Deutschland

Berlin: Mobilitätsgeld statt Tankrabatt? – Österreich mit neuen Milliardenentlastungen

Infolge des Ukraine-Krieges ist Tanken und Heizen drastisch teurer geworden. Die Koalition will das abmildern. Habeck nennt mehr Energiesparen als Bedingung für Entlastungspaket.
20.03.2022

Die Koalition in Berlin will die Folgen der massiv gestiegenen Preise fürs Tanken und Heizen weiter abmildern. Im Nachbarland Österreich will die Regierung mit neuen Maßnahmen unter anderem Pendler, Landwirte und Handwerksbetriebe entlasten.

Im Ringen um zusätzliche Entlastungen für Millionen Bürger wegen drastisch gestiegener Energie- und Spritpreise kommen weitere Vorschläge auf den Tisch. In der Ampel-Koalition geht es dabei auch um gezieltere Instrumente als einen von Finanzminister Christian Lindner (FDP) angeregten pauschalen Tankrabatt.

«Wichtig ist, dass wir das Geld nicht mit der Gießkanne ausschütten, sondern diejenigen mit kleinen und mittleren Einkommen gezielt entlasten, denn die sind jetzt am stärksten betroffen», sagte SPD-Chef Lars Klingbeil der «Bild am Sonntag». Die Gewerkschaften dringen stattdessen auf ein «Mobilitätsgeld» unabhängig vom Einkommen, das die Pendlerpauschale ersetzen könnte.

Koalition diskutiert über nach Einkommen gestaffeltem Mobilitätsgeld

Die Pauschale habe den Nachteil, dass Beschäftigte mit kleinem Einkommen, die wenig Einkommenssteuern zahlen, trotz gleich langem Arbeitsweg weniger entlastet würden als Gutverdiener, heißt es in einem Positionspapier des DGB. «Deshalb braucht es ein Mobilitätsgeld, das unabhängig vom Einkommen und Verkehrsmittel gewährt wird.»

In der Koalition wird laut «Bild am Sonntag» nach einem Vorstoß von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) darüber beraten. Im Gespräch sei ein nach Einkommen gestaffeltes Mobilitätsgeld, das mit dem Monatsgehalt überwiesen werden könne, schrieb die Zeitung.

Mögliches Modell: Bis 2000 Euro Einkommen könnte man 50 Euro bekommen, von 2001 bis 3000 Euro Gehalt 35 Euro, bei höherem Einkommen 20 Euro. Dies könnte den Staat eine Milliarde Euro je Monat kosten. Das Ministerium äußerte sich auf Anfrage nicht und verwies auf laufende Gespräche.

Habeck: "Auch den Energieverbrauch adressieren"

Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck sieht indes mehr Anstrengungen beim Energiesparen als Bedingung für ein Entlastungspaket der Ampel-Koalition angesichts der hohen Energiepreise. Der Grünen-Politiker nannte zum Beispiel Gasheizungen ein «Auslaufmodell».

Er sagte am Sonntag vor seinem Abflug aus Doha (Katar) nach Abu Dhabi (Vereinigte Arabische Emirate): «Es ist richtig, dass die Menschen in Deutschland wegen der hohen Energiepreise noch einmal entlastet werden.»

"Keine Einladung, noch mehr Energie zu verbrauchen"

Dies sollte möglichst zielgenau erfolgen - so dass diejenigen, die wirklich in Not seien - Privathaushalte wie Firmen -, besonders angesprochen werden. «Es sollte dabei die Bedingung sein, dass bei Preisentlastungen das Marktsignal erhalten bleibt, dass also nicht noch eine Einladung damit verbunden ist, noch mehr Energie zu verbrauchen.»

Man dürfe nicht den politischen Fehler machen, einerseits angesichts der hohen Energiepreise den Verbrauch zu entlasten, den Verbrauch aber nicht «zu adressieren».

FDP: "Tankrabatt ist nicht vom Tisch"

Die FDP schreibt den Vorschlag ihres Finanzministers indes nicht ab. Fraktionschef Christian Dürr sagte der «Bild»-Zeitung (Montag): «Der Tankrabatt ist keinesfalls vom Tisch.» In der kommenden Woche werde weiter über Entlastungen beraten. «Alle Modelle sind weiterhin im Spiel.»

Klingbeil stellte eine baldige Einigung in der Koalition über weitere Entlastungen in Aussicht, nachdem bereits ein erstes Paket von 13 Milliarden Euro auf den Weg gebracht worden sei.

Merz macht sich für Steuersenkungen stark

CDU-Chef Friedrich Merz forderte, statt eines Tankrabatts bei den Steuern anzusetzen. «Die Energiesteuer senken und die Umsatzsteuer auf Diesel und Benzin von 19 auf 7 Prozent. Das wäre eine unbürokratische, schnelle und gute Hilfe für alle», sagte er dem «Tagesspiegel» (Sonntag).

Merz warnte vor «Mitnahmeeffekten» für die Ölkonzerne und Raffinerien, wenn der Staat pauschal einen Betrag je Liter erstatte. Kartellbehörden untersuchten ja schon, ob Preise bewusst so hoch seien, obwohl der Ölpreis zuletzt gesunken sei.

Baden-Württembergs Minister Hermann: "ÖPNV nicht vergessen"

Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann warb für ein sozial gestaffeltes Mobilitätsgeld. Allerdings sollte es nicht nur für Berufstätige sein, es gebe auch andere Bedürftige, sagte der Grünen-Politiker der dpa.

Der Bund dürfe auch den öffentlichen Nahverkehr nicht vergessen, der die günstige Mobilitätsalternative für alle sei und dringend Unterstützung brauche. Corona-Ausfälle und steigende Spritkosten trieben kleine Anbieter in den Ruin und große in Ticketpreissteigerungen. «Beides wäre fatal», warnte Hermann.

Österreich kündigt neuerliche Milliardenentlastungen an

Das Nachbarland Österreich  will unterdessen Haushalte und Firmen bei den hohen Energiekosten mit weiteren gut zwei Milliarden Euro entlasten. Unter anderem sollen Pendler, Landwirte und Handwerksbetriebe mit Freibeträgen, Abzügen bei der Steuer oder Rückerstattungen entlastet werden, wie Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) und Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) am Sonntag bekanntgaben.

Auch soll der öffentliche Verkehr billiger werden. Zudem werden Energieabgaben auf Erdgas und Strom gesenkt. Die meisten Bestimmungen sollen zunächst bis 30. Juni 2023 gelten.

Wien: Hilfspakete summieren sich auf mittlerweile rund vier Mrd. Euro

Außerdem plant die Regierung, den Ausbau von Windkraft und Photovoltaik-Projekten zu fördern. Es ist bereits das zweite Paket, das die Regierung in Wien auflegt. Das erste umfasste 1,7 Milliarden Euro. Zusammen kommen nach Regierungsangaben beide Pakete auf rund vier Milliarden Euro. Die Entlastung sei damit zehn Mal größer als in Deutschland. Österreich hat knapp neun Millionen Einwohner. (dpa/hoe)