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Energiewende im Sturm: Wie Versorger den Personalmangel meistern

Die Ressourcen sinken, die Herausforderungen nehmen zu. Dafür gibt es Lösungen, die die Produktivität der Mitarbeiter steigern, ohne sie zu überlasten. Wie diese aussehen, erläutern Michael Homann, Chef der Stadtwerke Karlsruhe, sowie Christof Spangenberg, Geschäftsführer, und Michael Kandel, Partner bei der M3 Management Consulting.
17.02.2025

Michael Homann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Stadtwerke Karlsruhe

Energieunternehmen stehen vor gewaltigen Herausforderungen: Die Anforderungen der Energiewende wachsen, während gleichzeitig die personellen Ressourcen aufgrund des demografischen Wandels schrumpfen. Im Interview verdeutlicht Michael Homann, Chef der Stadtwerke Karlsruhe, welche Dimensionen die Transformation annimmt – allein für die Wärmewende werden hier 750 Millionen Euro investiert.

Um diesen "perfekten Sturm" zu meistern, setzen die Experten von M3 Management Consulting auf einen integrierten Transformationsansatz. Dieser verbindet energiewirtschaftliche Expertise mit Change-Management und technologischem Know-how. Zentral ist dabei die parallele Entwicklung von Prozessen, Organisation und technischen Systemen – anders als früher, wo diese Aspekte oft getrennt voneinander betrachtet wurden.

Die Bundesregierung hat ambitionierte Ziele für den Umbau des Energiesektors ausgegeben – was bedeutet das für die Unternehmen der Energiewirtschaft?

Michael Homann: Die Umsetzung der klimapolitischen Ziele der Bundesregierung ist eine äußerst anspruchsvolle Aufgabe, bei der den Stadtwerken als Motor und Partner der Energiewende vor Ort eine Schlüsselrolle zukommt. Nehmen wir das Beispiel Wärmewende: Die Stadtwerke Karlsruhe investieren rund 750 Millionen Euro in den Ausbau von Netzinfrastruktur und Erzeugungskapazitäten, um die lokale Wärmewende voranzutreiben und eine nachhaltige, sichere und bezahlbare Energieversorgung in der Region zu gewährleisten.

Das ist ein massiver Anstieg der Investitionen. Gleichzeitig werden die Genehmigungsverfahren komplexer. Die daraus resultierenden Anforderungen stellen viele Unternehmen vor große Herausforderungen – finanziell, planerisch und personell.

Christof Spangenberg: Hinzu kommt, dass Energieunternehmen aufgrund des demografischen Wandels und der angespannten Fachkräftesituation ihre Teams oft nicht im gleichen Maße skalieren können, wie die Aufgaben zunehmen. Somit treffen rasant wachsende Transformationsanforderungen auf schrumpfende Ressourcen. Mit anderen Worten: ein perfekter Sturm. 

  • Christof Spangenberg, Geschäftsführer der M3 Management Consulting

Was können Energieunternehmen tun, um diesen gestiegenen Anforderungen wirksam zu begegnen?

Homann: Wir müssen akzeptieren, dass die Anforderungen in den kommenden Jahren immer komplexer werden, und sich die Fachkräfte-Situation in absehbarer Zeit nicht entspannen wird. Deshalb müssen wir überall dort, wo wir in den kommenden Jahren größere Investitionsbedarfe erwarten – etwa im Bereich der Wärmewende oder beim Ausbau der Stromnetzinfrastruktur – damit beginnen, die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, um die Produktivität und Leistungsfähigkeit zu steigern, ohne einzelne Mitarbeiter, Teams oder die Organisation als Ganzes zu überlasten – und das am besten sehr schnell.

Wie kann das konkret aussehen?

Michael Kandel: Die Anpassung der Organisation an zukünftige Anforderungen erfordert eine ganzheitliche Perspektive, die verschiedene Dimensionen der Veränderung berücksichtigt: Dies reicht von der Neuausrichtung des Business Case und der zugrundeliegenden Prozesse über die Arbeit an Organisation, Kultur und Zusammenarbeitsmodellen bis hin zu den unterstützenden technischen Systemen.

In der Vergangenheit wurden diese Transformationsschritte oft seriell und losgelöst voneinander bearbeitet, indem beispielsweise Prozesse neu strukturiert wurden, ohne deren Abbildung in den Systemen zu berücksichtigen. Auf dem Weg dorthin ging meist viel Zeit und Vertrauen der betroffenen Mitarbeiter verloren, die in der Regel nicht ausreichend in den Veränderungsprozess einbezogen wurden. Ein solches Vorgehen funktioniert heute angesichts der gestiegenen Anforderungen an Geschwindigkeit und Flexibilität nicht mehr.

  • Michael Kandel, Partner bei der M3 Management Consulting

Was ist stattdessen notwendig, damit die Transformation in Richtung einer leistungsfähigen Organisation und leistungsfähiger Prozesse gelingt?

Spangenberg: Wir setzen auf einen integrierten Transformationsansatz, der energiewirtschaftliche Fachexpertise mit Change- und Transformationskompetenz sowie technologischem Know-how verbindet. Durch diese am Markt einzigartige Kombination von Kompetenzbausteinen sind wir in der Lage, die wesentlichen Dimensionen einer leistungsfähigen Organisation gemeinsam zu optimieren, die Entkopplung von Prozessen, Rollen und Systemen zu verhindern und den Transformationsprozess effizienter zu gestalten.

Kandel: Die zentrale Herausforderung besteht darin, diese verschiedenen Veränderungsprozesse, die in unterschiedlichen Geschwindigkeiten ablaufen und unterschiedlichen Logiken folgen, zu parallelisieren und insgesamt zu beschleunigen. Dies erfordert zum einen ein schlankes und agiles Transformationsmanagement, das eine kontinuierliche Rückkopplung zwischen den verschiedenen Handlungssträngen eines solchen Veränderungsvorhabens sicherstellt. Zum anderen braucht es Taktiken und Methoden, um die Veränderungsprozesse selbst zu beschleunigen. Unser Ansatz liefert hierfür den geeigneten Rahmen.

Wie äußern sich die angesprochenen unterschiedlichen Veränderungsgeschwindigkeiten in der Praxis?

Kandel: Gerade bei der Einführung neuer Technologien oder bei großen Migrationsprojekten ist häufig zu beobachten, dass die technische Umsetzung selbst wesentlich schneller erfolgt als die Verankerung der damit einhergehenden Veränderungen bei den Anwendern und in der Organisation. Gelingt es nicht, diese unterschiedlichen Veränderungsgeschwindigkeiten aufeinander abzustimmen, kommt es häufig zu Problemen, zum Beispiel in Form von Akzeptanzproblemen oder mangelnder Prozesstreue. Je mehr sich Veränderungsprozesse beschleunigen, desto wichtiger wird ein Transformationsmanagement, das diese Aspekte berücksichtigt.

Welche Rolle hat der Mensch im Transformationsprozess? Wie müssen sich Management- und Führungssysteme vor diesem Hintergrund weiterentwickeln?  

Homann: Wir werden die vor uns liegenden Aufgaben nur dann erfolgreich bewältigen können, wenn es uns gelingt, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht nur fachlich und technisch zu befähigen, sondern ihnen auch Wege aufzuzeigen, wie sie ihre Leistungspotenziale noch besser ausschöpfen können und wir gemeinsam wachsen können. Das ist im Kern eine Führungsaufgabe.

Gleichzeitig haben sich die Rahmenbedingungen, unter denen Führung stattfindet, in den letzten Jahren massiv verändert. Das heißt, die Regeln, Strukturen und Prozesse, nach denen wir heute zusammenarbeiten, sind Antworten auf die Anforderungen der Vergangenheit. Entsprechend müssen sich auch die Führungs- und Managementsysteme und -routinen mit Blick auf die Fragen und Aufgaben der Zukunft weiterentwickeln.

Kandel: Die Anforderungen an den einzelnen Mitarbeiter nehmen zu – sowohl quantitativ als auch qualitativ. Gleichzeitig erleben wir, dass es aufgrund von kürzer werdenden Strategiezyklen, Leaving-Expert-Thematiken und neuen Formen des hybriden Arbeitens immer anspruchsvoller wird, eine vernetzte und effiziente Zusammenarbeit zu organisieren. Um unter diesen Bedingungen ein hohes Engagement und eine hohe Leistungsorientierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sicherzustellen, bedarf es einer fundierten Methodenkompetenz.

Angesichts knapper personeller Ressourcen – welche Rolle spielt der Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei der Steigerung der Leistungsfähigkeit in Energieunternehmen?

Spangenberg: Der Einsatz künstlicher Intelligenz birgt enorme Effizienzpotenziale. Richtig eingesetzt kann sie dazu beitragen, Beschäftigte zu entlasten, neue Kapazitäten für kreative, wertschöpfende Tätigkeiten freizusetzen und insgesamt ein höheres Produktivitätsniveau zu erreichen. Um diese Potenziale zu heben, müssen jedoch die notwendigen prozessualen, organisatorischen und kulturellen Voraussetzungen geschaffen werden, die sicherstellen, dass KI-Lösungen in die effizient bestehende Prozesslandschaft integriert und die freigesetzten Kapazitäten optimal genutzt werden können.

Andernfalls besteht die Gefahr, dass Effizienzpotenziale ungenutzt bleiben. Entscheidend ist auch hier, dass die Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen Technologie, Fachprozessen und Organisationskultur berücksichtigt und im Rahmen des Transformationsprozesses aufgegriffen werden.

Das Interview führte Elwine Happ-Frank