Karriere

Wie man Ältere im Unternehmen hält

Die einen wollen möglichst früh in Rente, die anderen würden gerne auch jenseits der Altersgrenze weiterarbeiten. Dabei kommt der Qualität der Arbeit eine Schlüsselrolle zu.
02.07.2024

Ein Drittel der Ü64 arbeitet oder möchte arbeiten. Ein Drittel würde unter Umständen und ein Drittel auf keinen Fall weiterarbeiten.

 

In den nächsten Jahren werden die Babyboomer nach und nach den Arbeitsmarkt in Richtung Ruhestand verlassen. Gleichzeitig schrumpft die erwerbsfähige Bevölkerung in den nächsten zehn bis 15 Jahren weiter.

Das verschärft den Fachkräftemangel – unabhängig von der Wirtschaftslage. Langfristig wird es also nicht an Arbeit, sondern an Menschen fehlen, die sie verrichten – trotz Zuwanderung.

Wirtschaft sollte Potenzial nutzen

Auf diesen demografischen Wandel muss die Wirtschaft in Deutschland mit einem Mentalitätswandel reagieren. Das heißt, Unternehmen müssen stärker als bisher die Älteren einbeziehen.

Dementsprechend darf das Erreichen der Regelarbeitsgrenze nicht mehr automatisch das Ende des Berufslebens bedeuten. Vor allem auch, weil viele Ältere jenseits des Renteneintrittsalters arbeitswillig, leistungsfähig und tatkräftig sind. Und das sollte die Wirtschaft besser als bisher nutzen.

Vorurteile über Ältere

Leider kämpfen viele ältere Beschäftigte gegen eine Vielzahl von Vorurteilen an. Oft heißt es, sie seien zu wenig belastbar, unflexibel und träge. Diese Stereotype entspricht jedoch bei Weitem nicht der Realität.

Im Gegenteil, die Arbeitsmarktforschung bestätigt, dass ältere Beschäftigte viele Vorzüge wie Erfahrung, Urteilsfähigkeit, Problemlösungskompetenz, Verantwortungsbewusstsein, Ausgeglichenheit und eine geringere Fehlerquote mitbringen, sagte Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw), auf der Veranstaltung „Arbeit im Alter“ in München.

Flexible Arbeitsmodelle für späte Lebensphase

Das kann Jürgen Schulz, Leiter Kommunikation der Stadtwerke Düren, bestätigen: „Viele unserer älteren Mitarbeitenden wissen, dass ihre Erfahrungen und ihr Wissen sehr wertvoll und wichtig für uns sind."

Und weil unterschiedliche Ideen und Ansätze "kreativere Ergebnisse fördern, profitieren wir in verschiedenen Projekten von ihren Erfahrungen – und binden sie daher aktiv ein. Unsere flexiblen Arbeitszeitmodelle und -orte bieten dabei allen Mitarbeitenden individuellen Gestaltungsraum und erleichtern je nach Lebenssituation den Arbeitsalltag", so Schulz weiter.

Jobplattform „Talente in Rente“

Damit die Wirtschaft das Potenzial älterer Beschäftigten nutzen kann, hat der vbw in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie sowie dem Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft das Projekt „Talente in Rente“ ins Leben gerufen.

Die Jobplattform bringt Menschen, die über ihr Rentenalter hinaus arbeiten wollen, mit Unternehmen zusammen, die Fachkräfte suchen. Mehr als 140 Unternehmen und über 1000 Ruheständler sind auf der Plattform registriert.

Zahl der arbeitswilligen Rentner stagniert

In Deutschland gibt es viele Optionen, frühzeitig aus dem Erwerbsleben auszusteigen. Die meisten Babyboomer nutzen diese Möglichkeit und gehen so früh wie möglich in Rente. Zahlen belegen das: Aktuell sind „nur“ 40 Prozent aller 64-Jähringen erwerbstätig, bei den Frauen sind es sogar noch weniger.

Diese Zahlen stagnieren seit vielen Jahren, weiß Hans Martin Hasselhorn vom Lehrstuhl Arbeitswissenschaft an der Bergischen Universität Wuppertal. Seit 2011 untersucht er in einer Studie, warum das so ist.

Plädoyer für "bessere Arbeit"

Die dominierenden Gründe für den Frühausstieg sind dabei Selbstbestimmung und das Gefühl eines Anspruches auf die (frühe) Rente. Auch belastende Arbeitsfaktoren und schlechte Gesundheit spielen eine Rolle – aber nicht für alle. Wenn die Qualität der Arbeit besser wäre, wären viele möglicherweise bereit, länger zu arbeiten, sagt der Wissenschaftler.

„Bei uns ist der überwiegende Teil der Belegschaft bis zum Renteneintrittsalter aktiv. In Einzelfällen und bei Bedarf besteht auch die Möglichkeit, nach Renteneintritt weiterhin für uns tätig zu sein. Das stellt für die Abteilungen einen großen Gewinn dar, denn so können wir fortlaufend auf wertvolles Wissen und Erfahrungen zurückgreifen“, berichtet Schulz.

Ein Drittel will weiterarbeiten

Viele erleben ihren (frühen) Ruhestand als sehr positiv. Und obwohl sie fit sind, sind nur wenige erwerbstätig. Doch unter Umständen wären sie bereit weiterzuarbeiten, weiß Hasselhorn. Denn seine Studie zeigt: Ein Drittel arbeitet oder möchte arbeiten, ein Drittel würde unter Umständen weiterarbeiten und ein Drittel würde auf keinen Fall weiterarbeiten.

Fakt ist: Beschäftigte 64+ stellen eine wichtige Ressource dar. Wenn Wirtschaft und Politik sie in Beschäftigung halten oder bekommen wollen, muss es ihnen jedoch gelingen, dass sie das wollen. Der Qualität der Arbeit kommt hier eine Schlüsselrolle zu.

Was Schulz bestätigen kann: „Es gibt bei uns verschiedene Projekte und Themenstellungen, bei denen ältere Mitarbeitende angesprochen und eingebunden werden. Unser langjähriger Geschäftsführer zum Beispiel hat nach seinem ,altersbedingten' Ausscheiden kürzlich eine neue Geschäftsführerstelle zum Aufbau eines neuen Geschäftszweigs übernommen.“ (sh)