Deutschland

"EEG-Umlage nur ein Kostenblock der Energiewende"

VKU-Hauptgeschäftsführerin Katherina Reiche fordert bessere Rahmenbedingungen für den Ausbau intelligenter Stromverteilnetze. Netzentgelte müssten künftig viel stärker an der Kostenstruktur der Netze ausgerichtet werden.
15.10.2018

VKU-Hauptgeschäftsführerin Katherina Reiche.

Die Resonanz der Energiewirtschaft auf das neuerliche Absinken der EEG-Umlage im kommenden Jahr fällt grundsätzlich positiv aus. Dennoch wird auch viel Kritik laut, insbesondere an den gestiegenen Netzentgelten. Von einer "guten Nachricht für die Energiewende" sprach Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. Dies zeige, dass die Reformen der letzten Jahre greifen. Auch VKU-Hauptgeschäftsführerin Katherina Reiche sprach von einer erfreulichen Entwicklung. Dank der Ausschreibungen für EEG-Projekte habe sich die Umlage – wenn auch auf hohem Niveau – stabilisiert.

VKU: Blick auf kommunale Stromnetze richten

Die EEG-Umlage bilde aber nur einen Kostenblock der Energiewende ab. Beim Ökostrom-Ausbau dürfe man nicht den Um- und Ausbau der kommunalen Stromnetze vergessen. "Was nützt ein Windrad, wenn es kein Netz gibt, das seinen Strom zum Kunden bringt?", so Reiche. Die Kosten dafür hätten sich in den letzten Jahren vor allem in einer Steigerung der Netzentgelte durch die Übertragungsnetzbetreiber bemerkbar gemacht.

Weil der Ausbau der Stromautobahnen in Deutschland nur schleppend vorankomme, sollte der Blick auf die Stromverteilnetze gerichtet werden. Diese könnten mit dem Einsatz von Informationstechnologien die "verstopften Stromautobahnen" bereits heute entlasten. Intelligente Verteilnetze könnten künftig einen steigenden Anteil des erneuerbaren Stroms in größeren Regionen bereits vor Ort verteilen oder dezentral, beispielsweise in Wärmenetzen, speichern. Folglich müssten die Maßnahmen von Verteilnetzbetreibern, um ihre Netze optimal auszulasten und die Übertragungsnetze zu entlasten, in der politischen Diskussion stärker in den Mittelpunkt treten sowie rechtlich und regulatorisch anerkannt werden.

Reiche: "Netzkosten weitestgehend von Dimensionierung abhängig"

"Jeder Stromnetzbetreiber ist für die Steuerung seiner Netzebene verantwortlich und leistet seinen Beitrag zur Netzstabilität und Versorgungssicherheit", bekräftigte die VKU-Hauptgeschäftsführerin. Mit Blick auf die Netzentgelte fordert der VKU, diese viel stärker an der eigentlichen Kostenstruktur der Netze auszurichten. Netzkosten seien weitestgehend nicht von der durchgeleiteten Energiemenge abhängig, sondern vor allem von der zu Grunde liegenden Dimensionierung. "Netzentgelte sollten deshalb künftig weitestgehend unabhängig von der entnommenen Energiemenge gebildet werden", stellte Reiche klar.

ASEW: Stadtwerke sollten jetzt intensiv mit Kunden kommunizieren

Laut der Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserversorgung (ASEW) wird die Senkung der EEG-Umlage durch die deutliche Anhebung der Offshore-Netzumlage vollständig ausgeglichen. Zwar sei auch bei der Bekanntgabe der restlichen Umlagen im Laufe dieser Woche mit weiteren Senkungen zu rechnen. Dies werde aber keine auf breiter Front sinkenden Strompreise bedeuten.

Während für dieses Jahr sinkende Netzentgelte und deutlich günstigere Großhandelspreise für Energie zu verzeichnen waren, zeige sich im kommenden Jahr ein deutliches anderes Bild. Sowohl die Beschaffungskosten als auch die Netzentgelte zeigten nach oben. Damit werde der Spielraum für niedrigere oder zumindestens stabil bleibende Strompreis geringer. "Die erneut gesunkene EEG-Umlage könnte zur Erwartungshaltung führen, dass die Strompreise entsprechend sinken", sagt ASEW-Geschäftsführerin Daniela Wallikewitz. Deshalb sollten Stadtwerkekunden bereits jetzt über möglicherweise bevorstehende Preisanpassungen informiert werden.

BDEW: "Stromkunde wird nicht entlastet"

Auch der Verband BDEW begrüßt die neuerliche Senkung der EEG-Umlage. Davon werde aber dennoch leider nicht der Stromkunde profitieren. "Nicht die EEG-Umlage ist in diesem Jahr der Preistreiber, sondern die deutlich gestiegenen Kosten für die Beschaffung von Strom", so BDEW-Hauptgeschäftsführer Stefan Kapferer. Auch bliebe die Steuer- und Abgabenlast auf einem historisch hohen Niveau, "Profiteur der Strompreisentwicklung der letzten zehn Jahre ist der Bundesfinanzminister". Um die Verbraucher zu entlasten, fordert der Verband, die Stromsteuer auf das europarechtliche Minimum zu senken sowie die besondere Ausgleichsregelung für die Industrie bei der EEG-Umlage über Steuern zu finanzieren.

BDI: "Kein Entwarnung beim Strompreis"

"Keine Entwarnung beim Strompreis", heißt es auch beim Bundesverband der Deutschen Industrie. Zwar habe die Einführung von Auktionen die Kosten gedämpft, die EEG-Umlage sei aber immer noch höher als der Börsenstrompreis und müsse von 96 Prozent der Industrieunternehmen in voller Höhe bezahlt werden. Zudem sinke derzeit mit der EEG-Umlage nur ein Kostenblock leicht, dafür stiegen seit einiger Zeit die Netzkosten sehr deutlich. "Damit ist den Stromkunden nicht geholfen. Die Politik muss stabile, wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen für alle Kostenbestandteile schaffen", fordert der BDI.

BEE: "CO2-Preis zeigt erstmals Wirkung"

Für den Bundesverband Neue Energiewirtschaft ist die Reduktion der EEG-Umlage auch das Ergebnis höherer Preise für Emissionszertifikate im Europäischen Emissionshandel. Das aktuelle CO2-Preissignal aus dem Strommarkt sollte Ansporn sein, die Klimaschädlichkeit fossiler Energieträger auch in die Sektoren Verkehr und Wärme einzupreisen. Ähnlich ist der Tenor beim Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE). "Der CO2-Preis im Europäischen Emissionshandel beginnt erstmalig Wirkung zu entfalten", kommentiert BEE-Geschäftsführer Peter Röttgen.

Neben gestiegenen Kosten für fossile Energieträger trage dies zur Verbesserung der Marktposition für erneuerbare Energien bei. "Die Zeit, in der die EEG-Umlage als Argument gegen die Energiewende genutzt wurde, ist jedenfalls vorbei", so Röttgen. Auch der VDMA begrüßt, dass die CO2-Preise langsam eine Marktwirkung entfalten. Die Debatte um eine Bepreisung auch außerhalb des Emissionshandels sollte nun ernst und zügig geführt werden. Denn die Zeit dränge, wie der Rückstand bei den nationalen und weltweiten Klimaschutzzielen zeige.

Lichtblick fordert Zusammenschluss lokaler Netzbetreiber

Laut dem Ökostromanbieter Lichtblick zahlen die deutschen Verbraucher mittlerweile deutlich mehr für Netzkosten als für die EEG-Umlage. 2019 würden die Haushaltskosten für das Stromnetz auf durchschnittlich acht Cent pro kWh steigen. Grund dafür seien steigende Netzentgelte sowie die neue Offshore-Netzumlage, mit der Stromleitungen für Meeres-Windparks finanziert würden. Laut Berechnungen von Lichtblick zahlen Stromkunden jährlich mindestens 25 Mrd. Euro für Bau und Betrieb der Stromleitungen.

Die Verbraucher könnten durch geringere Garantierenditen für Netzbetreiber und einen Zusammenschluss der über 800 lokalen Betreiber in 25 regionale Netzcluster um Milliardenbeträge entlastet werden. Besonders stark steigen laut einer Lichtblick-Analyse in diesem Jahr die Netzentgelte beispielsweise in Bremen (plus 25 Prozent), Paderborn (plus 20 Prozent), Hamburg (plus 13 Prozent) und Dortmund (plus 11 Prozent). Im Durchschnitt erhöhten sich die Netzentgelte um zwei Prozent. Kritik gibt es auch an der Offshore-Netzumlage: "Mit der Auslagerung von Netzkosten in eine eigene Umlage werden die Verbraucher getäuscht", heißt es. Ohne diesen "Taschenspielertrick" wären die Netzentgelte noch stärker gestiegen. (hoe)