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450 MHz-Frequenzen: Warum „weniger“ manchmal „mehr“ sein kann

Der Energiewirtschaft reichen für den Aufbau eines flächendeckenden 450 MHz-Netzes 2000 Funkmastenstandorte. Weshalb die Branche keinen Antennenwald braucht:
25.09.2020

Die erforderliche Anzahl der Funkstandorte hängt nicht nur von der Frequenz ab, sondern auch von der Leistungsfähigkeit der Technik, Masthöhe, Antennenkonfiguration und den erforderlichen Diensten.

Der eine verschickt gerne Fotos per Handy, dem anderen reichen SMS – und damit deutlich weniger Bandbreite. So verhält es sich auch bei der Energie- und Wasserwirtschaft und der 450 MHz-Frequenz: Für die Informationen, die hier im Regelfall versendet werden sollen, sind keine großen Datenpakete erforderlich.
 
Wichtiger ist vielmehr, dass diese Frequenzbänder auch durch dicke Mauern dringen und daher intelligente Stromzähler aus der Ferne verlässlich auslesen und das gesamte Netz stabil halten können.
 
Kein Antennenwald in 450 MHz
 
Soweit so gut. Die Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS), die bundesweit das digitale Funksystem für die Sicherheits- und Zivilschutzbehörden betreibt, hat neben der Energie- und Wasserwirtschaft ebenfalls großes Interesse an der 450-MHz-Frequenz und sich um deren Zuteilung beworben.
 
Sie will für den Aufbau ihres LTE-Basisbreitbandnetz in 450 MHz ihre bestehenden etwa 4700 Funkmasten des TETRA-Digitalfunknetzes nutzen. Ansonsten müssten Milliarden für zusätzliche Standorte investiert werden, um das LTE-Breitbandnetz in den BOS Ende 2017 bereits zugewiesenen 700-MHz-Frequenzbereich aufzubauen, so die Argumentation der Behörde.
 
Das Konsortium der Energiewirtschaft, vereinigt in der 450 Connect GmbH, plant hingegen, das LTE450-MHz-Funknetz für die kritischen Infrastrukturen mit etwa 2000 Standorten zu realisieren.
 
Energiewirtschaft hat solide geplant
 
„Die heute bereits in Betrieb befindlichen regionalen 450MHz-Funknetze der Energiewirtschaft demonstrieren, dass diese Planung valide ist“, sagt Andrzej Cwik, Technischer Geschäftsführer der 450 Connect GmbH. Schließlich hänge die erforderliche Anzahl der Funkstandorte zur flächendeckenden Versorgung nicht nur von der Frequenz ab, sondern auch vor allem von der Leistungsfähigkeit der Technik, der Masthöhe, der Antennenkonfiguration und den erforderlichen Diensten.
 
„Mit sehr guter Wellenausbreitung, verfügbarer LTE-Technologie und der für die Energiewirtschaft benötigten Maschinenkommunikation ist 450MHz für die Digitalisierung der kritischen Infrastrukturen technisch und wirtschaftlich ideal geeignet, die bestehenden 450MHz-Netze in Deutschland aber auch den Niederlanden und Österreich schon heute im Wirkbetrieb nachweisen“, so Cwik.
 
Studie sieht Antennenstandorte der BDBOS für 700MHz-Netz als mehr als ausreichend an
 
Professor Andreas Timm-Giel von der technischen Universität Hamburg-Harburg kommt in einer Studie zum Ergebnis, dass ein flächendeckendes LTE700-Netz für die BOS-Breitbandnutzung 3200 Antennenstandorten erfordert. Mit den 4700 Antennenstandorten der BDBOS ist eine hochverfügbare Gebäudeabdeckung mit hohen Bitraten gewährleistet – und damit unter anderem geeignet für Videoanwendungen.
 
 Zu ähnlichen Schlüssen kommt Bernd Sörries, Direktor beim Wissenschaftlichen Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste: „Für jede Frequenz gibt es eine technische und wirtschaftliche zweckmäßige Anzahl von Standorten. Die 4700 Antennenstandorte des BDBOS TETRA-Digitalfunknetz sind für LTE im 700MHz sehr gut geeignet, für die 450MHz Frequenz hingegen viel zu dicht.“
 
Jede Frequenz hat seine Nutzer
 
In der Debatte sei leider von Anfang an ignoriert worden, dass die erforderliche Standortzahl nicht nur von der Frequenz, sondern gerade von der eingesetzten Technik abhänge. Die 700MHz-Frequenzen seien für das Breitbandnetz der BOS auf Basis des bestehenden Standortportfolios technisch besser geeignet und erlauben ein Vielfaches der Kapazitäten eines 450MHz-Funknetzes.

„Es verwundert aus wissenschaftlicher Sicht, dass diese Alternative nicht mehr als der Lösungsansatz betrachtet wird, zumal international im 700 MHz-Bereich Frequenzen für BOS heute eingesetzt werden. Mit diesen Frequenzen können die in Studien belegten Bedarfe von BOS erfüllt werden“, so Sörries.
 
Alternativlos für Versorgungswirtschaft
 
„Die Frequenzen im Bereich 450 MHz eignen sich besonders gut, um eine flächendeckende hochverfügbare und zugleich schwarzfallsichere Funknetzinfrastruktur zur Steuerung von Versorgungsnetzen aufzubauen“, machte sich zudem unlängst Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur, für die Energie- und Wasserwirtschaft stark.
 
„Die Vergabe der 450 MHz-Frequenz an die Versorgungswirtschaft ist alternativlos, wenn diese die Energiewende erfolgreich umsetzen soll“, unterstreicht zudem Theo Waerder, Vorstandsvorsitzender der Versorger Allianz 450 und Geschäftsführer von Bonn Netz.
 
Und weiter: „Ohne eine schwarzfallfeste 450MHz-LTE-Branchenlösung für unsere Energie- und Wasserver- und entsorgungsunternehmen ist diese zum Scheitern verurteilt, da nur dieses System in der Lage sein wird, Lösungswege zu erschließen und weitere Anforderungen sowie Herausforderungen wie Klimawandel, E-Mobilität, Trockenheit und Wassermengen, Greengas-Mobilität und Smartmeter-Rollout erfolgreich anzugehen.“ (sg)