Recht & Regulierung

Neuregelungen für Fernabsatzverträge und digitale Produkte

Der Gesetzgeber hat die wahrscheinlich weitreichendste Reform des BGB-Schuldrechts seit 20 Jahren beschlossen. Damit werden EU-Richtlinien in deutsches Recht umgesetzt. Der Bereich der digitalen Produkte ist dabei sehr weit gefasst – von Smart-Home-Geräten bis zu smarten Mülltonnen.
08.09.2021

Die Versorger müssen jetzt prüfen, ob die entsprechenden Verträge mit den Verbrauchern – zum Beispiel über Smart-Home-Dienstleistungen – an die neuen Regelungen angepasst werden müssen.

Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) bildet bisher digitale Produkte nur unzureichend ab. Das stellt der VKU in seinen „Hinweisen zur Umsetzung und Anwendung der neuen Regeln im BGB über digitale Produkte und Verbraucherrechte“ fest. Um dies zu ändern, hat der deutsche Gesetzgeber (größtenteils zur Umsetzung von europäischen Richtlinien) die wahrscheinlich weitreichendste Reform des BGB-Schuldrechts seit 20 Jahren beschlossen.

Der Gesetzgeber hat dieses Reformvorhaben durch die folgenden drei Gesetze umgesetzt:

  • Das erste Gesetz  regelt überwiegend neue Pflichten für Betreiber von Online-Marktplätzen, betrifft aber auch Informationspflichten bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen. Die Regelungen dieses Gesetzes treten überwiegend am 28. Mai 2022 in Kraft.
  • Durch das zweite Gesetz wird die Richtlinie über digitale Inhalte und Dienstleistungen (Richtlinie (EU) 2019/770) in deutsches Recht umgesetzt. Erfasst vom Anwendungsbereich sind Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern über die Bereitstellung digitaler Produkte (Oberbegriff für digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen). Das Gesetz findet gleichermaßen auf digitale Produkte Anwendung, die durch Zahlung eines Preises vergütet werden, als auch auf solche, bei denen eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch den Unternehmer erfolgt. Des Weiteren betrifft das Gesetz sowohl Verträge mit einem einmaligen Leistungsaustausch als auch Dauerschuldverhältnisse. Umgesetzt werden die neuen Regelungen ganz hauptsächlich in den neuen §§ 327 ff. BGB. Die Regelungen dieses Gesetzes treten überwiegend am 1. Januar 2022 in Kraft.
  • Das dritte Gesetz dient der Umsetzung der Warenverkaufsrichtlinie (Richtlinie (EU) 2019/771). Dabei sollen die neuen Kaufvertragsregelungen (§§ 474 ff. BGB) insbesondere berücksichtigen, dass es angesichts der technologischen Entwicklungen immer mehr Kaufverträge über Sachen mit digitalen Elementen gibt und insoweit ein hohes Verbraucherschutzniveau und Rechtssicherheit zu gewährleisten sind. Die Regelungen dieses Gesetzes treten überwiegend am 1. Januar 2022 in Kraft.

Die Sonderregelungen für die Betreiber von Online-Marktplätzen werden wahrscheinlich für kommunale Unternehmen keine größere Bedeutung haben, da diese im Regelfall keine Online-Marktplätze betreiben. Die neuen Informationspflichten bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen müssen jedoch umgesetzt werden. Schließen Unternehmen mit Verbrauchern Verträge über digitale Produkte ab, so müssen die neuen Regelungen umgesetzt werden.

Insbesondere muss geprüft werden, ob die entsprechenden Verträge mit den Verbrauchern an die neuen Regelungen angepasst werden müssen. Dabei ist zu beachten, dass der Begriff der digitalen Produkte äußerst weit verstanden wird. Ob Apps, Smart-Devices (z.B. Smart-Home-Geräte, Smart-Watches, Smart-TV) oder Software-as-a-Service (z.B. in Form einer gemeinsamen Dateibearbeitung) – all dies sind nach Vorstellung des Gesetzgebers digitale Produkte. Auch „smarte Mülltonnen“ oder sonstige Produkte mit Sensortechnik fallen potenziell unter diesen Begriff. (hp)