Strom

PV-Ausbau im Schwabenland: Netzbetreiber muss auf die Bremse treten

Der Netzbetreiber Fairnetz genehmigt in Teilen seines Netzgebietes nur noch neue Photovoltaik-Anlagen, die nicht einspeisen. Für neue Ortsnetzstationen fehlen offenbar die passenden Flächen.
19.08.2025

Wer in der Region Reutlingen (Baden-Württemberg) eine Photovoltaik-Anlage installieren möchte, muss sich auf Wartezeiten einstellen. (Symbolbild)

Hinweis: In einer ersten Version dieses Textes hieß es, dass Fairnetz im gesamten Netz keine Photovoltaik-Anlagen neu genehmigt. Dies gilt aber nur für einige Teile des Netzgebietes. Wir haben dies korrigiert.

Von Julian Korb

Der Verteilnetzbetreiber Fairnetz will in Teilen seines Netzgebietes keine neuen Photovoltaik-Anlagen mehr genehmigen, sofern diese Strom ins Netz einspeisen möchten. Grund für die drastische Maßnahme: Immer mehr Solarstrom belastet das Netz in der Region Reutlingen (Baden-Württemberg). "Unser Netz wurde bekanntermaßen für eine zentrale Stromversorgung durch Großkraftwerke konzipiert und nicht für zehntausend Erzeugerinnen und Erzeuger, die zur gleichen Zeit Strom einspeisen möchten", erklärt Geschäftsführer Thorsten Jansing in einer Mitteilung des Strom- und Gasnetzbetreibers, der zur Stadtwerke Reutlingen Gruppe gehört.

So übersteige die installierte Einspeiseleistung bei der Photovoltaik inzwischen sogar die Spitzenlast im Netzgebiet. Das heißt: Rein rechnerisch produzierten die Solaranlagen mehr Strom, als gleichzeitig verbraucht werden könne. Der Wandel des Stromnetzes zu einem dezentralen Erzeugungsnetz gehe schneller voran, als dies in bisherigen Prognosen vorhersehbar war, heißt es von Fairnetz.

Nulleinspeisung als Lösung

An besonders sonnenreichen Tagen mit gleichzeitig geringem Verbrauch entstünden demnach immer mehr Solarspitzen. Dann erzeugen Solaranlagen zeitweise mehr Strom, als das Netz aufnehmen oder sinnvoll weiterleiten kann. Dieses Ungleichgewicht tritt nicht nur lokal, sondern auch bundesweit auf, etwa an Feiertagen wie Ostersonntag oder an Pfingsten.

"Solche Extremwerte zeigen, wie notwendig es ist, Netzkapazitäten deutlich schneller auszubauen – und gleichzeitig flexible Lösungen wie Stromspeicher, Verbrauchsmanagement und notfalls auch temporäre Einspeisebegrenzungen zu ermöglichen", erklärt Mona Keller, Leiterin Netzentwicklung, bei Fairnetz. Die Entwicklung habe zur Folge, dass in einzelnen Gebieten derzeit keine neue Einspeisung mehr möglich sei, ohne die Netzstabilität zu gefährden.

Um dennoch Investitionen in PV-Anlagen nicht auszubremsen, setzt der Netzbetreiber auf eine Übergangslösung: die sogenannte Nulleinspeisung. "Wir ermöglichen unseren Kundinnen und Kunden den Bau und Betrieb ihrer Anlage für den Eigenverbrauch, auch wenn derzeit noch keine Einspeisung ins öffentliche Netz genehmigt werden kann", so Keller weiter. Sobald die nötigen Netzausbaumaßnahmen abgeschlossen seien, werde die Einspeisegenehmigung nachträglich erteilt.

Schlechte Bedingungen für Netzausbau

Dass die Grenzen des Netzes erreicht sind, führt der Verteilnetzbetreiber auch auf strukturelle und finanzielle Rahmenbedingungen zurück, die den Netzausbau verlangsamen: Dazu gehörten aufwändige Planungs- und Genehmigungsverfahren, knappe Ressourcen an Fachkräften und Material sowie eine bislang ungenügende Finanzierungsperspektive für Verteilnetze.

"Wir sprechen hier nicht von kleinen Maßnahmen – wir tauschen Transformatoren, errichten neue Ortsnetzstationen und verlegen kilometerweit neue Leitungen", betont Keller.

Insbesondere bei der Suche nach geeigneten neuen Stellplätzen für Ortsnetzstationen stünden Verteilnetzbetreiber aufgrund von begrenzten kommunal verfügbaren Flächen vor Herausforderungen. Der Netzbetreiber aus der Region Reutlingen hofft daher auf die Unterstützung von Bürgern und Unternehmen im Netzgebiet und sucht öffentlich nach geeigneten Flächen.

Wer eine Photovoltaik-Anlage installiert möchte, kann zudem eine digitale Netzanschlussprüfung durchführen. Nach einem ersten Check kann dann eine verbindliche Anfrage gestellt werden. Darüber hinaus arbeitet Fairnetz daran, das Netz weiter auszubauen.

"Wir setzen alles daran, den Netzausbau in der Region weiter voranzutreiben. Das gelingt nicht über Nacht, aber mit Transparenz, Priorisierung und einem klaren Plan", so Geschäftsführer Jansing. Bereits heute würden besonders betroffene Gebiete priorisiert behandelt – mit dem Ziel, die Einspeisung möglichst bald freigeben zu können.