Recht & Regulierung

Rechtsgutachten zu Fällmitteln

Derzeit sind einige Betriebsmittel für Kläranlagen kaum oder nur zu sehr hohen Preisen erhältlich. Wie ist die rechtliche Situation zu bewerten, wenn es deswegen zu Überschreitungen von Höchstwerten kommt? Das hat das Umweltbundesamt untersuchen lassen.
13.01.2023

Die Behörden können die strengen Anforderungen für die Abwassereinleitungen aus Kläranlagen reduzieren oder aufheben.

Betriebsmitteln für die Abwasserbehandlung entstanden. Insbesondere bei Eisensalzen als Fällmittel für die Phosphor-Elimination in Kläranlagen ist zu erwarten, dass sie bald nur noch zu einem sehr hohen Preis oder auch überhaupt nicht mehr zur Verfügung stehen.

Infolgedessen kann nicht ausgeschlossen werden, dass insbesondere die in der Abwasserverordnung festgelegten Grenzwerte für Phosphor und die Überwachungswerte nach dem Abwasserabgabengesetz teilweise erheblich überschritten werden. Ein Rechtsgutachten von Prof. Michael Reinhardt vom Institut für Deutsches und Europäisches Wasserwirtschaftsrecht hat im Auftrag des Umweltbundesamtes untersucht, wie diese Situation unter ordnungs- und abgabenrechtlichen Gesichtspunkten einzuschätzen ist und welche Handlungsoptionen die Regelungen den Behörden und den Betreibern eröffnen.

Im Einzelfall erlaubt

Die Überschreitung normativ verbindlicher Emissionsgrenzwerte auf Grund kriegsbedingter Verknappung von Betriebsmitteln ist im einzelnen Fall unter den Voraussetzungen der wasserrechtlichen Notstandsklausel des § 8 Abs. 2 WHG gerechtfertigt, heißt es im Fazit. Das setzt voraus, dass der Abwassereinleiter nachweislich alle ihm möglichen und zumutbaren organisatorischen und technischen Maßnahmen ergriffen hat, um die rechtlich maßgeblichen Werte einzuhalten.

Setzt der Erlaubnisbescheid zulässigerweise strenge Anforderungen an die Abwassereinleitung fest, kann deren Missachtung ebenfalls über § 8 Abs. 2 WHG zulässig sein. Zudem können die Behörden diese gesetzlich überobligatorischen Anordnungen auch eigenständig ganz oder teilweise, dauerhaft oder befristet aufheben und die Verpflichtung des Adressaten auf das normativ vorgeschriebene Maß zurückführen.

Abwasserabgabe bleibt unverändert

Die behördliche Durchsetzung des geltenden Wasserrechts auf ordnungsrechtlichem Weg ist durch das Opportunitätsprinzip gekennzeichnet. Die Behörden können daher nach pflichtgemäßem Ermessen auch auf ein Einschreiten im einzelnen Fall verzichten. Eine übergeordnete Steuerung durch ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften (sog. Erlasse) ist zulässig.

Bei ordnungsrechtlich angeordneter Zuteilung regional unterschiedlich zu Verfügung stehender Betriebsmittel wird im Fall hieraus unmittelbar folgender Überschreitung der Überwachungswerte keine erhöhte Abwasserabgabe fällig. Zum Gutachten geht es hier. (hp)