ÖPNV

"Unsere Fahrer fühlen sich nicht sicher"

Große Deutschland-Umfrage unter dem Fahrpersonal: Wo es drückt, wo man sie findet und warum sie bleiben.
15.05.2025

Trotz zuweilen schwieriger Arbeitsbedingungen bleiben viele Busfahrerinnen und Busfahrer ihrem Beruf über viele Jahre treu.

Von Jürgen Walk

Im öffentlichen Nahverkehr fehlt Fahrpersonal. Der Altersdurchschnitt ist hoch, viele stehen kurz vor der Rente. Und diejenigen, die am Steuer oder den Hebeln sitzen, klagen nicht selten über schwierige Arbeitsbedingungen, Sicherheitsprobleme und ein mäßiges Image ihres Berufsstands in der Gesellschaft. Eine große Deutschland-Umfrage unter dem Fahrpersonal von Mitgliedsunternehmen des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) liefert erstmals eine fundierte Datengrundlage zu den Erwartungen, Bedürfnissen und Wahrnehmungen des Fahrpersonals selbst.

Schon heute fehlen rund 20.000 Busfahrerinnen und Busfahrer sowie mindestens 3000 Triebfahrzeugführerinnen und -führer. In den kommenden fünf Jahren werden zudem bis zu 21 Prozent mehr Mitarbeitende gebraucht, um den Wachstumszielen der Verkehrswende genügen zu können. Gleichzeitig gehen jährlich etwa 6000 Mitarbeitende im Fahrdienst in den Ruhestand. Die Lücke bei Fachkräften wächst. Ohne gezielte Maßnahmen drohen Angebotskürzungen und eine eingeschränkte Verlässlichkeit des Verkehrs.

Gesellschaftliche Wertschätzung fehlt

Die Umfrage zeigt, dass die Fahrerinnen und Fahrer die gesellschaftliche Wahrnehmung der Branche überwiegend negativ bewerten. 51 Prozent nennen das gesellschaftliche Image ihres Berufs schlecht oder sehr schlecht. Sie bemängeln, dass sie mit ihrer Arbeit letztendlich nicht wirklich in der Gesellschaft wertgeschätzt werden. Hinzu kommt die Klage über schwierige Arbeitsbedingungen und unattraktive Dienstpläne.

Ein Thema, das die Branche auch umtreibt, sind die Attacken auf das Fahrpersonal. "Unsere Beschäftigten fühlen sich nicht sicher", sagt Harald Kraus, Vorsitzender des VDV-Personalausschusses und Arbeitsdirektor bei DSW21 aus Dortmund. Das sei ein gesellschaftliches Thema, kein Problem der Branche, "und insofern ist es auch eine gesellschaftliche Aufgabe, sicherzustellen, dass wir für unsere Beschäftigten ein Höchstmaß an Sicherheit hinbekommen können".

Gleichzeitig zeigt sich, dass viele Beschäftigte ihren Beruf aufgrund der Freude am Fahren und der Arbeitsplatzsicherheit gewählt haben. Denn die Umfrage zeigt auch, dass die Treue des Fahrpersonals zum eigenen Beruf ungebrochen ist und viele über Jahrzehnte am Steuer sitzen.

Viele Quereinsteiger

Die Branche sieht die Ergebnisse der Umfrage aber auch als Aufforderung zum Handeln an sich selbst. Arbeitgeber müssen ihre Ansprache, Kommunikationsinhalte, Rekrutierungsstrategien und Arbeitsbedingungen verbessern, um konkurrenzfähig zu bleiben. Über 54 Prozent der Befragten kamen als Quereinsteigende in die Branche. Die Prozesse zur Bewerbung, Einarbeitung und Qualifikation müssen stärker auf diese Zielgruppe ausgerichtet sein. 31 Prozent der Befragten nannten Social Media als Bewerbungskanal, 50 Prozent fanden über Karriereseiten in den Beruf. Führend seien aber persönliche Empfehlungen aus dem privaten oder beruflichen Umfeld, sagt Lisa Behrendt, Lead Consultant Employer Branding bei der Unternehmensberatung Nexum.

Neben den Arbeitgebern ist aber auch die Politik gefragt. Die neue Bundesregierung müsse ihrer Verantwortung gerecht werden und finanzielle sowie organisatorische Hemmnisse abbauen. Eine nachhaltige ÖPNV-Finanzierung, gezielte Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und eine Entbürokratisierung der Qualifikation, etwa beim Busführerschein oder beim Sprachnachweis, seien essenziell, um den Personalmangel langfristig zu bewältigen und eine leistungsfähige Mobilität in Deutschland sicherzustellen.