Studie: So kann die Politik den Wasserstoffhochlauf beschleunigen

Wasserstoff boomt - doch Deutschland droht den Anschluss zu verlieren.
Die Erreichung der Klimaneutralität bis 2050 erfordert weltweit die Entwicklung eines Handelsvolumens für grünen Wasserstoff von fast 600 Millionen Tonnen bis 2050. Der Markt für grünen Wasserstoff wächst entsprechend auf 1,4 Billionen Dollar Umsatz im Jahr 2050. Dadurch könnten bis 2050 weltweit bis zu 2 Millionen Arbeitsplätze neu entstehen. Das geht aus der aktuellen Studie „Green hydrogen: Energizing the path to net zero. Deloitte’s 2023 global green hydrogen outlook” des Deloitte Center for Sustainable Progress hervor.
Der weltweite Wasserstoffhandel wird demnach bis 2050 jährliche Exporteinnahmen von mehr als 280 Milliarden Dollar generieren, wobei Nordafrika aufgrund seines hohen Exportpotenzials voraussichtlich am meisten profitieren wird (110 Milliarden Dollar pro Jahr).
Entwicklungsländer profitieren
„Diese Analyse eröffnet privaten und öffentlichen Entscheidungsträgern hervorragende Möglichkeiten, die Energiewende zu beschleunigen", lässt sich Joe Ucuzoglu, Deloitte Global CEO, zitieren. „Während Wind, Sonne und andere traditionelle Formen erneuerbarer Energien für eine Netto-Null-Zukunft unverzichtbar sind, zeigt die Studie von Deloitte, wie grüner Wasserstoff dazu beitragen kann, die Dekarbonisierung einiger der emissionsintensivsten Sektoren der Welt in Angriff zu nehmen, um die Auswirkungen des Klimawandels zu verringern und gleichzeitig das Wirtschaftswachstum insbesondere in Entwicklungsländern zu fördern."
Grüner Wasserstoff wird laut der Studie den Versorgungsmix dominieren und bis 2050 mit über 500 Millionen Tonnen einen Marktanteil von 85 Prozent erreichen. Gleichzeitig müssen bis 2050 rund 9,4 Billionen Dollar in die Wasserstoffversorgungskette investiert werden, davon 3,1 Billionen Dollar in den Entwicklungsländern. Im Durchschnitt sind das rund 375 Milliarden Dollar pro Jahr. Dieser Betrag liegt damit deutlich unter den jährlichen weltweiten Ausgaben für Öl- und Gasförderung, die sich im Jahr 2022 auf rund 417 Milliarden Dollar beliefen.
Große Nachfrage im Verkehr
Nach den Berechnungen der Deloitte-Experten wird 42 Prozent der gesamten Nachfrage nach grünem Wasserstoff bis 2050 auf die Industrie entfallen, 36 Prozent auf den Verkehr. Insgesamt können durch grünen Wasserstoff bis 2050 kumulativ bis zu 85 Gigatonnen CO2 eingespart werden.
Bernhard Lorentz, globaler Leiter der Nachhaltigkeitsberatung bei Deloitte: „Grüner Wasserstoff ist der wichtigste Baustein, wenn wir unser Ziel der Klimaneutralität bis 2050 erreichen wollen. Der Aufbau eines globalen Marktes für diesen sauberen Energieträger bietet gleichzeitig neue wirtschaftliche Chancen für heutige Schwellen- und Entwicklungsländer. Der internationale Handel von gasförmigem Wasserstoff macht allerdings nur dort Sinn, wo Pipelineverbindungen wirtschaftlich und geopolitisch machbar sind. Aus deutscher Perspektive ist hier Norwegen von zentraler Bedeutung. Für Europa insgesamt betrifft dies im Wesentlichen Pipelineanbindungen nach Nordafrika.“
Wasserstoff aus Afrika
Bis 2050 werden auf vier Regionen insgesamt 46 Prozent der weltweiten Wasserstoffproduktion und 90 Prozent des Handels entfallen: Nordafrika (44 Mio. t) und Australien (16 Mio. t) sowie Nordamerika (24 Mio. t) und der Nahe Osten (13 Mio. t). Die wichtigsten Importzentren sind dann Europa, Japan, Korea und Indien, die mehr als 80 Prozent des Welthandels auf sich vereinen.
Johannes Trüby, Partner Deloitte und Co-Autor der Studie, betont, dass Wasserstoffimporte die Versorgungssicherheit verbessern und die Abhängigkeit von Erdgasimporten verringern können. „Voraussetzung ist aber, dass Deutschland von Anfang an den Markt mitgestaltet, Produktionskapazität im Globalen Süden – wo grüner Wasserstoff kostengünstig hergestellt werden kann – mitaufbaut und die Diversität der Anbieter fördert.“
Zum Vergleich: 2021 haben die drei größten außereuropäischen Erdgaslieferanten gemeinsam mehr als die Hälfte des in Europa benötigten Erdgas geliefert. In einem diversifizierten Wasserstoffmarkt hätten die drei größten nicht-europäischen Produzenten 2050 gemeinsam lediglich einen Marktanteil von rund einem Viertel.
Das muss die Politik tun
Die Autoren der Studie empfehlen der Politik, sich auf drei Komponenten zu konzentrieren.
- Schaffung der Marktgrundlage:
Ausarbeitung nationaler und regionaler Strategien, um dem Markt Glaubwürdigkeit zu verleihen, Entwicklung eines robusten und gemeinsamen Zertifizierungsverfahrens für sauberen Wasserstoff, um Transparenz zu gewährleisten, und internationale Koordinierung, um politische Konflikte zu mildern und gleiche Wettbewerbsbedingungen zu fördern. - Ansporn zum Handeln:
Klare Zielvorgaben und Märkte für Produkte auf der Grundlage von sauberem Wasserstoff schaffen und gezielte Instrumente wie steuerliche Anreize und Subventionen anbieten, um die Kostenunterschiede zwischen sauberen und fossilen Technologien zu verringern und den Unternehmen zu helfen, sauberen Wasserstoff in ihre Wertschöpfungsketten zu integrieren. - Langfristige Widerstandsfähigkeit sicherstellen:
Diversifizierung der Wertschöpfungsketten von Handelspartnern bis hin zu Rohstofflieferanten, um Engpässe während des Übergangs zu sauberem Wasserstoff zu vermeiden, wobei der Schwerpunkt auf der Verbesserung der Infrastruktur liegt, um sauberen Wasserstoff effektiver zu transportieren (Pipelines und Seewege) und zu speichern (strategische Reserven). (amo)