Deutschland

Koalition strebt Einigung auf schnelleren Ökostrom-Ausbau an

Bis Ende Oktober soll geklärt werden, wie schnell die Sonderausschreibungen für Wind onshore und Photovoltaik von je vier GW kommen werden. Dies war das Ergebnis einer sechsstündigen Nachtsitzung der Regierungskoalition.
02.10.2018

Andrea Nahles, SPD-Vorsitzende und Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion

Nach langem Streit strebt die Große Koalition eine baldige Einigung über einen schnelleren Ökostrom-Ausbau an. Bis Ende Oktober solle es eine Verständigung über Sonderausschreibungen für erneuerbare Energien geben, sagte SPD-Chefin Andrea Nahles am frühen Dienstagmorgen nach knapp sechsstündigen Beratungen in Berlin. Die Koalition habe sich vorgenommen, den Anteil der erneuerbaren Energien auf 65 Prozent auszubauen. Dies sei ein «ambitioniertes Ziel». Im Koalitionsvertrag hatten sich Union und SPD darauf verständigt, den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2030 auf 65 Prozent zu steigern. Derzeit liegt er bei 36 Prozent.

Sonderausschreibungen sollten rasch kommen

In einem Eckpunktepapier heißt es, Sonderausschreibungen für Wind an Land und Photovoltaik sollten rasch realisiert werden, um einen Beitrag zur Schließung der Klimalücke bis 2020 zu erzielen. Dieses nationale Klimaschutzziel - die Senkung der Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 - gilt als kaum noch zu erreichen.

Es sollten je vier Gigawatt Onshore-Windenergie und Photovoltaik sowie ein Offshore-Windenergiebeitrag zugebaut werden, je zur Hälfte wirksam in den Jahren 2019 und 2020. Dabei solle auf eine bessere «Netzsynchronisation» geachtet werden. «Wir werden die Akzeptanz von Windkraftanlagen an Land steigern.» Der schnellere Ausbau von je vier Gigawatt Wind- und Solarstrom war im Koalitionsvertrag an eine ausreichende Netzkapazität gekoppelt. Der Ausbau der Stromnetze aber stockt. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte angekündigt, den Netzausbau zu beschleunigen.

VKU begrüßt Eingung: "Damit helfen wir auch Anlagenherstellern"

"Besser spät als nie: Es ist gut, wenn die bereits im Koalitionsvertrag vereinbarten Sonderausschreibungen für erneuerbare Energien nun endlich kommen", kommentiert das Verband kommunaler Unternehmen (VKU) das Ergebnis. Um das (im Koalitionsvertrag) vereinbarte Ziel von 65 Prozent erneuerbarer Energien bis 2030 zu erreichen, benötige das Land neben dem kontinuierlichen Ausbau gerade in den kommenden Jahren erhebliche Anstrengungen beim Zubau von Wind onshore. "Damit helfen wir auch Anlagenherstellern, die dafür notwendigen Produktionskapazitäten erhalten zu können", betont der Verband ausdrücklich.

Der VKU weist darauf hin, dass beim Ökostrom-Ausbau der Um- und Ausbau der Stromnetze nicht vergessen werde. Damit die Energiewende nicht in einer buchstäblichen Disharmonie ende, benötige das Land eine entsprechende Orchestrierung der Stromnetze. "Wir brauchen ein geregeltes Zusammenspiel über alle Netzebenen hinweg, damit der Klang stimmt", betont der Verband. Schon heute nehmen die Stromverteilnetze die wichtigste Rolle ein. Sie nehmen mehr als 90 Prozent des Stroms aus Erneuerbare-Energien-Anlagen auf.

Nötig sei eine intelligente Infrastruktur, mit der man idealerweise schon vor Ort Stromerzeugung und -verbrauch optimal aufeinander abstimme. "Die erneuerbaren Energien geben zukünftig den Takt vor, der Rhythmus der Energiewende wird in den Verteilnetzen gespielt. Ein gut eingespieltes Orchester zeichnet gerade aus, dass jedes Instrument seine Melodie in diesem Takt hält und  daraus ein harmonisches Konzert entsteht – vier Solisten allein reichen dafür nicht."

Lies: Lage in der Branche ist besorgniserregend

Niedersachsens Energieminister Olaf Lies (SPD) zeigt sich ebenfalls zufrieden: „Es ist gut, dass sich der Bund nun in dieser Sache bewegt und die im Koalitionsvertrag vereinbarten Sonderausschreibungen auf den Weg bringt.“ Zum Erreichen der Klimaziele und zum Erhalt vieler Tausender Arbeitsplätze in diesem Bereich seien die jetzt angekündigten Sonderausschreibungen überfällig. Schließlich seien die Entwicklungen in der Branche, der Stellenabbau, die Verlagerung von Aktivitäten ins Ausland besorgniserregend.

Gerade in Niedersachsen, im Windenergieland Nr.1, seien viele Arbeitsplätze in der Zukunftsbranche gefährdet. „Wir aber wollen, dass beim Windenergieausbau keine Flaute entsteht. Daher hoffe ich doch schwer, dass nun auf Bundesebene auch umgehend die angekündigte Korrektur der Ausbaupfade im EEG konstruktiv angegangen wird", so Lies.

Linnemann fordert Nachbesserungen ein

Unions-Fraktionsvize Carsten Linnemann hat Nachbesserungen eingefordert. «Die Windkraft an Land ist in einer Akzeptanzkrise», sagte Linnemann der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag in Berlin. Eine erste Sofortmaßnahme müsse sein, dass Schluss ist mit der nächtlichen Dauerbeleuchtung der Windanlagen.» Licht sei nur nötig, wenn sich ein Flugzeug nähere. Die entsprechende Radartechnik sei verfügbar, sagte der CDU-Politiker. «Jetzt muss sie schnellstmöglich sowohl bei Bestandsanlagen als auch bei Neuanlagen verpflichtend zum Einsatz kommen.» (dpa/al)