Gas

Österreich: Branche fordert langfristige Wasserstoffstrategie

Die Alpenrepublik drohe bei dem Zukunftsthema den Anschluss zu verlieren, sagt Michael Strugl, Präsident von Oesterreichs Energie. Dabei belege eine aktuelle Studie, wie wichtig Wasserstoff für die Versorgungssicherheit sei.
17.06.2021

Michael Strugl sieht für Österreich großes Potenzial im Wasserstoff.

Verliert Österreich beim Thema Wasserstoff den Anschluss? Michael Strugl, den Präsidenten von Oesterreichs Energie, treibt diese Sorge jedenfalls um. Vor wenigen Jahren sei man beim Wasserstoff ein internationaler Vorreiter gewesen – jetzt würde man von anderen überholt, warnt er. „Während wir noch über Basisfragen diskutieren, werden in anderen Ländern bereits Gesetze verabschiedet“, lässt er sich in einer Pressemitteilung zitieren. Österreich habe mit seinem hohen Anteil erneuerbarer Energien beste Voraussetzungen. „Aber wenn wir beim Aufbau einer österreichischen Wasserstoffwirtschaft im Spitzenfeld mitspielen wollen, müssen die Weichen jetzt gestellt werden.“

Im Hinblick auf das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz betont Strugl erneut die Notwendigkeit eines raschen Beschlusses: „Dieses Gesetz ist die Grundlage für den Erneuerbaren-Ausbau in Österreich – jeder Tag, den wir hier verlieren, wird uns am Ende bei der Erreichung unserer Energie- und Klimaziele fehlen.“

Studie: Wasserstoff als Allzweckwaffe

Wasserstoff kann laut einer von Oesterreichs Energie in Auftrag gegebenen Studie von Frontier Economics künftig vor allem bei der Versorgungssicherheit, bei der saisonalen Verlagerung und bei der Bereitstellung von Flexibilität eine Rolle spielen.

Auch in der Industrie gebe es Prozesse, die sich nicht – oder nur mit sehr großem Aufwand – elektrifizieren lassen. Hier könnte grüner Wasserstoff laut der Analyse künftig eine wichtige Funktion übernehmen. Das gleiche gelte für das Transportwesen: Im Schwerverkehr, in der Schifffahrt und im Luftverkehr seien E-Fuels und grünes Gas derzeit die einzigen verfügbaren klimaneutralen Alternativen zu erdölbasierten Treibstoffen.

Wichtig für die Versorgungssicherheit

„In den klassischen Wasserstoff-Szenarien fällt der E-Wirtschaft oft nur eine Rolle als Lieferant zu: Sie ist die Blackbox, die künftig die dafür benötigten Energiemengen zu liefern hat – und diese werden beträchtlich sein“, erklärt Strugl. Diese Betrachtung greife jedoch zu kurz, denn die Branche werde künftig nicht nur als Energielieferant auftreten – sondern habe im Hinblick auf Versorgungssicherheit, Flexibilität und die saisonale Verlagerung von Energie auch eigene Einsatzbereiche. „KWK-Anlagen und Gasturbinen sind für die Aufrechterhaltung unserer Versorgungssicherheit essentiell. Auch bei der Dekarbonisierung dieser thermischen Kapazitäten gibt es keine echten Alternativen zum Wasserstoff“, so Strugl.

Der Ausbau der erneuerbaren Erzeugungsanlagen stelle die Energiewirtschaft aber vor enorme Herausforderungen: Durch den flächendeckenden Ausbau von PV- und Windkraft-Anlagen werde das Stromsystem künftig starken Schwankungen ausgesetzt sein, heißt es dazu in der Mitteilung. Durch die Umwandlung von sommerlichem Überschussstrom in Wasserstoff können vorhandene Ressourcen bei erneuerbaren Energien über das Jahr hinweg effizient genutzt werden.

Wichtige Rolle der Eletktrolyseure

Elektrolyseure seien in der Lage – je nach Betriebsart – durch die Erbringung von Regelleistung einen wichtigen Beitrag zur kurzfristigen Systemstabilität zu leisten. „Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Elektrolyseure marktnah und systemdienlich betrieben werden – also dann produzieren, wenn ihre Stromnachfrage gut erfüllt werden kann und vom Netz gehen, wenn es knapper wird“, erklärt Strugl. Gleichermaßen könnten sich Elektrolyseure auch gezielt in Perioden mit Erzeugungsüberschüssen zuschalten und Druck von den Stromnetzen nehmen.

In der Markthochlaufphase gehe es darum, den Hochlauf der „grünen“ Wasserstoffwirtschaft im Heimatmarkt durch gezielte Maßnahmen zu unterstützen. Dies könne etwa durch Ausnahmen bei Steuern und Abgaben, Netzentgelte oder weniger strenge Definitionen für „grünen“ Wasserstoff erfolgen. „Dafür müssen die Weichen jetzt richtig gestellt werden“, so Strugl. (amo)