Führung in Teilzeit – ein Modell gegen den Fachkräftemangel?

Sobald Frauen in Teilzeit führen dürfen, steigt die Zahl an Bewerberinnen.
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Führungspositionen in Teilzeit kommen dem Wunsch aller entgegen, die Karriere und Familie vereinbaren wollen statt auf eins von beiden zu verzichten. Bislang sind diese Angebote jedoch noch ein Randphänomen: In Deutschland arbeiteten 2023 nur rund 13 Prozent aller Führungskräfte in Teilzeit.
Zu dem Ergebnis kommt die IW-Befragung von rund 4.700 abhängig Beschäftigten zwischen 18 und 65 Jahren aller Branchenklassen (mit Ausnahme der Landwirtschaft). Ein wichtiger Aspekt, wenn man bedenkt, dass in den letzten Jahren immer weniger Beschäftigte an einer Führungsposition interessiert sind.
Teilzeit bringt auch Frauen in die Chefetage
2023 waren 25 % der Frauen unter den erfassten Führungskräften in Teilzeit und im Vergleich dazu gerade einmal 5,5 Prozent Männer. Beide Seiten arbeiteten allerdings auch mindestens 28 Wochenstunden.
Der Grund für den weiblichen Überhang ist offensichtlich: Noch immer sind es insbesondere Frauen, die den Großteil der unentgeltlichen Sorgearbeit um Kinder und pflegende Angehörige in Paarhaushalten übernehmen. Sie brauchen planbare Arbeitszeiten, um die Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen sicherzustellen. Und sie müssen flexibel auf unvorhergesehene Betreuungspflichten zum Beispiel bei Krankheit des Kindes reagieren können.
Bei der Übernahme einer Personalverantwortung wird hingegen häufig erwartet, sich über das vertragliche Maß hinaus zeitlich zu engagieren und einzuspringen, falls es die Aufgaben erfordern. Wenn ein Unternehmen also keine Teilzeit anbietet, bewerben sich Frauen deshalb oft gar nicht auf Führungspositionen. Folglich sind sie auf den ganz hohen Stellen nach wie vor unterrepräsentiert.
So gelingt die Zunahme an Bewerbern
Wie wichtig die Vereinbarkeit für die Fach- und Führungskräftesicherung generell ist, zeigt auch der Unternehmensmonitor Familienfreundlichkeit 2023 (Hammermann/Stettes, 2023). Demnach gab jedes zweite Unternehmen an, dass es in den letzten Jahren schwieriger geworden ist, ganz hohe Positionen zu besetzen.
Führung in Teilzeit würde nicht nur Frauen auf die Chefpositionen holen. Sie wäre auch eine Perspektive für alle Beschäftigte, die Führungsverantwortung in Vollzeit übernommen haben, diese aber aufgrund einer Veränderung ihrer Lebenssituation nicht aufrechterhalten können oder wollen.
Dazu setzt der Arbeitgeber damit das starke Signal an die Belegschaft, dass der berufliche Aufstieg nicht zwangsläufig an ein festes Arbeitszeitvolumen gekoppelt ist.
Nötige Umstrukturierungen auf Personalebene
Parallel zu den Beschäftigten befragte die IW auch rund 1000 Personalverantwortliche aus Unternehmen der Privatwirtschaft (mit mindestens fünf Beschäftigten) zu den Potenzialen und Herausforderungen bei Führung in Teilzeit. Nahezu 70 Prozent der Personalverantwortlichen sind der Auffassung, dass Führung in Teilzeit in ihrem Unternehmen nur dann funktionieren kann, wenn alle Mitarbeiter mehr unternehmerische Verantwortung übernehmen.
Die Delegation von Aufgaben über selbstbestimmte Teams oder Stellvertretersysteme kann ein Weg sein, Führungskräfte zu entlasten. Auch die Teilung einer Führungsstelle auf zwei Personen – das Job- oder auch Top-Sharing – wäre eine Variante, um den erhöhten Erreichbarkeitsanforderungen einerseits und den Vereinbarkeitsbedürfnissen von Führungskräften andererseits gerecht zu werden.
Kurzum: Je reifer Teams sind und Mitarbeiter die Verantwortung für den Unternehmenserfolg mittragen, desto eher können Führungskräfte zeitlich kürzertreten. Und desto eher werden Frauen zur Chefin. (ah)