Elektromobilität: Warum Tausende Ladesäulen aktuell lahmgelegt sind

Tausende öffentliche Ladesäulen in Deutschland sind derzeit nicht nutzbar. (Symbolbild)
Bild: © mmphoto/Adobe Stock
Hinweis: Nach Angaben von DCS sind sogar mehr als 300 Stadtwerke betroffen. Wir haben diese Information aktualisiert. Neu ist ebenfalls eine wörtliche Stellungnahme von DCS. Stand: 14. Oktober 2025, 15:36.
Von Julian Korb
Ein Streit um Strompreise zwischen dem Ladedienstleister Digital Charging Solutions (DCS) und dem Aachener Unternehmen Smartlab sorgt derzeit für massive Einschränkungen beim Laden von Elektroautos in Deutschland. Nach übereinstimmenden Medienberichten, etwa von "Bild" und "Focus online" sind rund zehn Prozent der öffentlichen Ladeinfrastruktur betroffen – das entspricht knapp 27.000 kommunalen Ladepunkten, die derzeit für viele Nutzer unbrauchbar sind.
Viele Fahrer von E-Autos, vor allem der Marken Mercedes und BMW, erhalten demnach an betroffenen Ladesäulen derzeit die Fehlermeldung "Technischer Fehler". Tatsächlich handelt es sich nicht um ein technisches Problem, sondern um die Folge eines geplatzten Vertrags zwischen DCS und Smartlab.
Streit um Preiserhöhung
DCS, ein Joint Venture von Automobilherstellern wie BMW, Mercedes-Benz und der Hyundai-Gruppe, bündelt für seine Kundinnen und Kunden den Zugang zu rund 980.000 Ladepunkten in 30 Ländern. In Deutschland vermittelt DCS unter anderem den Zugang zu Ladepunkten kommunaler Stadtwerke – bisher über Verträge mit Smartlab.
Ende August jedoch sei es laut "Bild" zu einer Preiserhöhung seitens des Ladeanbieters gekommen. DCS habe diese als "nicht akzeptabel" zurückgewiesen. In der Folge wurden die betroffenen Ladesäulen für DCS-Kunden gesperrt.
Smartlab wechselte Eigentümer
Das Unternehmen Smartlab, das unter anderem die Roaming-Plattform "ladenetz.de" betreibt, wurde Anfang 2025 vom Tankkartenanbieter DKV Mobility übernommen. Zuvor hatte das Gemeinschaftsunternehmen mehrere Gesellschafter, vor allem kommunale Energieversorger wie die Stadtwerke Aachen, die Stadtwerke Osnabrück oder das Stadtwerke-Netzwerk Thüga.
Nach der Übernahme habe das in Aachen ansässige Unternehmen Smartlab die bisherigen Verträge mit DCS gekündigt und neue, höhere Gebühren verlangt. DKV Mobility teilte auf Anfrage mit, die Preisgestaltung orientiere sich an "marktüblichen Standards" und gewährleiste faire Bedingungen für alle Beteiligten.
DCS hingegen will nach eigenen Angaben nur Preise akzeptieren, die "vertretbar" seien. Derzeit laufen Verhandlungen über eine mögliche Einigung. Ob und wann eine Lösung gefunden wird, ist offen.
Kommunale Ladeinfrastruktur betroffen
Der Streit trifft vor allem kommunale Stadtwerke, die über Smartlab in das Ladenetz eingebunden sind. Nach Angaben von DCS sind über 300 Stadtwerke betroffen. Damit ist ein erheblicher Teil der öffentlichen Ladeinfrastruktur in Deutschland derzeit für DCS-Kunden nicht nutzbar.
Für die Betreiber entsteht so zusätzlicher Aufwand: Sie müssen auf Kundenbeschwerden reagieren und mögliche Einnahmeverluste abfedern. Branchenexperten warnen, dass solche Konflikte das Vertrauen in öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur untergraben können, insbesondere, wenn Transparenz über Preisänderungen und Vertragsstreitigkeiten fehlt.
Für Fahrerinnen und Fahrer bedeutet das: Wer an einer betroffenen Säule laden möchte, bekommt über die App oder die Ladekarte von DCS die Fehlermeldung angezeigt – obwohl die Säule technisch funktioniert. Andere Kundengruppen oder Direktzahler können die Stationen weiterhin nutzen.
Ungünstiger Zeitpunkt – kurz vor Autogipfel
Der Konflikt kommt zu einem sensiblen Zeitpunkt: Am Donnerstag soll in Berlin der Autogipfel zwischen Bundesregierung und Automobilindustrie stattfinden. Thema sind unter anderem die schleppende Nachfrage nach Elektroautos und der stockende Ausbau der Ladeinfrastruktur
Der aktuelle Streit verdeutlicht, wie abhängig das Ladesystem von komplexen Vertragsstrukturen zwischen Betreibern, Plattformen und Autoherstellern ist – und wie schnell diese Ketten bei wirtschaftlichen Konflikten reißen können.
Branchenexperten warnen vor einem Vertrauensverlust bei E-Autofahrern, sollte es häufiger zu solchen Ausfällen kommen. "Wenn Kunden an funktionierenden Ladesäulen plötzlich nicht mehr laden können, leidet das Vertrauen in die gesamte Elektromobilität", sagt ein Branchenkenner gegenüber "Focus online".
DCS verweist auf Kundenschutz – Smartlab auf Marktbedingungen
Beide Seiten bemühen sich derzeit um eine Lösung. DCS betont, man wolle den Kundinnen und Kunden weiterhin faire Preise bieten und gleichzeitig die Wirtschaftlichkeit des Systems sichern. Smartlab und DKV Mobility verweisen darauf, dass die neuen Preise marktüblich seien und den gestiegenen Betriebskosten Rechnung trügen.
"Das von Smartlab bisher vorgelegte Angebot ist für die DCS wirtschaftlich nicht akzeptabel", betont hingegen ein Sprecher von DCS gegenüber der ZfK. Die verlangten Preise lägen weit über den Marktpreisen und verstießen aus Sicht der DCS auch gegen regulatorische Vorgaben. Konkret gehe es sowohl um das Diskriminierungsverbot nach der Alternative Fuel and Infrastructure Regulation (AFIR) als auch gegen allgemeine kartellrechtliche Vorgaben. "Im Interesse ihrer Kunden bemüht sich DCS weiter um eine einvernehmliche Lösung, behält sich rechtliche Schritte zur Durchsetzung angemessener Preise aber ausdrücklich vor", so der Sprecher weiter.
Eine schnelle Einigung liegt im Interesse beider Seiten – und der gesamten Branche. Denn die Elektromobilität steht in Deutschland ohnehin vor großen Herausforderungen: zu wenige öffentliche Ladepunkte, zu hohe Strompreise und wachsende Skepsis bei potenziellen Käuferinnen und Käufern.

