Strom

Strommarkt: Agora Energiewende plädiert für regionale Preissignale

Eine neue Studie des Thinktanks plädiert für eine Reform der Netzentgelte. Geografische Preissignale im Stromsystem sollen die Erneuerbaren-Integration bei gleichbleibender Systemstabilität vorantreiben.
23.06.2022

Das Stromnetz muss ausgebaut werden, aber für die Vollintegration von Erneuerbaren reicht das nicht. Es braucht mehr Flexilbität und eine Reform der Netzentgelte.

Die Energiewende-Ziele im Oster- und Sommerpaket sind ambitioniert und müssen jetzt in die Praxis umgesetzt werden. Hierfür hat Agora Energiewende gemeinsam mit Prognos und Consentec den Stromsektor analysiert und erarbeitet, welche Weichen hier gestellt werden müssen, um erst 80 und später 100 Prozent Erneuerbare zu erreichen.

Neben dem Ausbau der Infrastruktur sind verlässliche Investitionsbedingungen für den Zubau von Windkraft- und Solaranlagen sowie ein Geschäftsmodell für regelbare Kraftwerke entscheidend, die in einem klimaneutralen Stromsystem als Ausgleich für fehlenden Wind und Sonnenstrom zum Einsatz kommen. Für Erneuerbare Energien schlägt die Agora-Studie „Klimaneutrales Stromsystem 2035 – Wie der deutsche Stromsektor bis zum Jahr 20235 klimaneutral werden kann“ etwa die Absicherung von langfristigen Stromlieferverträgen vor und die Einführung einer symmetrischen Marktprämie, die Anlagenbetreibern eine feste Einspeisevergütung garantiert, aber ab einem bestimmten Gewinn auch Rückzahlungen erfordert.

Netzentgeltereform ist nötig

Zusätzlich müssen laut Agora auch die Voraussetzungen für flexiblen Stromverbrauch geschaffen werden. Hierfür müssten beispielsweise Preissignale den Betrieb oder das Laden von Elektrofahrzeugen, Wärmepumpen, Elektrodenkesseln, Elektrolyseuren oder Batteriespeichern in den Stunden attraktiv machen, in denen viel erneuerbarer Strom vorhanden ist.

Bisher werden flexible Strommengen durch hohe Netzentgelte bestraft. „Die längst überfällige Reform der Netzentgelte ist die entscheidende Stellschraube, um bei neuen Verbrauchern und in der Industrie einen flexiblen Betrieb anzureizen“, sagt Agora Deutschlandchef Simon Müller. „Es braucht eine schnelle Lösung noch diesen Herbst, damit wir für neue Elektroautos und Wärmepumpen gleich die Flexibilitäten fördern, die hohe Anteile Erneuerbarer Energien absichern.“

15.000 Stromkreiskilometer bis 2035

Die Agora Studie weist einen nötigen Netzaus- und Umbau von zusätzlichen 15.000 Stromkreiskilometern im Jahr 2035 für ein klimaneutrales Stromsystem aus (ein Plus von 40 Prozent). Für einen effizienten Netzbetrieb müssten außerdem der Ort von Erzeugung und Verbrauch von Strom stärker berücksichtigt werden.

Das könnte durch die Einführung von regional unterschiedlichen Preisen geschehen, die ebenfalls Teil einer Netzentgelte-Reform sein könnte, um die Verfügbarkeit von grünem Strom im lokalen Netz widerzuspiegeln. Daher ist es empfehlenswert, die Optionen für die Einführung solcher geografischen Signale zu untersuchen.

Integrierte Systemplanung von Stromnetzen und Wasserstoffinfrastruktur

Zentral ist zudem die Ausarbeitung und Implementierung eines Maßnahmenpakets für einen sicheren Systembetrieb bei 100 Prozent erneuerbaren Energien, das Technologien für Systemdienstleistungen und den effizienten Umgang mit Netzengpässen fördert. Eine integrierte Systemplanung von Stromnetzen und Wasserstoffinfrastruktur statt der aktuell überwiegend getrennten Planung kann zudem dafür sorgen, dass sich der Infrastrukturausbau sinnvoll und kostensparend ergänzt. (lm)