Deutschland

Verband: Übergewinnsteuer ist besser als Preisbremse

Eine Übergewinnsteuer für Erneuerbare wäre mit EU-Recht konform, wie ein vom BEE beauftragtes Gutachten zeigt. Die geplante Strompreisbremse nennt der Verband dagegen "überbürokratisch". Auch aus der Biogasbranche hagelt es Kritik.
02.11.2022

Die Erneuerbarenbranche ist mit der geplanten Preisbremse für Strom unzufrieden. (Symbolbild)

Ein vom Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) bei der Kanzlei Raue in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten kommt offenbar zu dem Ergebnis, dass eine Übergewinnsteuer für Erneuerbare Energien mit geltendem EU-Recht vereinbar wäre. "Eine Steuer ist die gerechtere und auch deutlich einfachere Lösung", sagt Simone Peter, Präsidentin des BEE. "Sie wäre auch das wesentlich effizientere Instrument zur kurzfristigen Beschaffung von Finanzmitteln als die bisher vorgesehenen hochkomplexen, überbürokratischen Planungen zur Strompreisbremse".

Der Erneuerbarenverband appelliert daher an den Gesetzgeber, den Empfehlungen des Gutachtens zu folgen und die Regelung zur Übergewinnabschöpfung effizient und verfassungskonform zu gestalten. "Was für Mineralölkonzerne auf EU-Ebene als Solidaritätsbeitrag vorgesehen ist, kann auch für Erneuerbare Energien umgesetzt werden", so Peter. "Sie wären dann nicht schlechter gestellt."

Gleichheitsgrundsatz verletzt

So kommt das Gutachten unter anderem zu dem Schluss, dass die EU-NotfallVO Erlöse als "realisierte Erträge" definiert. Damit wäre eine Begrenzung von Gewinnen in Form einer Steuer möglich.

Der angedachte "Treppenansatz" des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) jedoch sei dagegen mit erheblichen Problemen behaftet. "Die Unterscheidung zwischen Erneuerbarem und fossilem Sektor sowie zwischen verschiedenen Technologien beziehungsweise auch innerhalb derselben Technologien steht unter Umständen den Vorstellungen der Kommission sowie den Anforderungen des Beihilferechts entgegen", so Peter. "Er ist somit potenziell europarechtswidrig."

Rückwirkender Eingriff unzulässig

Die Kanzlei betont außerdem, dass laut einer Untersuchung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags ein rückwirkender Eingriff in die Erlöse verfassungsrechtlich unzulässig wäre. "Wenn es sich bestätigen sollte, dass eine rückwirkende Abschöpfung ab Frühjahr vom Tisch ist, wie gestern bekannt wurde, wäre eine erste wichtige Korrektur vorgenommen", fordert die BEE-Präsidenten.

Gemäß den Vorgaben des Grundgesetzes (GG) habe der Gesetzgeber außerdem kein "Steuererfindungsrecht", sondern müsse sich an den im GG vorgegebenen Steuerarten orientieren. Die Planungen zur Strompreisbremse würden nicht den darin enthaltenen Typen entsprechen. Die Einführung einer Steuer sei jedoch noch während des Veranlagungszeitraums möglich. Zudem könnte eine solche Steuer auch befristet für den Zeitraum vom 1. Dezember 2022 bis zum 30. Juni 2023 eingeführt werden.

Höhe der Obergrenze offen

Eine zeitlich begrenzte Steuer auf die Erlöse sei laut dem Verband daher zu bevorzugen. "Die Steuer ist effizienter, einfacher zu organisieren und vor allem mit der Verfassung vereinbar", erläutert Peter. "Das derzeitige Konzept des BMWK würde jedoch zu einer ganzen Lawine an Klagen führen und das Investitionsklima in Deutschland auf Jahre hin belasten."

Auch das Hauptstadtbüro Bioenergie ist mit den Vorschlägen der Bundesregierung unzufrieden. "Im Gegensatz zu den im Oktober bekannt gewordenen Überlegungen des BMWK wird die Höhe der Obergrenze, ab der ein Bioenergieanlagenbetreiber nahezu alle aus der Stromproduktion erzielten Erlöse abgeben muss, offengelassen", kommentiert Sandra Rostek, Leiterin des Hauptstadtbüros Bioenergie. "Eine rückwirkende Abschöpfung ist jedoch weiterhin vorgesehen, auch wenn deren Beginn von März auf September 2022 verschoben werden soll."

400 Mio. Euro Investitionen eingefroren

So hätten viele Anlagenbetreiber die gestiegenen Erlöse bereits reinvestiert beziehungsweise zur Deckung gestiegener Betriebs- und Einsatzstoffkosten ausgegeben. "Eine Rückwirkung wäre ein Vertrauensbruch erster Güte und würde die Investitionsbereitschaft der Bioenergiebranche für Jahre beeinträchtigen – die Energiewende würde noch weiter ins Stocken geraten", mahnt Rostek.

Bereits die Ankündigung einer rückwirkenden Abschöpfung habe nach einer Umfrage des Fachverband Biogas dazu geführt, dass allein in der Biogasbranche Aufträge mit einem Investitionsvolumen von rund 400 Mio. Euro eingefroren oder ganz storniert wurden. Für 2023 seien geplante Investitionen in Höhe von mindestens 500 Mio. Euro neu überdacht worden. (jk)