Becker: "Beim Bau vom Energiewendehaus wurden die Treppen vergessen"

Auf der E-World (v.l.): Klaus Horstick, Verantwortlicher für Flexibilisierung bei Trianel und Geschäftsführer des Wasserstoffzentrums Hamm, Sven Becker, Sprecher der Geschäftsführung bei Trianel und Bastian Wurm, Bereichsleiter Dezentrale Energiesysteme bei Trianel
Bild: © Trianel
Von Pauline Faust
Die fehlende Integration der Flexibilität im Energiemarkt wird immer teuer: Der Trianel-Windpark Borkum wurde 2020 noch für etwa 1400 Stunden abgeregelt, 2024 waren es schon 2500 Stunden. Es sei eine Menge Strom verloren gegangen, die eine Kleinstadt versorgen könnte. Das erklärte die Stadtwerkekooperation auf der E-World in Essen.
Sven Becker, Sprecher der Geschäftsführung von Trianel, sieht die Entwicklung von Flexibilitätsoptionen als eine der wichtigsten Stellschrauben für das Gelingen der Energiewende. "Stellen wir uns die Energiewende als Haus vor", erklärt der Manager, "dann kommt durch den Solarausbau jedes Jahr eine neue Etage hinzu." Allerdings: "Leider wurde dabei die Flexibilität – das zugehörige Treppenhaus – vernachlässigt." Dunkelflauten und punktuelle Erzeugungsspitzen stellten das Stromsystem somit vor neue Herausforderungen.
Um den wachsenden Anteil erneuerbarer Energien in das Stromsystem zu integrieren und eine sichere Energieversorgung zu gewährleisten, arbeite das Unternehmen bereits an verschiedenen Flexibilitätsprojekten: Elektrolyseure, Batteriespeicher und wasserstofffähige Gaskraftwerke sorgen für die nötige Flexibilität im Stromsystem, indem sie Strom dann nutzbar machen, wenn er wirklich gebraucht wird. Trianel setzt zudem auch auf die gezielte Steuerung von Biogasanlagen, um bereits bestehendes Flexibilitätspotenzial besser nutzbar zu machen.
Wachstum am Flex-Markt
Die zunnehmende Flexibilisierung im System lässt sich veranschaulichen: Der Trianel Flex-Index wird quartalsweise veröffentlicht und visualisiert marktnah den zunehmenden Wert von Flexibilität. Der Index setzt sich aus insgesamt 6 Teil-Indikatoren zusammen, die jeweils Preisdifferenzen an den Spot- und Intraday-Märkten abbilden. Seit seinem Basisjahr 2017 habe der Index bereits rund 300 Prozent zugelegt, erklärte Bastian Wurm, Bereichsleiter Dezentrale Energiesysteme bei Trianel.
Wetterprognosen: Preisschwankung möglich
Laut Wurm sind falschliegende Wetterprognosen ein Auslöser für große Preissprünge an den Börsen: Day-Ahead- und Intra-Day-Preise schießen dabei auseinander und die Stromerzeuger könnten dann nur spät reagieren, um etwa ihre Biogaskraftwerke in Betrieb zu nehmen.
Ein Beispiel dafür war der 3. Juni 2024: Hier brach die Solarprognose um 8 GW ein, es habe einen Kraftwerksausfall in den Morgenstunden von über 600 MW gegeben. "Sicherlich kommt hinzu, dass es ein Montag war und die Anlagen ausgeschaltet waren", meint Wurm. Schlussendlich wurde der maximal mögliche Strompreis von 9.999 Euro/Mwh so in mehreren Kontrakten erreicht.
Der Experte sieht nicht, dass die Prognosefähigkeiten nocht stark wachsen. Das Problem werde also bestehen bleiben.