Karriere

Risikobewusstsein der Azubis schon beim Onboarding schärfen

Ein neues Ausbildungsjahr beginnt. Welchen Stellenwert hat dabei der Arbeitsschutz und wo können Betriebe noch mehr tun, um ihre Auszubildenden vor gefährlichen Situationen und Arbeitsunfällen zu schützen?
02.10.2024

Die Risikoabschätzung junger Menschen steht oft noch auf wackeligen Beinen, daher besteht Schulungsbedarf.

In der modernen Arbeitswelt sind Unternehmen mehr denn je gefordert, für die Sicherheit und Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu sorgen. Besonderer Handlungsbedarf besteht im Bereich der Ausbildung, meint Stefan Ganzke, Geschäftsführer der Beratungsfirma WandelWerker Consulting. 

Denn laut der offiziellen Statistik der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung verletzten sich knapp 27.300 Auszubildende im Jahr 2022 so schwer, dass sie mehr als drei Tage am Arbeitsplatz fehlten. Fünf Auszubildende starben sogar an den Folgen des Arbeitsunfalls. 85 Prozent der betroffenen Auszubildenden waren unter 25 Jahre alt. 

"Um junge Menschen mitzunehmen, brauchen wir auch für Azubis ein umfassendes Arbeitsschutz-Onboarding, das vor allem interaktiv anstatt frontal erfolgt und den Arbeitsschutz dauerhaft präsent macht."
Arbeitsschutz-Experte Stefan Ganzke

Chance auf nachhaltige Sicherheitskultur

Die meisten Unternehmen scheinen die Notwendigkeit, das Problem der Arbeitsunfälle aktiv anzugehen, durchaus zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Allerdings, so Ganzke, sähen viele Betriebe vor allem "den jugendlichen Leichtsinn" ihrer Auszubildenden als eine wesentliche Quelle an. Das reiche aber als Ursache bei weitem nicht aus. Ganzke betont, dass der Arbeitsschutz in der Ausbildung weder in den Berufsschulen noch in den Betrieben einen besonders hohen Stellenwert habe. 

"Um junge Menschen mitzunehmen, brauchen wir auch für Azubis ein umfassendes Arbeitsschutz-Onboarding, das vor allem interaktiv anstatt frontal erfolgt und den Arbeitsschutz dauerhaft präsent macht", fügt der Arbeitsschutz-Experte hinzu. "Wenn ein Unternehmen für sichere und gesunde Arbeitsplätze stehen möchte, dann braucht es auch ein gut durchdachtes Azubi-Programm für Arbeits- und Gesundheitsschutz, das die Chance auf einen nachhaltigen Wandel der Sicherheitskultur schafft." 

Anhand der folgenden Tipps erklärt er, wie Unternehmen ihre Auszubildenden nachhaltig für das Thema Arbeitssicherheit sensibilisieren und ein sicheres Arbeitsumfeld für sie schaffen:

1. Safety Mindset als Schlüsselelement

Um eine gelebte Arbeitsschutzorganisation zu gewährleisten, ist die Einstellung zum Arbeitsschutz beziehungsweise das Safety Mindset von großer Bedeutung. Wenn der Arbeitsschutz in einem Unternehmen nur als ein notwendiges Übel gesehen wird, dann wird es auch schwer, die jungen Auszubildenden dafür zu gewinnen. 

Umso wichtiger, dass Unternehmen auf ein gutes Safety Mindset setzen. Das gelingt, indem der Arbeitsschutz nicht nur mit der lästigen Jahresunterweisung verbunden wird, sondern es ein täglicher Bestandteil der Arbeit im Unternehmen ist. Es braucht einen förderlichen Umgang mit dem Arbeitsschutz in der Kommunikation, dem Lernen aus Fehlern sowie den Trainings von Auszubildenden. 

2. Wirksamkeit durch Azubi-Programm

Um die jungen Menschen für den Arbeitsschutz zu gewinnen, braucht es mehr als nur eine trockene Power-Point-Präsentation, die irgendwann in den ersten Wochen der Ausbildung im Monolog gehalten wird. Es sollten während der gesamten Ausbildung wiederkehrende Maßnahmen organisiert werden, die ein gutes Sicherheitsbewusstsein und eine gute Risikokompetenz in den Köpfen der Azubis verankern. 

Hierbei ist eine enge Zusammenarbeit zwischen der Personalabteilung, den Verantwortlichen für die Ausbildung, dem Betriebsrat und der Fachkraft für Arbeitssicherheit wichtig. Grundsätzlich gilt es, zu beachten, dass sich ein solches Sicherheitsprogramm sowohl an die gewerblichen als auch an die nicht gewerblichen Azubis richtet. 

3. Grundlegendes Risikoverständnis schaffen

Unternehmen dürfen sich nicht darauf verlassen, dass Berufsschulen für einen guten Umgang mit dem Arbeitsschutz sorgen. Deshalb sollten über die Ausbildungszeit hinweg unterschiedliche interaktive Workshops und Trainings mit den Azubis durchgeführt werden. Eine Möglichkeit hierfür ist die geleitete Identifizierung von Risiken an Arbeitsplätzen mit der kreativen Förderung, Schutzmaßnahmen abzuleiten. 

Ziel ist es hierbei nicht, die besten Lösungen zu erhalten, sondern vielmehr Risiken zu erkennen und gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. Es kann weiterhin überlegt werden, dass Azubis die Führungskräfte oder Fachkräfte für Arbeitssicherheit bei Sicherheitsrundgängen begleiten. Im weiteren Verlauf der Ausbildung sind auch spezielle Kurse, wie die Ausbildung zum Ersthelfer oder auch Brandschutzhelfer möglich. Auch die Teilnahme an den Azubi-Wettbewerben der jeweiligen Berufsgenossenschaften sollte ins Kalkül gezogen werden. 

4. Von Azubi zu Azubi: Mentoren-Rolle nutzen

Im Sinne einer lernenden Organisation sollte ein Azubi-Programm für den Arbeitsschutz auch den Einsatz von Mentoren bedenken. Bei diesen Mentoren sollte es sich um die Azubis handeln, die in den letzten Monaten ein Sicherheitsbewusstsein und eine besonders ausgeprägte Risikokompetenz entwickelt haben. 

Diese Safety-Mentoren können dann einerseits Einfluss auf jüngere Azubis nehmen und andererseits auch bei der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Arbeitsschutzorganisation unterstützen, indem sie in Arbeitsschutzgremien mitwirken. Das sorgt nicht nur dafür, dass bei neuen Azubis von Beginn an die richtigen Weichen gestellt werden, sondern auch dafür, dass die Azubis ein fester Bestandteil der Sicherheits- und Unternehmenskultur werden. 

5. Sicherheit im Arbeitsalltag vorleben

Selbst die besten Azubi-Programme im Arbeitsschutz werden nutzlos, wenn im Alltag andere Werte vorgelebt werden. Es ist daher entscheidend, dass erfahrene Mitarbeiter als Vorbilder agieren und die Azubis durch ihr Verhalten positiv beeinflussen. Wenn Azubis hingegen zu riskantem Verhalten angeleitet werden oder ihre Bemühungen um Sicherheit auf Ablehnung stoßen, ist eine hohe Anzahl an Arbeitsunfällen und unsicheren Situationen unter jungen Azubis vorprogrammiert. 

Deshalb ist die systematische Weiterentwicklung der Arbeitsschutzorganisation mit Führungskräften und Mitarbeitern im Unternehmen von so großer Bedeutung, um wirklich nachhaltig Arbeitsunfälle und unsichere Situationen zu reduzieren. (bs)