Grüner Wasserstoff: Wo lohnt sich der Einsatz wirklich?

Grüner Wasserstoff ist rar und teuer. Daher will sein Einsatz wohl überlegt sein.
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Von Ariane Mohl
Grüner Wasserstoff gilt als ein entscheidender Baustein der Energiewende. Doch die Produktion ist derzeit teuer, weshalb sein Einsatz strategisch erfolgen muss. Eine aktuelle Studie des Energiewende-Projekts Norddeutsches Reallabor (NRL) vergleicht die Anwendung von Wasserstoff in verschiedenen Sektoren und kommt zu einer klaren Empfehlung: Die Industrie sollte Vorrang haben.
Die Untersuchung zeigt, dass sich grüner Wasserstoff in der Industrie am dringendsten einsetzen lässt. Hier fehlen oft Alternativen zur Defossilisierung, insbesondere bei der Herstellung von Primärstahl, Ammoniak und in der chemischen Industrie. Allerdings ist die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber fossilen Energieträgern problematisch. So müsste der Wasserstoffpreis für eine wirtschaftliche Nutzung in der Ammoniak-Produktion auf rund 3,3 Euro pro Kilogramm netto sinken, während er derzeit noch bei etwa 6,1 Euro pro Kilogramm liegt. Für die Stahlindustrie liegt die Schmerzgrenze sogar bei nur 1,6 Euro pro Kilogramm, was derzeit noch weit von den realen Preisen entfernt ist.
Die Defossilisierung der Industrie wird daher nur mit erheblichen politischen und wirtschaftlichen Anstrengungen möglich sein. Die Autoren der Studie betonen, dass langfristige Investitionen in Forschung und Skalierung erforderlich sind, um die Kosten für grünen Wasserstoff in einem wettbewerbsfähigen Bereich zu senken. Insbesondere der Ausbau erneuerbarer Energien zur Wasserstoffproduktion spielt hierbei eine entscheidende Rolle.
Zum Heizen zu teuer
Anders sieht es im Wärmesektor aus: Dort konkurriert grüner Wasserstoff mit bestehenden, effizienteren Alternativen wie Erdgasheizungen oder Wärmepumpen. Laut der Studie wäre Wasserstoff hier nur dann wirtschaftlich, wenn sein Endkundenpreis bei etwa 4 Euro pro Kilogramm brutto läge. Die derzeitigen Kosten für die Wasserstofferzeugung lassen diesen Wert jedoch in weiter Ferne erscheinen. Hinzu kommt, dass Wärmepumpen oder Fernwärmelösungen in vielen Anwendungsfällen eine bessere und nachhaltigere Alternative darstellen. Eine Ausnahme bilden Spitzenlastabdeckungen in Wärmenetzen, wo Wasserstoff eine ergänzende Rolle spielen könnte. Auch die Nutzung industrieller Abwärme in Kombination mit Wasserstoff bietet laut der Studie vielversprechende Synergieeffekte.
Differenziertes Bild in der Mobilität
Im Verkehrssektor zeigt sich ein differenziertes Bild. Zwar erreicht Wasserstoff ab einem Tankstellenpreis von 9 bis 13 Euro pro Kilogramm bereits eine gewisse Wettbewerbsfähigkeit mit fossilen Kraftstoffen, doch rein elektrische Antriebe sind für Pkw und Lkw in den meisten Anwendungsfällen effizienter und günstiger. Zudem hat sich die Elektromobilität durchgesetzt, sodass Wasserstoff in der breiten straßengebundenen Mobilität nur eine untergeordnete Rolle spielen wird. Anders verhält es sich in der Luft- und Schifffahrt, wo bisher erprobte Alternativen fehlen. Hier könnte Wasserstoff direkt oder indirekt in Form von E-Fuels eine zentrale Rolle in der Dekarbonisierung spielen. Insbesondere in der Luftfahrtbranche gibt es bereits mehrere Pilotprojekte, die sich mit wasserstoffbetriebenen Antrieben befassen.
Strategien zur gezielten Förderung
Die Studienautoren empfehlen daher, gezielte Mechanismen zur Priorisierung einzuführen. Dazu gehören unter anderemKlimaschutzverträge. Diese sollen helfen, die effizientesten Defossilisierungsoptionen für einzelne Sektoren zu identifizieren und gezielt zu unterstützen. Insbesondere die Industrie braucht laut Studie langfristige finanzielle Sicherheiten, um in grünen Wasserstoff investieren zu können.
Ein weiterer Punkt ist die Integration von Wasserstoff in Wärmenetze: Durch Kopplung mit erneuerbaren Energien könnten Synergien geschaffen und die Nutzung optimiert werden. Dies würde insbesondere die Nutzung industrieller Abwärme in Verbindung mit Wasserstoff fördern.
Wichtig seien auch Investitionen in Forschung und Entwicklung: Um die Kosten zu senken, sind neue Technologien zur Effizienzsteigerung notwendig. Neben der Verbesserung der Elektrolyse-Technologien ist auch die Entwicklung besserer Speicher- und Transportmethoden entscheidend.
Zudem empfiehlt die Analyse den Ausbau der CO₂-Bepreisung und des Emissionshandels: Durch eine konsequente Verteuerung fossiler Energieträger soll die Wirtschaftlichkeit von grünen Alternativen verbessert werden. Hier setzen die Autoren auf eine internationale Zusammenarbeit, um Wettbewerbsnachteile für Unternehmen zu vermeiden.
Eric von Düsterlho, einer der Studienleiter, fasst zusammen: "Während es im Verkehrs- und Wärmesektor oft effizientere Alternativen gibt, ist Wasserstoff für bestimmte Industrieprozesse unverzichtbar. Eine gezielte strategische Planung ist daher notwendig."
Die Ergebnisse der Studie liefern damit eine klare Handlungsempfehlung: Der Markthochlauf von grünen Wasserstoff sollte dort beginnen, wo er am dringendsten gebraucht wird und die besten Klimaschutzeffekte erzielt. Es bedarf einer klugen Verzahnung von politischen Anreizen, wirtschaftlichen Investitionen und technologischer Weiterentwicklung, um das Potenzial von grünen Wasserstoff langfristig auszuschöpfen.