Strom

Zahl der Stromsperren im Corona-Jahr 2020 stark gesunken

Wer seine Strom- oder Gasrechnung nicht bezahlt und auf Mahnungen nicht reagiert, dem kann der Versorger den Anschluss sperren. Im Corona-Jahr 2020 haben die Lieferanten weniger oft zu diesem drastischen Mittel gegriffen. Das hat verschiedene Ursachen.
16.09.2021

Die Zahl der Sperren ist bereits in den Jahren vor Corona gesunken. Im Jahr 2014 hatte es noch fast 352.000 Verbraucher getroffen, 2019 waren es 289.000.

Die Energieversorger haben im vergangenen Jahr rund 230.000 Verbrauchern in Deutschland wegen unbezahlter Rechnungen den Strom abgestellt. Das sind fast 20 Prozent weniger Stromsperren als 2019, wie aus Zahlen für den neuen Monitoringbericht von Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt hervorgeht, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegen. Die Gaszufuhr wurde 24.000 Haushalten gesperrt, das waren gut 22 Prozent weniger als im Vorjahr.

Der stärkste Rückgang seit Jahren ist unter anderem eine Folge der Corona-Pandemie. Durch Corona in finanzielle Nöte geratene Bürger hatten im ersten Halbjahr 2020 ein sogenanntes Leistungsverweigerungsrecht. Ihnen mussten Zahlungen für Strom und andere Leistungen der Daseinsvorsorge gestundet werden.

Lieferanten verzichteten freiwillig

Außerdem hätten mehr als 70 Prozent der im Monitoring befragten Lieferanten angegeben, 2020 zumindest zeitweise freiwillig auf Sperrungen ihrer Kunden verzichtet zu haben, heißt es in dem Berichtsentwurf. Einige Versorger hätten auch ihre Kriterien für eine Sperrung im Sinne der Kunden erweitert.

Verbraucherschützer haben wiederholt höhere Schwellenwerte für eine Stromsperre gefordert. Derzeit darf ein Grundversorger ab einem Zahlungsverzug von mindestens 100 Euro den Strom sperren. Das geht aber nicht sofort. Der säumige Kunde muss eine Mahnung und eine sogenannte Sperrandrohung erhalten. Im vergangenen Jahr haben rund 4,2 Mio. Stromkunden eine solche Androhung bekommen.

"Verdienst der Stromversorger"

Sven Lehmann, Sprecher für Sozialpolitik von Bündnis90/Die Grünen, sagt zu den Zahlen: "Es ist gut, dass die Zahl der Stromsperren im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen ist. Das ist aber kein Verdienst der Bundesregierung, sondern der Stromversorger, die zeitweise freiwillig aufgrund der Corona-Situation auf neue Sperrungen verzichtet haben."

Dennoch sei es gravierend, dass immer noch 230.000 Stromsperren verhängt wurden. "Das sind 230.000 betroffene Haushalte im Corona-Jahr 2020, in dem wir so viel Zeit zu Hause verbracht haben wie nie zuvor. Die sozialen Härten einer Stromsperre wiegen in der Corona-Krisensituation noch schwerer", so Lehmann. Die Stromversorgung müsse unter allen Umständen gewährleistet sein. "Ohne Strom war gerade im Corona-Jahr keine soziale Teilhabe möglich. Das ist ein Armutszeugnis für ein reiches Land wie Deutschland."

Bereits vor Corona gesunken

Eine Unterbrechung der Strom- oder Gaszufuhr darf frühestens vier Wochen nach solch einer Drohung erfolgen – wer in der Zwischenzeit zahlt, sitzt auch nicht im Dunkeln oder Kalten. Das Datum der Sperrung wiederum muss dem Kunden drei Werktage davor mitgeteilt werden. Die 230.000 Sperrungen entsprechen laut Bundesnetzagentur rund 0,4 Prozent aller Stromanschlüsse. Bei Lieferverträgen außerhalb der Grundversorgung gelten andere Regelungen.

Die Zahl der Sperren ist bereits in den Jahren vor Corona gesunken. Im Jahr 2014 hatte es noch fast 352.000 Verbraucher getroffen, 2019 waren es 289 000. Beim Gas war die Zahl der Sperren von rund 46.500 im Jahr 2014 auf knapp 31.000 im Jahr 2019 gesunken. Den Monitoringbericht 2021 wollen die Behörden Anfang Dezember veröffentlichen.  (dpa/gun)