Recht & Regulierung

Wann kommunale Aufsichtsräte nicht schweigen müssen

Das Bundesverwaltungsgericht stärkt die Kontrollfunktion der Räte. Ein Gastbeitrag klärt, was das für die Praxis bedeutet.
02.07.2025

Das Bundesverwaltungsgericht hat ein Urteil zur Verschwiegenheitspflicht von Aufsichtsräten gefällt.

Gastbeitrag von
Dominik Lück,
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Dombert Rechtsanwälte, Potsdam


Dominik Lück ist Partner bei Dombert Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB in Potsdam. Einer seiner Beratungsschwerpunkte ist das Recht kommunaler Unternehmen.

Kommunale Aufsichtsratsmitglieder stecken oftmals in einem Dilemma: Sie bewegen sich in einem Spannungsverhältnis zwischen gesellschaftsrechtlicher Verschwiegenheitspflicht und demokratischer Kontrolle. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat nun in der Teilfrage der Freistellung von der aktienrechtlichen Verschwiegenheitspflicht für kommunale Aufsichtsräte Klarheit geschaffen (Az.: 8 C 3.23 vom 18.9.2024). Damit sind aber keinesfalls alle Fragen zum Umgang mit der Verschwiegenheit von kommunalen Aufsichtsratsmitgliedern beantwortet. 

In dem Fall hatten mehrere Fraktionen im Rat einer Stadt in Nordrhein-Westfalen von ihrem Oberbürgermeister verlangt, dass sie Einsicht in Unterlagen einer Aufsichtsratssitzung einer kommunalen Aktiengesellschaft nehmen durften. Der Oberbürgermeister, der Aufsichtsrat dieser Gesellschaft ist, lehnte dies ab und verwies auf seine Verschwiegenheitspflicht, die er als Aufsichtsratsmitglied nach dem Aktienrecht hat.

Die Fraktionen klagten und bekamen Recht. Das BVerwG stellte fest, dass die nach § 394 Satz 1 Aktiengesetz gewährte Ausnahme von der Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder einer kommunalen Aktiengesellschaft kein besonderes Maß an Vertraulichkeit des Berichtsempfängers voraussetzt. Selbst wenn der Berichtsempfänger der Rat einer Kommune ist und damit die Zahl der Berichtsempfänger größer, müssen keine entsprechenden Regelungen zur Gewährung der Vertraulichkeit existieren, damit die Berichtspflicht besteht. Mit anderen Worten: Es kann nicht mehr verlangt werden, dass entsprechende Informationen lediglich in nicht-öffentlichen Sitzungen gegeben werden.

Was bedeutet das für die Praxis? Durch das Urteil werden die Kontrollmöglichkeiten der Räte gestärkt. Das Spannungsverhältnis zwischen der gesellschaftsrechtlichen Verschwiegenheitspflicht des Aufsichtsrats und der aus dem Demokratieprinzip folgenden Kontrollfunktion von Räten und Ratsmitgliedern wird damit zugunsten der effektiven Wahrnehmung der Rechte dieser Kontrollorgane aufgelöst. Dies gilt allerdings weiterhin nicht für vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse. Für diese gilt die Ausnahmeregelung nach § 394 S. 2 AktG seit jeher nicht. 

In der Praxis bedeutet dies, dass kommunale Aufsichtsräte sich nun in jedem Fall fragen müssen, ob die von den Räten oder Ratsmitgliedern begehrten Informationen aus dem Aufsichtsrat vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft beinhalten. Wenn sie dies bejahen, müssen sie weiterhin prüfen, ob diese Informationen für die Empfänger anlässlich des konkreten Anlasses von Bedeutung sind. Das wird selten einfach zu beurteilen sein. Dies wird immer dann der Fall sein, wenn der Rat nach Informationen verlangt, weil es seine Aufgabe ist, die wirtschaftliche Betätigung der Kommune haushalterisch zu überwachen. Ob dieser Zweck aber mit dem jeweiligen Akteneinsichts- oder Auskunftsantrag erfüllt wird, muss in jedem Einzelfall gesondert geprüft und kann keinesfalls pauschal bejaht werden. Diese Prüfung ist den kommunalen Aufsichtsräten auch zu empfehlen, denn der Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht bleibt das Risiko des Aufsichtsratsmitglieds.