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Das Normalarbeitsverhältnis ist robuster als erwartet

Leiharbeit und freie Mitarbeit bewegen sich auf stabil niedrigem Niveau – befristete Arbeitsverträge verlieren zuletzt an Bedeutung. Lediglich Teilzeitbeschäftigung liegt im Trend.
04.01.2024

Bei den Arbeitsverträgen dominiert nach wie vor die unbefristete Variante.

Seit den 1980er Jahren wird befürchtet, dass das Normalarbeitsverhältnis in Deutschland an Bedeutung verliert. Wie ist die Entwicklung atypischer Erwerbsformen auf dem Arbeitsmarkt tatsächlich verlaufen und wie verbreitet sind sie heute? Mit dieser Frage beschäftigte sich Wissenschaftler Christian Hohendanner in einem aktuellen Forschungsbericht des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB).

Zur atypischen Beschäftigung werden üblicherweise sozialversicherungspflichtige und geringfügige Teilzeitbeschäftigungen, befristete Arbeitsverhältnisse, Leiharbeit und freie Honorartätigkeiten von Soloselbständigen gezählt. Häufig finden sich hier: niedrigere Löhne, kürzere Dauer und aufgrund geringerer und kürzerer Beitragszahlungen in die Sozialversicherungssysteme eine schlechtere soziale Schutzwirkung.

Entwicklung eines Arbeitnehmermarktes

Bei den Erwerbsformen zeige sich – angesichts einer Gesellschaft im Krisenmodus – eine erstaunliche Stabilität, so Hohendanner. Die Entwicklung des Arbeitsmarktes zum „Arbeitnehmermarkt“ scheint dazu zu führen, dass unfreiwillig atypische Erwerbsformen relativ an Boden verlieren bzw. stagnieren. Leiharbeit und freie Mitarbeit bewegen sich auf einem stabilen, aber niedrigen Niveau von etwa zwei Prozent der Beschäftigten. Befristete Beschäftigungsverhältnisse liegen der Studie zufolge seit Jahren unter zehn Prozent und haben seit 2019 an Bedeutung verloren. Aktuell basieren demnach 6,5 Prozent der Arbeitsverhältnisse in den Betrieben auf befristeten Verträgen (ohne Auszubildende). Hervorgehoben wird jedoch ein Bedeutungszuwachs der sozialversicherungspflichtigen Teilzeitarbeit.

„Insgesamt wird jedenfalls deutlich, dass von einer kontinuierlichen „Erosion“ oder „Krise“ des Normalarbeitsverhältnisses nicht die Rede sein kann, wenngleich es relativ an Bedeutung verloren hat. Die Hauptursache hierfür scheint weniger daran zu liegen, dass atypische normale Beschäftigungsverhältnisse verdrängt haben, sondern an den signifikanten Bedeutungszuwächsen der Teilzeitarbeit“, heißt es in dem Bericht.

Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit

Die Studie macht aber auch deutlich: Strukturumbrüche und Krisen werden wahrscheinlicher, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen unberechenbarer und volatiler. Die Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes zur Bewältigung dieser Umbrüche muss sichergestellt werden.

Hohendanner formuliert drei Ziele: Erstens die Erhöhung des Arbeitsvolumens von unfreiwillig Teilzeit- und geringfügig Beschäftigten, zweitens die Stärkung innerbetrieblicher Flexibilität und Weiterbildung sowie drittens die Schaffung adäquater Schutzmechanismen und Rahmenbedingungen für bislang weniger abgesicherte Erwerbsformen.

So gilt es, Arbeitskräftepotenziale insbesondere bei Teilzeitbeschäftigten und geringfügig Beschäftigten zu erschließen. Voraussetzung hierfür ist die Verbesserung der betrieblichen und institutionellen Rahmenbedingungen (Ausbau der Kinderbetreuung) zur Entlastung von Betreuungsaufgaben und zur Ermöglichung einer freiwilligen Ausweitung der Arbeitszeit.

Auf die Transformation vorbereitet sein

Gerade in größeren Unternehmen müssten organisatorische Rahmenbedingungen geschafft werden, die auf die Stärkung der internen Flexibilität der Betriebe und Beschäftigten abzielen. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht, so Hohendanner, spiele gerade die Investition in Bildung eine zentrale Rolle. Um die Transformationsprozesse im Kontext der Digitalisierung, des Klimawandels sowie der Alterung der Gesellschaft bewältigen zu können. Auch die systematische Einführung von Job-Rotation-Modellen könnte dazu beitragen, die Anpassungsfähigkeit der Beschäftigten zu erhöhen.

Der Bericht zeigt auch, dass es ohne atypische Beschäftigungsmodelle in Zukunft nicht gehen wird. Die Gemengelage aus Pandemie, Ukrainekrieg, Energiekrise und strukturellem technologischen Wandel haben deutlich gemacht, dass Beschäftigte bei der Fülle an dynamischen Veränderungen und Transformationen soziale Sicherheit brauchen. Dazu ist es notwendig, auch für bisher weniger abgesicherte Erwerbsformen adäquate Schutzmechanismen und Rahmenbedingungen zu schaffen. (bs)