussicht auf Erfolg haben. Der Finanzinvestor ist am Tschechiengeschäft der Essener interessiert, vor allem am Anteil von Innogy an der gemeinsamen Gasnetzgesellschaft. Innogy-Netzvorstand Hildegard Müller erklärte laut Nachrichtenagentur Dow Jones auf der Hauptversammlung, dass Macquarie eine Sonderklausel ziehen könnte, die dem Investor bei einem Eigentümerwechsel eine Art Vorkaufsrecht einräumt. Es spreche einiges dafür, so Müller, dass diese Klausel bei der Transaktion ausgelöst werden könnte.

Innogy hält 50,4 Prozent an der Netzgesellschaft in dem osteuropäischen Land, Macquarie 49,6 Prozent. RWE verfügt über keinen Beherrschungsvertrag bei Innogy, kann also Gespräche des Vorstands mit anklopfenden Investoren nicht verbieten. (hil/dpa)