Gas

200-Euro-Marke geknackt: Gaspreiskrise spitzt sich zu

Die Rallye am Gasmarkt schlägt sich auch auf den Strompreis nieder. Ein Standardprodukt schnellt sogar auf einen neuen Rekordwert.
27.07.2022

Wo ist das Gaspreis-Plateau? Bei 200 Euro pro MWh anscheinend nicht, wie Marktbewegungen am Mittwoch zeigten.

Die Lage an den Energiemärkten spitzt sich weiter zu. Am Mittwoch übersprangen die Gaspreise für die kommenden Liefermonate durch die Bank die 200-Euro-Marke. Am Nachmittag notierte der Gaspreis für den Liefermonat August am Handelspunkt TTF bei 202 Euro pro MWh. Nur Anfang März waren die Preise noch höher.

Erst Gasangebote für Februar 2023 lagen unterhalb der 200-Euro-Schwelle (195 Euro). Für weniger als 100 Euro ist Gas momentan frühestens im Sommerhalbjahr 2024 zu haben.

Nord-Stream-1-Nachwehen

Unsicherheiten über die russischen Gasflüsse dürften der Hauptgrund für den Preisanstieg sein. Seit Mittwoch fließen nur noch 20 Prozent der früher üblichen Gasmenge über die für Deutschland so wichtige Ostseepipeline Nord Stream 1 nach Europa. Auch treiben strengere Füllstandsvorgaben für deutsche Gasspeicher den Preis nach oben.

Stand Montag betrug der aggregierte Füllstand der deutschen Gasspeicher 66,75 Prozent. Zuletzt wurden 0,41 Prozentpunkte täglich netto eingespeichert. Die Bundesregierung will, dass die Füllstände bis zum 1. Oktober auf 85 und bis zum 1. November auf 95 Prozent steigen.

Debatte um Speicherfüllstände

Bei weiter hohen LNG-Importen sei sehr wahrscheinlich ein Füllstand von mehr als 90 Prozent bis zum 1. November zu erreichen, sagte der Geschäftsführer des Branchenverbandes Initiative Energien Speichern, Sebastian Bleschke, der Deutschen Presse-Agentur.

Sollten die russischen Gaslieferungen weiterhin auf niedrigem Niveau verharren, sei jedoch ein Speicherstand von 95 Prozent bis November kaum ohne zusätzliche Maßnahmen erreichbar, warnt die Bundesnetzagentur.

Strompreise steigen

Exorbitant hohe Gaspreise und vergleichsweise geringe Erträge aus Wind- und Solaranergie machen auch dem Strommarkt zu schaffen. Der Day-Ahead-Strompreis schoss in Deutschland am Mittwoch auf 473 Euro pro MWh.

Noch teurer ist Strom etwa in Frankreich. Hier kostete die Megawattstunde 535 Euro. Hier fällt insbesondere der Ausfall etlicher Kernkraftwerke ins Gewicht. Dadurch verursachte wegfallende Mengen muss Frankreich zu extrem teuren Preisen vorwiegend aus dem Ausland einkaufen – wohl vor allem von flexibel einsetzbaren Gas- und Kohlekraftwerken.

Preishoch am Terminmarkt

Laut der Fraunhofer-Datenplattform Energy-Charts (Stand Mittwoch, 15 Uhr) trugen erneuerbare Energien diese Woche 53 Prozent zum deutschen Strommix bei. Der Erdgasanteil belief sich auf zehn, der der Steinkohle auf neun Prozent.

Enorm teuer ist Strom weiterhin auch an den Terminmärkten. Das Base-Standardprodukt für das Lieferjahr 2023 wurde am Mittwochvormittag sogar kurzfristig für 390 Euro pro MWh gehandelt – ein neuer Rekordwert. Am Nachmittag notierte der Kurs bei 372 Euro pro MWh. Für das Lieferjahr 2024 kostete 1 MWh Strom 218 Euro, für 2025 waren es noch 161 Euro. (aba)