ÖPNV

Verkehrswende steht und fällt mit der Finanzierung

Nahverkehr am Scheideweg: Kommunen, Verbünde und Verkehrsunternehmen aus NRW fordern mehr Geld vom Bund.
11.09.2023

Allein um den Bestandsverkehr zu halten, fehlen in Zeiten hoher Inflation schon Milliardenbeträge.

„Der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) befindet sich aktuell an einem Scheideweg“. So lautet die Analyse der Oberbürgermeister aus den Ruhrgebietsmetropolen Bochum und Essen, Thomas Eiskirch und Thomas Kufen. Um die Liquidität der Verkehrsunternehmen nicht zu gefährden und um einen leistungsstarken Nahverkehr aufrechterhalten und ausbauen zu können, bestehe ein erheblicher Mittelbedarf.

Das Risiko einer Finanzierungslücke dürfe nicht auf die Kommunen verlagert werden. Denn die finanziellen Mittel der Kommunen seien weitestgehend ausgereizt, so Eiskirch und Kufen. Die Politik sei gefragt, die hierfür nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Schlussendlich stehe und falle der Erfolg der Verkehrswende mit einer verlässlichen Finanzierung des Gesamtsystems ÖPNV.

Nicht nur preiswert, sondern auch attraktiv

„Eine effektive Verkehrswende gelingt nur mit einem attraktiven und qualitativ hochwertigen ÖPNV, der einfach, flexibel und innovativ ist und für Menschen in der Stadt und auf dem Land vernetzte Mobilitätslösungen bietet. Wenn die Kommunen einen wichtigen Beitrag zur klimaneutralen Mobilität leisten sollen, müssen sie mit ihren kommunalen Unternehmen auch dazu befähigt werden. Das werden wir ohne eine neue, tragfähige Finanzierung durch den Bund in den Kommunen allein nicht schaffen können“, sagt Eiskirch.

Laut Kufen sei das Ziel „nicht nur ein preiswerter ÖPNV für alle, sondern auch ein attraktiver. Als Kommune achten wir darauf, unser Angebot stetig zu erweitern. Investitionen in Verkehrsprojekte in den urbanen Zentren sind entscheidend für die Zukunftsfähigkeit unserer Mobilität. Doch der wichtige Ausbau der Infrastruktur ist nur durch Investitionen zu stemmen. Und in Zeiten hoher Preise für Energie und Personal steigen gleichzeitig die Betriebskosten. Unsere finanziellen Mittel sind allerdings begrenzt.“

Deutschlandticket reicht nicht

Mit dem Deutschlandticket sei ein wegweisender und richtiger Schritt getan, um die Menschen zum Umsteigen auf Bus und Bahn zu bewegen. Für einen attraktiven und klimafreundlichen Nahverkehr brauche es neben einem günstigen Ticketangebot auch bedarfsgerechte Leistungen, moderne und barrierefreie Infrastruktureinrichtungen und Fahrzeuge mit emissionsarmen Antriebstechnologien.

Faktisch sei die Finanzierung des Deutschlandtickets nur für dieses Jahr gesichert, sagt José Luis Castrillo, Vorstand des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr (VRR). Hochgerechnet für das Jahr 2023 erwartet der Verbund einen Finanzierungsbedarf in Höhe von 360 Millionen Euro, für das 2024 liegt dieser zwischen 330 und 340 Millionen Euro. Im Herbst müsse sich die Politik auf eine Weiterfinanzierung über das Jahr 2023 hinaus inklusive einer Nachschusspflicht einigen und gesetzliche Rahmenbedingungen für eine kontinuierliche Preisentwicklung schaffen, ermittelt über einen transparenten Preisindex, der sich an Kostenstrukturen orientiert, so Castrillo.

Allein zur Sicherung der Bestandsverkehre bestehe im VRR ein Defizit von rund 2,6 Milliarden Euro für den Zeitraum von 2023 bis 2031. Für die Finanzierung von Angebotsausweitungen im Rahmen des Zielnetz-Konzepts 2032/2040 seien allein im VRR weitere 1,3 Milliarden Euro bis zum Jahr 2031 notwendig. (wa)