ÖPNV

Wissing: 9-Euro-Ticket Anreiz für dauerhafte ÖPNV-Nutzung

Kritik an der Unterfinanzierung des Tickets weist der Verkehrsminister erneut zurück. Die Bahn-Gewerkschaft EVG mahnt dagegen, das 9-Euro-Ticket könnte im Chaos enden.
27.04.2022

Verkehrs- und Digitalminister Volker Wissing (FDP)

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sieht im geplanten 9-Euro-Monatsticket für den Nah- und Regionalverkehr einen Anreiz für eine dauerhafte Nutzung von Bussen und Bahnen. Wissing sagte am Mittwoch nach der Kabinettssitzung in Berlin, das Ticket sei eine Chance, den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) sichtbar zu mache.

Es helfe, Energie zu sparen und passe genau in die Zeit. Die Länder könnten davon profitieren, indem sie dauerhaft mehr Nutzer gewinnen. "Wir können insgesamt davon profitieren, weil wir den Menschen ein klimafreundliches, umweltfreundliches und sehr modernes Verkehrsmittel nahebringen."

Punktuell könnte es starke Auslastung geben

Zur Gefahr, dass es auf manchen Strecken im Regionalverkehr etwa in Urlaubsregionen überfüllte Züge geben könnte, sagte Wissing, die Länder hätten gewollt, dass das Ticket deutschlandweit gelte. Deswegen gehe er davon aus, dass sie sich auch entsprechend mit der Frage beschäftigt hätten, was dies für besonders touristisch attraktive Strecken bedeute.

"Ich bin sehr zuversichtlich, dass unsere starken Verkehrsunternehmen das in den Griff bekommen." Die Nutzerinnen und Nutzer der Tickets müssten aber damit rechnen, dass es punktuell zu einer starken Auslastung kommen könne, so wie man das auch in Spitzenzeiten kenne.

An die Umsetzung gehen

Kritik aus Ländern an einer unzureichenden Finanzierung des günstigen Tickets und insgesamt des ÖPNV wies Wissing erneut zurück.

"Alle können zufrieden sein, und jetzt sollten alle in die Umsetzung gehen. Die Erwartungen sind groß, die Freude auf das Ticket ist groß und ich wünsche mir, dass es gut und reibungslos läuft und wir viele neue und zufriedene Nutzerinnen und Nutzer für den ÖPNV in Deutschland gewinnen."

Chaos schon an Pfingsten

Dagegen befürchtet die Bahn-Gewerkschaft EVG bereits zu Pfingsten ein Chaos im Öffentlichen Nahverkehr. "Ich rechne mit Räumungen überfüllter Züge und wegen Überlastung gesperrten Bahnhöfen", sagte der EVG-Vorsitzende Klaus Hommel am Mittwoch am Rande einer Vorstandssitzung seiner Organisation in Fulda. Kein Bahn-Unternehmen sei bislang ausreichend auf den zu erwartenden Andrang der Kunden vorbereitet.

Auf touristisch attraktiven Strecken arbeiteten Busse und Bahnen schon ohne das 9-Euro-Angebot an den Grenzen ihrer Kapazität, sagte Hommel. Er verwies auf Erfahrungen beim 1995 eingeführten Wochenend-Ticket der Deutschen Bahn, das damals zu einem sehr starken Andrang der Kunden geführt hatte, die auch längere Reisen mit den Nahverkehrstickets absolvierten. Einen ersten Tiefpunkt erwarte er schon zum Pfingstwochenende (4.-6. Juni), sagte der EVG-Chef.

Bis hin zum Stillstand des Systems

"Die Züge von Dresden nach Bad Schandau sind schon jetzt jedes Wochenende überfüllt." Weitere Hotspots seien die Rhein-Schiene sowie die Strecken Hamburg-Westerland und Mannheim-Bodensee.

"Wir fürchten eine Überlastung des Systems bis hin zum Stillstand." Nach EVG-Einschätzung könnten die Bahnhöfe in Nürnberg und Ulm schnell an ihre Grenzen kommen. Ein besonderes Problem sei der Fahrrad-Transport, für den es keine ausreichende Infrastruktur gebe.

Mehr Personal benötigt

Das Bahnpersonal sei grundsätzlich hoch motiviert, die Kunden zu betreuen, so der Gewerkschafter. Es sei aber jetzt schon klar, dass zusätzliches Personal in den Zügen und an den Bahnsteigen benötigt werde. Die Unternehmen müssten sich schnell um Leiharbeiter bemühen und dem eigenen Personal in der Sommer- und Urlaubszeit Anreize setzen.

Dafür seien ausreichende und schnell gezahlte Finanzmittel notwendig. Es bestehe auch die Gefahr, dass sich bei Problemen der Unmut der Fahrgäste gegen das Personal richte.

Kleinstaaterei im Nahverkehr

"Das Vorhaben der Ampel-Koalition will Gutes erreichen, dabei wurden aber die Konsequenzen nicht bedacht", meinte der Gewerkschaftschef. Er verlangte eine offene Kommunikation zu den anstehenden Problemen ebenso wie nachhaltige Investitionen in das Verkehrssystem. Für ein besseres Angebot und eine ökologische Verkehrswende müsse die Kleinstaaterei im Nahverkehr aufhören.

Die Deutsche Bahn AG wollte sich zu Details der Planungen nicht äußern und verwies auf das noch laufende Gesetzgebungsverfahren. (dpa/jk)