Deutschland

Modernisierung des Staates: Vom Digitalisierungsmuffel zum Innovationstreiber?

In der Reihe ZfK im Gespräch diskutierten Marco Buschmann, Michael Ebling, Patrick Hennig und Janina Mütze über Corona als Brennglas, Für und Wider eines Digitalministeriums und die Innovationskraft der Kommunen.
09.07.2021

Kontroverse Debatte: Luca-CEO Patrick Hennig, ZfK-Chefredakteur Klaus Hinkel, FDP-Politiker Marco Buschmann, Civey-Chefin Janina Mütze, OB und VKU-Präsident Michael Ebling (v. oben links n. unten rechts)

Die Corona-Krise hat in vielen Bereichen zu einem enormen Innovationsschub geführt. Zugleich hat die Pandemie aber auch wie unter einem Brennglas deutlich gemacht, wo Deutschland längst nicht so gut aufgestellt ist, wie viele dachten. Welche Lehren ziehen wir daraus? Wo muss Deutschland besser werden – auch um auf mögliche neue Krisen besser vorbereitet zu sein? Und welche Rolle spielt dabei der Föderalismus? Über diese und andere Fragen ging es in der neuen Reihe ZfK im Gespräch, die diesmal unter dem Titel „Modernisierung des Staates – auf welcher Ebene können die Probleme in Deutschland am besten gelöst werden? stand.

Für den FDP-Bundestagsabgeordneten Marco Buschmann, der zugleich 1. Parlamentarischer Geschäftsführer seiner Fraktion ist, steht fest: Am digitalen Staat führt kein Weg vorbei. Spätestens während der Pandemie hätten die Bürger gemerkt, dass es problemlos möglich ist, in wenigen Minuten ein Konto bei einem Streamingdienst zu eröffnen, um Filme zu schauen. Diese Erwartung hätten sie auch an die öffentliche Verwaltung. Deutschland habe zu lange den Fehler gemacht, Digitalisierung als „Beschaffungsprozess“ zu denken. Es gehe aber im Kern nicht darum, digitale Endgeräte etwa für die Schulen zu kaufen. „Wir müssen sämtliche Verwaltungsprozesse abklopfen und da, wo nötig, im Sinne der Bürger komplett neu aufsetzen“, betonte Buschmann. Dabei gehe es ausdrücklich nicht um Rationalisierung, sondern um Akzeptanz.

Ebling: Deutschland noch nicht auf der Überholspur

Michael Ebling, der Oberbürgermeister von Mainz und Präsident des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), räumte in der Debatte freimütig ein, dass Deutschland bei der Digitalisierung nicht auf der Überholspur sei. „Die Verwaltung ist da sicherlich nicht der Vorantreiber“, so der SPD-Politiker. Insbesondere die durch Corona in den Fokus geratene Situation an den Schulen sei kein Ruhmesblatt – für alle föderalen Ebenen. „Die Digitalisierung der Verwaltung erfordert einen Kulturwandel“, sagte Ebling. Es werde Jahre dauern, dieses neue Denken in die Köpfe zu bekommen. Man habe es hier mit einem regelrechten Umbruch und Transformationsprozess zu tun, der die Mitarbeiter in den Verwaltungen vor große Herausforderungen stelle.

Damit sprach der Verwaltungschef Patrick Hennig, dem CEO der Luca-App, aus dem Herzen. In der engen Zusammenarbeit mit Gesundheitsämtern in ganz Deutschland habe er gemerkt, wie herausfordernd es ist, altbewährte Verwaltungsabläufe komplett digital abzubilden. „Im Alleingang funktioniert so etwas nicht, dafür braucht es eine kooperative Herangehensweise“, gab er zu bedenken.

Kommt ein Digitalisierungsministerium?

Für einen „kooperativen Modernisierungsstil“ machte sich auch Buschmann stark. Der Liberale wünscht sich ein Digitalisierungsministerium, das Probleme identifizieren und Türen aufstoßen könne. Aufgabe eines solchen Ministeriums sei es ausdrücklich nicht, Befehle von oben nach unten durchzureichen, sondern als Moderatorin oder Fürsprecherin für Digitalisierungsthemen im Bundeskabinett aufzutreten.

Ein Ansatz, der bei Michael Ebling die Alarmglocken schrillen ließ. „Ich will als Kommunaler nicht von oben gesagt bekommen, was ich zu machen habe.“ Höhere föderale Ebenen wüssten nicht per se besser als die Kommunen, wie man Prozesse aufsetzen müsse. „Es wäre ein fataler Fehler, die Innovationsfähigkeit, die es auf kommunaler Ebene gibt, einfach abzuschneiden“, warnte der Oberbürgermeister. Gerade beim Thema Digitalisierung müsse es auch kein Nachteil sein, wenn Dinge im Norden der Republik anders funktionierten als im Süden. Dafür gebe es in der Regel gute Gründe.

Früh übt sich

Janina Mütze, die Gründerin und Geschäftsführerin von Civey, äußerte in der von ZfK-Chefredakteur Klaus Hinkel moderierten Runde die Sorge, dass Menschen mit dem Umbruch nicht mithalten und sich abgehängt fühlen könnten. „Technologiekompetenz gehört in die Lehrpläne an den Schulen“, forderte sie – auch um frühzeitig für dringend benötigten Fachkräfte-Nachwuchs zu sorgen.

Nach dem sucht auch Michael Ebling händeringend. Die öffentlichen Verwaltungen hätten trotz der Sicherheit und Familienfreundlichkeit des öffentlichen Dienstes große Probleme, gute Digitalisierungsexperten für sich zu gewinnen. Ein Umstand, der aus Sicht von Marco Buschmann für eine Änderung des Dienstrechts sprechen könnte. „Grundsätzlich glaube ich aber, dass es ITlern in erster Linie nicht um Sicherheit geht, sondern um Impact.“

Versorgungssicherheit jederzeit gegeben

Auf das Thema Daseinsvorsorge angesprochen, betonte Ebling, dass die Corona-Krise eindrucksvoll unter Beweis gestellt habe, wie gut und verlässlich die kommunalen Unternehmen funktionieren. „Wir hatten zu keinem Zeitpunkt ein Versorgungsproblem.“ Herausforderungen gebe es allerdings bei der flächendeckenden Versorgung mit schnellem Internet. „Es gibt immer noch viel zu viele weiße Flecken.“

Um diese zu schließen, brachte Marco Buschmann „Rückwärtsauktionen“ ins Gespräch, bei denen der Anbieter mit dem niedrigsten Preis den Zuschlag erhalte. „Privat vor Staat“ – auf diese schlichte Formel wollte sich der Liberale nicht einlassen. „Für mich ist das kein Gegensatz. Wir müssen das Beste aus beiden Welten zusammenführen, um erfolgreich zu sein.“

Hemmschuh Datenschutz

Patrick Hennig wiederum wünscht sich gerade mit Blick auf ausufernde Datenschutz-Debatten pragmatischere, agilere und ergebnisorientierte Ansätze. Es gebe in Deutschland ein hohes Misstrauen der Bürger in den Staat, bestätigte auch Janina Mütze. Viele hätten Angst um ihre Daten. Das könne Digitalisierungsprozesse empfindlich behindern.

Dem könne man am besten begegnen, wenn man auch mit Blick auf die Bürger klar mache, dass die Modernisierung der Verwaltung keine Belastung sei, sondern eine große Chance, erläuterte Marco Buschmann. Letzten Endes müsse es bei diesem Transformationsprozess auch darum gehen, „resiliente Städte“ zu schaffen, um für neue Krisen noch besser gewappnet zu sein, sagte Michael Ebling. Deutschland sei von der Corona-Pandemie zwar nicht „umgehauen“ worden, aber doch immer mal wieder in eine „Schieflage“ geraten. (amo)