Smart City / Energy

Wuppertal ist positiv überrascht von seinem Blockchain-Projekt

Vor allem auf Seiten der Produzenten herrsche großer Bedarf an dem Blockchain-basierten Handelsplatz für Ökostrom "Tal.Markt". Man arbeite derzeit intensiv daran weiter zu expandieren.
05.03.2018

Seit Silvester ist "Tal.Markt", der weltweit erste Blockchain-basierte Handelsplatz für Ökostrom, so O-Ton der Wuppertaler Stadtwerke, freigeschaltet. Zeit für eine Bilanz – und die kann sich sehen lassen: "Wir sind mit der Entwicklung des "Tal.Markts" sehr zufrieden, eigentlich sogar positiv überrascht", heißt es bei den WSW. Vor allem auf Seiten der Produzenten herrsche großer Bedarf, da seit Anfang der 20er Jahre die ersten EEG-Pioniere ihr Privileg der Einspeisevergütung verlieren. "Da nicht wenige dieser Anlagen nach wie vor voll funktionsfähig sind und bleiben werden, wäre es ökologisch wie ökonomisch völlig unsinnig, diese Anlagen stillzulegen". Zudem nehme man bei den Konsumenten wahr, dass die Möglichkeit, den eigenen Strombedarf zusammenzustellen, dem Anspruch auf Individualität und Selbstbestimmung gerecht werde.

Aktuell befinden sich auf der Plattform alle großen Wuppertaler Ökostrom-Anlagen. Sechs Wochen nach Start habe man schon eine dreistellige Kundenzahl gewinnen können. Darüber hinaus sei man über die Stadtgrenzen hinaus in Verhandlungen mit Windparks und Solaranlagen-Betreibern. Zudem habe man seit dem Produktlaunch in den ersten sechs Wochen schon rund 50 000 Seitenbesuche erzielt. An der Expansion von "Tal.Markt" arbeiten die Wuppertaler intensiv. Schwierigkeiten bereiten noch die fehlenden Möglichkeiten intelligente Messsysteme inklusive Gateway in Verbindung mit der viertelstündlichen Bilanzierung der beteiligten Endkunden zu implementieren. "Wir glauben an die besondere Echtheit des Produkts durch die Messung des tatsächlichen Verbrauchs im Gegensatz zu synthetischen Profilen", so die Wuppertaler. Sollte es allerdings ein erkennbares Kundeninteresse auch an einem "Tal.Markt light" ohne Smart-Meter geben, werde man hier nochmals neu überlegen.

Funktionsweise der Plattform

Auf "Tal.Markt" können Kunden ihren Strom bei Ökostromanbietern aus Wuppertal erwerben und ihren Energiemix selbst zusammenstellen. Für jede Viertelstunde wird der kundenindividuelle elektrische Energieverbrauch auf Basis des persönlichen Strommixes mit den produzierten Energiemengen des jeweiligen Produzenten in Form einer Transaktion festgeschrieben. So wird sichergestellt, dass jede Kilowattstunde aus einer spezifischen Anlage jeweils nur einmal Verwendung finden kann. "Die Blockchain erfüllt also die Aufgabe eines Herkunftsnachweisregisters", verdeutlichen die WSW. Die Kunden, die an "Tal.Markt" teilnehmen erhalten einen intelligenten Stromzähler, dessen Einbau und Kosten die WSW übernehmen. 

Angst, als Stadtwerk obsolet zu werden habe man nicht. Als Stadtwerk bilde man in der Rolle des Energiedienstleisters die unabdingbare energiewirtschaftliche Basis für dieses Modell. "Gegenüber unseren Kunden stellen wir sicher, dass unabhängig vom fluktuierenden Dargebot stets der vollständige Bedarf gedeckt wird. Dafür liefern wir die nötige Residuallast aus dem Wuppertaler Müllheizkraftwerk, das mit seinem 50prozentigem biogenem Anteil ebenfalls grünen Strom liefert", erklären die WSW. Kunden erhalten unabhängig von der Kleinteiligkeit ihres persönlichen Strommixes zudem nur eine Abrechnung. Diese erfolgt auf Basis tatsächlicher Verbräuche. Damit erspare man den Kunden Intransparenz und monatliche Abschläge sowie mögliche Nachzahlungen oder Rückforderungen.

Für die Produzenten schaffe man einen Marktplatz, der sie auch jenseits des EEG in die Lage versetze, den von ihnen produzierten Strom zu veräußern. Da die Produzenten in der Regel keine Energiehändler seien, nehme man ihnen somit auch die Komplexität und ermögliche einen regionalen Absatzmarkt. Für den Fall nicht ausreichender Abnehmer platziere man die Energiemengen darüber hinaus am Großhandelsmarkt.

Anfänge bei den WSW

Mit alternativen Vermarktungsformen für Erneuerbare beschäftigte sich ein Team der WSW schon seit rund anderthalb Jahren. Der seit Sommer 2016 rechtlich verankerte Smart-Meter-Rollout mache Anwendungsfälle möglich, die dem Kunden echte Mehrwerte liefern. Die Blockchain selbst stand dabei nicht zwingend im Fokus, so die WSW. Aber sie sei eine Technologie, die bei bestimmten Anwendungen unbestreitbare Vorteile habe. Im Rahmen der E-World habe man 2017 schon die ersten Gespräche mit dem Elblox-Team, einer Gruppe Entwickler aus dem Axpo-Konzern, geführt. Die Schweizer hatten bereits eine Implementierung der Blockchain entwickelt, bei den WSW war ein geeignetes Endkundenprojekt als Skizze vorhanden. "Die Idee aus beiden Häusern, Axpo und WSW, passten ideal zusammen und auch die technologische Ausprägung eines Herkunftsnachweises in Form einer Blockchain-Umsetzung überzeigte, weshalb rasch damit begonnen wurde, das Projekt zu realisieren", schilderten die WSW.

Das Potenzial von Blockchain bewerte man sehr differenziert und jeweils bezogen auf den möglichen Anwendungsfall. "Zunächst ist Blockchain eine alternative Form der Datenhaltung". Öffentliche Blockchains etwa haben den gravierenden Nachteil des sprichwörtlichen Energiehungers. "Wir können uns aber vorstellen, dass konsortiale Blockchains in der Energiebranche in absehbarer Zeit einen festen Platz einnehmen können", so die WSW. Hier geschieht die Datenhaltung nicht zentral, sondern bei jedem Teilnehmer des Konsortiums – aber eben nicht dezentral bei allen Beteiligten eines Produkts.

Damit sei das Problem ausufernder Energieverbräuche ausgeräumt. Die reine Lehre der Blockchain sei zwar, digitales Vertrauen über die Verteilung auf beliebig viele Peer-to-Peer-Rechner zu generieren. Aber das sei energiewirtschaftlich und aus Umweltschutzgründen für Produkte wie "Tal.Markt" völlig unsinnig. "Denn es würde heißen, dass nicht nur bei jedem Erzeuger, sondern auch bei jedem Kunden Tag und Nacht die Rechner laufen müssen, um jede Transaktion zu verifizieren", heißt es bei den WSW.

Tipp

Die WSW raten dazu den Kundennutzen im Auge zu behalten. Entstehe in Verbindung mit dem Produkt auf Basis einer Blockchain-Anwendung ein Mehrwert im Gegensatz zur zentralen Datenhaltung, dann sei deren Nutzung sinnvoll. "Einen Anwendungsfall auf Basis einer Technologie zu erzwingen ist sicherlich der falsche Ansatz." (sg)