Gas

Studie: Energieintensive Unternehmen sind auf Wasserstoff angewiesen

Prozesswärme im industriellen Mittelstand: Eine von der Initiative Klimahafen Gelsenkirchen in Auftrag gegebene Analyse zeigt, dass die einseitige Ausrichtung auf Wärmepumpen der falsche Weg ist.
13.12.2022

Der Mittelstand braucht Wasserstoff zur Dekarbonisierung.

Auf welche klimafreundlichen Technologien sollten Unternehmen mit hohen Prozesswärmebedarfen am Standort Deutschland zukünftig setzen? Antworten dazu liefert eine von der Initiative Klimahafen Gelsenkirchen präsentierte, von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderte Kurzstudie. Ihre Kernergebnisse: Der optimale Pfad zur Klimaneutralität kann nicht Top-Down durch Zuordnung zu Branchen oder Temperaturniveaus festgelegt werden. Vielmehr muss der Komplexität und Vielfalt der Prozesse zur Wärmeerzeugung Rechnung getragen werden.

Neben der Elektrifizierung mit grünem Strom erweist sich die Umstellung auf grünen Wasserstoff in vielen Fällen als valide Option. Aus Sicht der Initiative ist deshalb neben dem Ausbau der Stromnetze mit gleicher Priorität der Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur erforderlich, die nicht nur die Großindustrie versorgt, sondern gleichzeitig eine frühe Anbindung mittelständisch geprägter Prozesswärmecluster ermöglicht.

Politik muss Wasserstoff stärker in den Blick nehmen

Lars Baumgürtel, Sprecher der Initiative Klimahafen Gelsenkirchen und Geschäftsführender Gesellschafter der ZINQ Gruppe, fasst die Ergebnisse so zusammen: „Bislang galt die Elektrifizierung der Prozesswärme als bevorzugter Weg. Die Studie bricht diese Ausrichtung klar auf und zeigt, dass Wasserstoff eine ebenso berechtigte Alternative ist. Für die Energiewende in Deutschland macht daher für viele Betriebe die parallele Entwicklung redundanter, hybrider Systeme Sinn.“ Baumgürtel fordert die Bundesregierung auf, die infrastrukturelle Förderung nicht nur auf Strom, sondern stärker auch auf den Markthochlauf für grünen Wasserstoff auszurichten. So könne gerade im für die Energiewende so wichtigen Mittelstand die unternehmerische Entscheidung für den optimalen Weg zur Dekarbonisierung gewährleistet werden.

Die Studie „Dekarbonisierung der Prozesswärme im Klimahafen Gelsenkirchen“ wurde von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt gefördert, vom Wissenschaftspark Gelsenkirchen koordiniert und von Forschern und Forscherinnen des Wuppertal Instituts und des Fraunhofer UMSICHT durchgeführt. Als eine der ersten „Bottom-up-Studien“ analysiert sie Dekarbonisierungspfade auf einzelbetrieblicher Ebene in insgesamt sechs Unternehmen und fasst diese für den Wärmecluster im Klimahafen zusammen.

Transformationspfade entwickelt

Die Studie erhob dabei die Ist-Situation der Prozesswärme-Erzeugung in den einzelnen Unternehmen und entwickelte daraus Transformationspfade, die jeweils eine maximale Umstellung auf strombasierte Technologien, wasserstoffbasierte Technologien und einen individuellen Mix aus beiden vorsehen. Dabei wurden technische und ökonomische Eignung der Alternativen und der entsprechenden Umrüstungen berücksichtigt und mit Blick auf zukünftige Energiepreisentwicklungen und Versorgungsoptionen bewertet.

Neben Hinweisen für weitere Effizienzmaßnahmen durch Abwärmenutzung und Wärmeverbünde am Standort zeigt die Studie, dass die Umsetzung der aufgezeigten Transformationspfade letztlich vor allem von Verfügbarkeit, Infrastruktur und Kosten der jeweiligen Energieträger am Standort abhängig ist und dass im Klimahafen sowohl die Anbindung an eine leitungsgebundene Versorgung mit grünem Wasserstoff als auch der Netzausbau für strombasierte Wärmeerzeugung (Wärmepumpen etc.) für die Dekarbonisierung technisch erforderlich und wirtschaftlich sinnvoll sind. Ein synergetisches Zusammenspiel von strom- und wasserstoffbasierten Versorgungsoptionen zur Erzeugung industrieller Wärme legt daher die Basis für die unternehmerische Entscheidung des individuellen Transformationspfades zur Klimaneutralität.

IHK: Regionale Netze ausbauen

Unterstützung erhält die Initiative auch aus der Region. Fritz Jaeckel, Hauptgeschäftsführer der IHK Nord Westfalen sieht nun die Politik am Zug: „Der potenzielle Einsatz von grünem Wasserstoff erfordert den Auf- und Ausbau einer leistungsstarken Transport- und Verteilinfrastruktur“, betont Jaeckel. Dabei dürfe der Fokus nicht allein auf die überregionalen Netze gelegt werden. Um die mittelständische Wirtschaft auf dem Weg zu einem schnellen Umstieg auf grünen Wasserstoff zu unterstützen, müsse der Ausbau regionaler Transport- und Verteilinfrastruktur direkt parallel zum Ausbau der überregionalen Netze laufen. „Ein frühzeitiger Zugang zu grünem Wasserstoff für den energieintensiven Mittelstand stellt eine wichtige Voraussetzung dar, um die Wettbewerbsfähigkeit vieler Betriebe in unserer Region zu erhalten sowie die angestrebten Klimaziele zu erreichen“, so Jaeckel. (amo)