Nachrichten

"Die Diskussion um Dunkelflauten ist stark politisiert"

Angesichts politischer Verwerfungen weltweit kommen verstärkt Fragen nach Versorgungssicherheit auf. Im ZfK-Interview äußert sich Peter Reitz, CEO der European Energy Exchange, über Kraftwerksreserven und die Folgen der US-Wahlen auf die globalen Energiemärkte.
11.03.2025

Der CEO der European Energy Exchange (EEX), Peter Reitz, rechnet mit einem kontinuierlichen Rückgang der Strompreise an den Börsen.

Die politischen Veränderungen auf weltweit und auf Bundesebene rufen verstärkt die Fragen nach Versorgungssicherheit auf den Plan. Im Gespräch mit der ZfK äußert sich Peter Reitz, CEO der European Energy Exchange, über die Kraftwerksreserven und die Folgen der US-Wahlen auf den globalen Kurs beim Klimaschutz. Im ersten Teil des Interviews spricht EEX-Chef über den Stand der Versorgungssicherheit und die mögliche Abkehr von den Klimaschutzzielen.

Herr Reitz, sehen Sie Anzeichen für eine Stromknappheit in den kommenden Jahren?

Reitz: Nein, der Markt geht von einem kontinuierlichen Preisrückgang aus. Die Handelskurse für zukünftige Stromlieferungen sind transparent einsehbar und zeigen deutlich sinkende Preise, da erneuerbare Energien als günstigste Form der Stromerzeugung weiter ausgebaut werden.

Trotzdem gibt es politische Forderungen nach dem Bau von 50 Gaskraftwerken, um Dunkelflauten zu überbrücken.

Die Diskussion um Dunkelflauten ist stark politisiert. Es ist aus meiner Sicht nicht notwendig, deshalb neue, fossile Kraftwerke zu bauen. Die Befürchtung einer Mangellage und möglicher Stromabschaltungen ist nicht realistisch. Deutschland verfügt über mehrere Kraftwerksreserven, von denen keine während der letzten Dunkelflaute aktiviert werden musste. Unser europäischer Strommarkt ist gut vernetzt und hat genügend Kapazitäten, um solche Phasen zu überbrücken.

Sie sehen also keinen Grund zur Sorge?

Wir sehen, dass der Ausbau erneuerbarer Energien den Strompreis gesenkt hat. Betrachtet man die Durchschnittspreise des Jahres 2024, erkennt man einen Rückgang von etwa 18 Prozent gegenüber 2023. Der Markt erwartet auch für die kommenden Jahre weiter sinkende Preise, da der Ausbau erneuerbarer Energien fortschreitet. Negative Strompreise treten vermehrt auf, da einige Kraftwerke nicht schnell genug herunter- und hochgefahren werden können. Im letzten Jahr hat sich die Anzahl der Stunden mit negativen Preisen um 50 Prozent erhöht. Was wir deshalb brauchen, ist mehr Flexibilität statt fossiler Abhängigkeit.

"Der Stromhandel zwischen Ländern sorgt für Effizienzgewinne"

Wie sehen Sie die europäische Kooperation im Energiemarkt?Gibt es Kritik daran, dass Deutschland die fossilen Kapazitäten reduziert?

Es gibt immer mal wieder solche Stimmen, wie zuletzt aus Schweden. Das greift aber zu kurz, denn eine Abkehr von der europäischen Vernetzung wäre ökonomisch nachteilig für alle. Der Stromhandel zwischen Ländern sorgt für Effizienzgewinne. Es gibt Zeiten, in denen ein Land Strom liefert und zu anderen Zeiten Strom empfängt. Je besser die Vernetzung, desto mehr wirtschaftliche Vorteile entstehen.

Könnte die erneute Präsidentschaft von Donald Trump für eine solche Abkehr von den Erneuerbaren sorgen?

Die Chancen sind sehr gering. Sehen Sie, auch während Trumps erster Amtszeit hat sich der Kohleanteil in den USA halbiert. Der Ausbau erneuerbarer Energien erfolgt auf Bundesstaaten-Ebene und ist wirtschaftlich attraktiv. Texas, ein traditionell konservativer Staat, erzeugt an manchen Tagen 75 Prozent seines Stroms aus Windkraft. Kalifornien deckt an mehreren Tagen im Jahr 120 Prozent seines Bedarfs mit erneuerbaren Energien. Der Markt orientiert sich an wirtschaftlichen Anreizen, nicht an politischer Rhetorik. Die USA sind nach China der zweitgrößte Investor in erneuerbare Energien.

Wie beeinflusst die LNG-Politik der USA den europäischen Markt?

Die USA sind bereits der größte LNG-Lieferant für Europa. Eine Erhöhung der Exporte würde das Angebot steigern und langfristig die Preise senken. Allerdings benötigen neue LNG-Terminals mehrere Jahre bis zur Inbetriebnahme, daher sind kurzfristige Auswirkungen begrenzt.

Was bedeutet der Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen für Europa?

Solche politischen Entscheidungen verzögern den globalen Klimaschutz, aber Europa wird seinen Kurs nicht aufgeben. Viele Länder setzen weiterhin auf Klimaschutzmaßnahmen. CO2-Bepreisung ist ein zentrales Instrument, das wir international unterstützen. Wir helfen Regierungen beim Aufbau von Emissionshandelssystemen, wie sie bereits in Neuseeland und Teilen der USA auf Ebene der Bundesstaaten existieren. Auch in Europa wird der Emissionshandel ausgeweitet, um weitere Sektoren wie Verkehr und Wärme einzubeziehen.

Das Interview führten Klaus Hinkel und Artjom Maksimenko

Lesen Sie im zweiten Teil mit Peter Reitz, wie er das abgelaufene Geschäftsjahr der EEX bewertet und was die treibenden Faktoren für die Geschäftsentwicklung der Energiebörse waren.