Deutschland

Grünes Licht für Kohlekommission: "Historischer Auftrag"

Was lange währt, wird gut: Am Mittwoch hat das Bundeskabinett nun endlich die Besetzung der so genannten Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung (WSB)“ beschlossen. Das Gremium hat einen sehr engen Zeitplan vorgegeben bekommen.
06.06.2018

Das Bundeskanzleramt in Berlin. Am Pfingstwochenende riefen dort Aktivisten bei einem Camp den "zivilen Klimanotstand" aus.

Die Kommission zur Planung des Kohleausstiegs soll sich nach dem Willen der Bundesregierung gleichwertig um Klimaschutz und die Schaffung neuer Arbeitsplätze in den Kohleregionen kümmern. «Wir bringen die Arbeit zu den Menschen», sagte Wirtschafts- und Energieminister Peter Altmaier (CDU) am Mittwoch in Berlin, nachdem das Bundeskabinett das 31-köpfige Gremium eingesetzt hatte. Dabei stehe viel politische Glaubwürdigkeit auf dem Spiel. Deutschland müsse seine Klimaschutzziele einhalten. Aber die Menschen, deren Jobs an der Braunkohle hingen, bräuchten auch echte Perspektiven.

Die Bundesregierung müsse «Sicherheit im Wandel» schaffen, sagte auch Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). «Chancen und Schutz, das ist es, was wir brauchen.» Die Kohle werde «mit Sicherheit nicht kurzfristig ausgeknipst.» Umweltministerin Svenja Schulze sagte, die Kommission «Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung» habe einen «historischen Auftrag» und werde noch vor der Sommerpause mit der Arbeit beginnen.

Kritiker halten Zeitplan für unrealistisch

Dem Einsetzungsbeschluss zufolge soll die Kommission bis Ende Oktober Vorschläge zum Strukturwandel in den Kohleregionen vorlegen. Bis zur Weltklimakonferenz Anfang Dezember sollen kurzfristige Klimaschutz-Maßnahmen vorliegen, ein Ausstiegspfad samt Enddatum für die Kohlestrom-Produktion bis zum Ende des Jahres. Kritiker halten den Zeitplan für unrealistisch. In Ostdeutschland und Nordrhein-Westfalen hängen Tausende Jobs an der Braunkohle.

Der frühere brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und Mitglied im Vorstand der Kommission mahnte, man dürfe sich nicht unter Zeitdruck setzen lassen. Entscheidungen über den Strukturwandel in den Braunkohleregionen dürften nicht übers Knie gebrochen werden, sagte er am Mittwoch im RBB-Inforadio. Für einen erfolgreichen Kohleausstieg müsse ein ganzes Bündel an Maßnahmen greifen. Diese müssten langfristig planbar, vernünftig organisierbar und glaubwürdig sein. Vor allem gehe es um gut bezahlte Arbeitsplätze. 30 Jahre für den Strukturwandel sei «ein Zeitrahmen, mit dem man arbeiten kann».

VKU wird seine Expertise einbringen

Die Hauptgeschäftsführerin des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), Katherina Reiche, sagt zur Besetzung der Kommission: „Der VKU wird seine energiewirtschaftliche und regionale Expertise in ganzer Bandbreite in die Arbeit der Kommission einbringen. Die Aufgaben lassen sich nur mit starken Akteuren der Energiewirtschaft umsetzen, die die Regionen und Strukturen kennen und sich für die Beschäftigen verantwortlich fühlen und Perspektiven eröffnen."

Sie betonte, dass insbesondere muss die Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit am Wirtschaftsstandort Deutschland weiterhin auf höchstem Niveau gewährleistet sein muss. Hierzu leisten bereits dezentrale Erzeugungsanlagen mit klimafreundlicher Kraft-Wärme-Kopplung und den entsprechenden Infrastrukturen einen wesentlichen Beitrag.

Bessere Rahmenbedingungen für Gaskraftwerke

Stefan Kapferer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW):  "Für uns ist entscheidend, dass neben den Themen Klimaschutz und regionale Strukturpolitik auch die Auswirkungen auf die gesicherte Versorgung und die Bezahlbarkeit von Strom mit behandelt werden." Damit nach dem Abschalten der letzten Kernkraftwerke ab 2023 weiterhin Kohlestrom reduziert werden könne, müssen jetzt die Voraussetzungen geschaffen werden für bessere Rahmenbedingungen für den Bau und Betrieb von Gaskraftwerken, Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen, Speichern und anderen Flexibilitätsoptionen.

Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90 / Die Grünen kommentierte die Einsetzung der Kommission nicht per Pressemitteilung, die Spitzen Anton Hofreiter und Annalena Baerbock nahmen aber an der Protestkundgebung vor dem Bundeskanzleramt für einen schnellen Kohleausstieg teil. Heide Schinowsky, bündnisgrüne Landtagsabgeordnete aus der Lausitz, sagte: "Die Kohlekommission muss nach dem unwürdigen Gezerre um Auftrag und Besetzung nun zügig die Arbeit aufnehmen. Ob sie tatsächlich bis Ende des Jahres tragfähige Vorschläge vorlegen kann, ist schon jetzt mehr als fraglich."

Linke: "zahnloser, undemokratischer Regierungsdebattierclub"

Klare Worte fand die Linke: „Die Besetzung des Gremiums ohne Opposition und mit zu vielen Pro-Kohle-Verfechtern, viel zu viele beteiligte Ministerien, ihr überfrachteter Arbeitsauftrag, der nicht einhaltbare Zeitplan, das schwache Mandat und deutlich zu wenige Ostdeutsche in der Kommission – all das macht die Kohlekommission zu einem zahnlosen, undemokratischen Regierungsdebattierclub“, kommentiert Lorenz Gösta Beutin, energie- und klimapolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion.

Die Bergbau-Gewerkschaft IG BCE fordert vor dem Start der Kommission zum Ausstieg aus der Kohle massive Investitionen in neue Industriejobs in den betroffenen Regionen. «Die Braunkohle-Kumpel wissen, dass die Kohle irgendwann ausläuft. Aber wir müssen die Voraussetzungen schaffen, dass in den Revieren investiert wird - und zwar nicht in irgendwelche Nagelstudios oder Import-Export-Geschäfte, sondern in gute Industriearbeit», sagte der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), Michael Vassiliadis, der Deutschen Presse-Agentur. «Wir brauchen große Ansiedlungen von Unternehmen.» Die Flächen dafür seien ausreichend vorhanden.

BEE erwartet Kohleausstiegsplan

Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) fordert Konsequenz ein: "Von der heute eingesetzten Kohlekommission erwarten wir einen Kohleausstiegsplan, der dem Klimaziel für 2020 ebenso Rechnung trägt wie den Zielen für 2030 und des Paris-Klimaabkommens 2050“, erklärte BEE-Präsidentin Simone Peter. (dpa/al)