Karriere

LAG Köln: Wenn Geschäftsführer Grenzen überschreiten

Ein Urteil zeigt die Grenzen privater Beziehungen im Betrieb auf. Experten fordern bessere Überwachung durch Aufsichtsräte in Unternehmen, erklärt der Gastbeitrag von Nicole Elert und Arnulf Starck von PwC.
16.10.2025

Der Geschäftsführer schrieb einer Mitarbeiterin – wohl aus Enttäuschung – per Whatsapp mit unangemessenem Inhalt (Motivbild).

Gastbeitrag von
Nicole Elert und Arnulf Starck,
Rechtsanwälte, zertifizierte ESG-Officere und Partner
PricewaterhouseCoopers GmbH WPG

Über den Sommer hinweg konnte in den Medien über die Abberufung von Geschäftsführern wegen einvernehmlicher Liebesbeziehungen zu Mitarbeiterinnen gelesen werden. Es ist ein Thema, welches im deutschen Arbeitsrecht nicht neu ist.

Es lässt sich zusammenfassen, dass der Arbeitgeber ein faires Arbeitsumfeld zu gewährleisten hat und zwischen Mitarbeitenden Liebesbeziehungen im Arbeitsverhältnis nicht grundsätzlich verboten sind, da Art. 2 GG die Privatsphäre der Mitarbeitenden schützt – was auch im Falle der Einvernehmlichkeit im Verhältnis zu einer/m Vorgesetzten gilt, sofern nicht Arbeitsleistung oder Betriebsklima in Mitleidenschaft gezogen werden.

Am 9. Juni 2025 erging durch das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens ein rechtskräftiges Urteil, das unter dem Stichwort Machtmissbrauch im Arbeitsverhältnis besprochen wird. Juristisch ging es um die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses auf Antrag der 32-jährigen Klägerin gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 KSchG gegen Festsetzung einer Abfindung wegen Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im Kontext von Beleidigung und sexueller Belästigung.

Sozialwidrige Kündigung

Genauer laut LAG wegen sexistischer, demütigender und willkürlicher Äußerungen des Geschäftsführers per Whatsapp, der angesichts seines Unmutes über die Entwicklung des privaten Verhältnisses zur Klägerin dieser arbeitsrechtliche Sanktionen androhte, was schließlich in einer offensichtlich sozialwidrigen Kündigung mündete.

Die Whatsapp-Kommunikation soll an dieser Stelle nicht wiedergegeben werden. Das Urteil lässt sich unter dem Aktenzeichen 4 SLa 97/25 finden. Es stellt sich die Frage, wie es zu solchen Vorfällen kommen kann und warum alle Sicherheitsmechanismen scheinbar versagten. Widmet sich der/die Leser:in dem Vortrag des Unternehmens, mit dem dieses das Verhalten ihres Geschäftsführers meinte, rechtfertigen zu können, lassen sich die Gründe erahnen.

Laut Urteils des LAG liest sich der "Erklärungsversuch" wie folgt: "[Weitere] Auszüge aus dem Gesprächsverlauf ließen zwar tatsächlich eine etwas deftige Wortwahl des Geschäftsführers erkennen, diese seien jedoch Unstimmigkeiten auf der privaten Ebene geschuldet. Der Geschäftsführer habe der Klägerin im Laufe der Jahre privat zahlreiche Geschenke gemacht und hätte hierfür etwas Dankbarkeit der Klägerin erwartet. Die Wortwahl sei ausschließlich der persönlichen Enttäuschung des Geschäftsführers geschuldet. [...] Die Klägerin habe sich den Nachrichten des Geschäftsführers problemlos entziehen können, indem sie entweder ihre Mobilfunknummer wechseln oder den Geschäftsführer bei Whatsapp hätte blockieren können."

Hohe Abfindung für die Mitarbeiterin

Das LAG Köln sah, wie das Arbeitsgericht Bonn zuvor, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Klägerin als unzumutbar an. Zur vom LAG festgesetzten Abfindungshöhe führte es aus, dass die sogenannte Regelabfindung von einem Gehalt pro Beschäftigungsjahr nach § 10 KSchG ,um den Faktor 0,5 heraufzusetzen war, da die Kündigung grob sozialwidrig gewesen sei und um weitere 0,5 Punkte wegen der mit dem Arbeitsplatzverlust verbundenen psychischen Belastung der Klägerin sowie der Genugtuungsfunktion der Abfindung.

Der Geschäftsführer habe die Auflösungsgründe in Form von Ehrverletzungen und der Androhung beziehungsweise Umsetzung rechtswidriger arbeitsrechtlicher Sanktionen vorsätzlich herbeigeführt. Das Unternehmen treffe insofern ein hohes Maß an Verschulden.

Den Umstand, dass der Geschäftsführer seine Nachrichten teilweise wieder gelöscht habe, nachdem die Klägerin diese gelesen hatte, sah das Gericht als irrelevant an, da der Inhalt die Klägerin erreicht habe, eine Loslösung vom Inhalt nicht verfolgt worden sei, sondern allein die Vermeidung der Dokumentation.

Zum Wechsel der Mobilnummer oder Blockieren des Geschäftsführers kommentierte das Gericht, dass der Beklagte offenbar den Kern des Problems nicht erkenne. Die Klägerin sei aufgrund ihrer Abhängigkeit im Arbeitsverhältnis nicht frei, das private Verhältnis zum Geschäftsführer nach ihren Wünschen zu gestalten und gegebenenfalls auch zu beenden.

Dieser Fall zeigt sehr anschaulich, wie wichtig es ist, die Überwachungsaufgabe seitens des Aufsichtsrates auszuüben – auch um die Reputation des Unternehmens nicht zu gefährden. Aufgabe wäre es in jedem Fall, nicht nur das Fehlverhalten des Geschäftsführers zu adressieren und gegebenenfalls zu sanktionieren, sondern auch einen Informationsprozess in Bezug auf das Gerichtsverfahren zu implementieren, in dessen Rahmen die Geschäftsführung den Aufsichtsrat permanent informiert und, soweit es sich bei dem Gerichtsverfahren um ein zustimmungspflichtiges Geschäft handelt, die vorhergehende Zustimmung zu bestimmten Prozesshandlungen einholt.