Smart City / Energy

"Wir kommen so langsam in Position"

Wie sieht die Zukunft von Abrechnungs-Lösungen aus? Auf der Epilot World diskutierten hierzu Powercloud, SAP und Enercity. Klar ist: Plattformen werden kommen. Wer das Rennen macht, ist indes offen.
18.02.2021

„Uns ist auch klar, dass die Offenheit bei Plattformen funktionieren muss.“

Es wird künftig nicht einen Anbieter geben, der alle Funktionen bereitstellt, hier gibt es einfach zu viele“, sagt Powercloud-CEO Marco Beicht bei der Diskussion „Wie sieht die Billing-Welt der Zukunft aus?“ während der digitalen Veranstaltung Epilot World. Entscheidend werde es sein die Plattform für weitere Anbieter diskriminierungsfrei anzubieten. So gebe es etwa bei der Powercloud sogenannte "powerA"pps für unterschiedliche Funktionen. „Das haben wir nicht erfunden, das machen andere auch“, so Beicht weiter, „aber wir glauben, dass es der entscheidende Punkt in der Energiewirtschaft sein wird: Schnell Apps aus dem Store zu ziehen ohne dabei hohe Integrationskosten zu haben.“

Guido Koth, Director Platform & Technology Utilities bei SAP Deutschland  pflichtet Beicht bei: „Die Idee der monolithischen Lösung ist out, wir müssen eine Plattform haben. Wir bieten für alle Marktrollen eine Lösung. Zudem – was kaum jemand weiß – auch SAP hat einen Appstore“. Der Konzern aus Walldorf habe den Strategiewechsel zu SAP 4/HANA 2015 bereits angekündigt, bis 2025 soll die Umstellung vollzogen sein.

„SAP greift unsere Strategie auf“, konterte Powercloud-CEO Beicht. Man selber arbeite derzeit daran wie SAP auch alle Marktrollen abzubilden. Der Cloud-Anbieter sei allerdings anders aufgestellt: Während SAP ein unheimlich großes Leistungsspektrum habe, ziele man selbst auf die Business Operating Prozesse. „Wir wollen die beste Lösung. Beim Billing sehen wir uns aktuell als die Nummer 1“.

Offenheit muss funktionieren

Beicht betonte auch die Wichtigkeit für Standards auf Plattformen, hier gehe es nicht nur um Billing, CRM oder Marktkommunikation, sondern um die ganze Kette. „Bei uns wähle ich das beste Billing-System, das beste MaKo-System und verschalte es selbst über die Powercloud“. So biete das Unternehmen Gates etwa eine Lösung für Stadtwerke. „Das können wir gar nicht in dieser Tiefe liefern, zumindest nicht nebenher“, so Beicht.

„Uns ist auch klar, dass die Offenheit funktionieren muss“, zeigte sich Koth von SAP selbstkritisch. Die Plattform sei offen, aber man könne auch vieles von SAP aus einer Hand haben. „Das ist so gedacht, dass unsere Kunden zum Beispiel unsere MaKo-Lösung nutzen, aber wir zwingen niemanden dazu. Jeder der meint, dass er es genauso gut und besser kann, ist eingeladen hier seine eigene Lösung zu entwickeln.“ Der Punkt sei aber, dass sich aktuell keiner hier herantraue, „weil es eben sehr komplexe Prozesse sind. Wir sind offen, wollen aber möglichst alles aus einer Hand anbieten“, so Kloth.

Am Ende müsse man selbst entscheiden, sagt Beicht, der einräumte, dass SAP und Powercloud eigentlich ziemlich gleiche Ideen und Strategien haben. „Doch was ist überhaupt eine Plattform? Am Ende des Tages ist es ein Betriebssystem. Du kannst es selbst integrieren“.

Einen Kundenservice nach unseren Vorstellungen gab es nicht

Gute Erfahrungen mit ihrer eigenen Plattform machte auch Enercity, wie Susanna Zapreva, Vorstandsvorsitzende der Stadtwerke Hannover AG, im Interview auf der Epilot World bekannte. „Einen Kundenservice nach unseren Vorstellungen gab es nicht auf dem Markt“, so die Enercity-Chefin. Unser Fokus war Abrechnung. Wir wollten aber, dass der Kunde eine Übersicht über alles hat.

Zudem habe IS-U einen enormen Schulungsaufwand bedeutet und sei enorm komplex gewesen. „Wir haben etwas gesucht, worüber wir jede Dienstleistung für den Kunden verkaufen können ohne Parallelsyssteme."

Plattform auch für Dritte

„Nachdem wir nichts am Markt gefunden haben, haben wir beschlossen, das selbst zu machen.“ Inzwischen habe man auch Künstliche Intelligenz im Einsatz. „Ich behaupte, dass wir so langsam in Position kommen“. Für welchen Plattform-Anbieter man sich letztlich entscheide, komme auch darauf an, was man wolle. „Möge der bessere gewinnen“, bemerkte Zapreva gelassen.

Der Gedanke, die eigene Plattform von Enercity dem Wettbewerb zur Verfügung zu stellen, sei von Anfang an da gewesen. „Wenn wir das gut schaffen, war uns klar, gibt es ein Absatzpotenzial.“ Ein Produkt für andere Energieunternehmen sei aber nicht im Vordergrund gestanden. „Es ging mehr um uns – es musste alles so sein, dass es für uns passt.“

Wachsender Dienstleistungsbereich

Der Hannoveraner Versorger wartete mit guten Zahlen auf: „In den letzten vier Jahren ist es uns gelungen, den Umsatz zu verdoppeln – auch, weil wir schon vor fünf Jahren begonnen haben, die digitale Transformation aktiv zu gestalten.“ Auch die Ergebnissen sind um 40 Prozent gestiegen. „Wir haben einen Dienstleistungsbereich, der nachhaltig wächst“, so Zapreva.

„Wir stellen den Kunden ganz nach vorne und alles was wir machen, wollen wir vom Kunden aus denken“, bekräftigte Zapreva. Ziel sei es, in den nächsten Jahren zunehmend Mehrwerte abzubilden, indem man das Thema Energiedienstleistungen mit neuen Technologien verbinde und dies zunehmend auf den Kunden zuschneide. „Wir wollen immer mehr Menschen von uns begeistern und erfolgreich sein“.

Mitarbeiter finden und halten – die größte Herausforderung

Wie man sich am besten am Kunden orientiert – hier gibt es Zaprevas Ansicht nach kein Standardrezept. „Jeder Mensch will verstehen, warum gewisse Dinge passieren. Wenn es uns gelingt, darzustellen, warum etwas passiert, herrscht mehr Offenheit, um neue Wege zu gehen. Wir versuchen jeden Kunden individuell zu verstehen und für jeden individuell entsprechende Produkte zu schaffen“, erklärte die Enercity Chefin. Dazu müsse auch der digitale Wandel im Unternehmen angenommen werden.

Das Schwierigste sei es, die richtigen Leute zu finden. Das sei die größte Herausforderung, die man habe – das gelte nicht nur für die Plattform, so Zapreva. „Die Menschen für das Unternehmen zu begeistern und auch zu halten, das ist mit Abstand die größte Herausforderung“. (sg)