Deutschland

Sigmar Gabriel räumt Fehler im Zusammenhang mit Nord Stream 2 ein

Die Bundesregierung hätte auf die Bedenken der Osteuropäer hören sollen, sagt der frühere Vize-Kanzler. Gabriel äußert Zweifel an der völligen Liberalisierung der Energiemärkte.
20.04.2022

Der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (l.) und der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) (Archivbild)

Der ehemalige Vize-Kanzler Sigmar Gabriel (SPD) sieht Fehler der früheren Bundesregierung im Zusammenhang mit der Gas-Pipeline Nord Stream 2. «Es war ein Fehler, bei den Einwänden gegenüber Nord Stream 2 nicht auf die Osteuropäer zu hören. Das war auch mein Fehler», sagte Gabriel der «Welt» (Online Dienstag/Print Mittwoch).

«Wir haben die Verantwortung für Energiesicherheit mit der Liberalisierung im Jahr 2002 in ganz Europa vom Staat an die privaten Energieunternehmen übertragen. Und die haben sich die preiswerteste Quelle gesucht: russisches Pipeline-Gas», sagte der frühere Wirtschafts- und Außenminister. Deshalb seien die Flüssiggas-Terminals unterausgelastet. «Der schnelle Ausbau erneuerbarer Energien steigerte die Bedeutung von Gas ja sogar noch. Da hätten wir 2014 beginnen müssen, die völlige Liberalisierung wieder infrage zu stellen und aus Gründen der nationalen Sicherheit unseren Gasbezug zu diversifizieren», so Gabriel.

Gabriel: Osteuropäer hatten recht

Allerdings hätte ein Stopp von Nord Stream 2 die Verhandlungen um einen Waffenstillstand 2014 sehr erschwert. Viele und nicht nur die Deutschen seien davon ausgegangen, mit engen Handels- und vor allem Rohstoff-Beziehungen Russland in eine stabile europäische Ordnung einbinden zu können. «Die Osteuropäer haben das immer als Illusion bezeichnet - und hatten recht», so der Sozialdemokrat.

Man dürfe dennoch nicht die SPD und ihre Entspannungspolitik zum alleinigen «Sündenbock» für die starke Energie-Abhängigkeit Deutschlands von russischem Erdgas machen. «Mal abgesehen davon, dass die totale Entstaatlichung der Energie-Versorgung eher ein liberal-konservatives Glaubensbekenntnis war, ist die Russland-Politik seit 2005 von einer Unions-Kanzlerin ebenso geführt worden, wie die Bundeswehr seit 2002 von Verteidigungsministern der Union ruiniert wurde», sagte Gabriel. (dpa/amo)