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Kommunalkredite: Der Trend geht stärker in Richtung marktbasierte Finanzierung

Immer mehr Banken nutzen digitale Marktplätze bei der Kommunalfinanzierung. Bahnt sich hier eine strukturelle Veränderung an? Auch Finanzierungen über Schuldscheine und Anleihen nehmen zu.
03.07.2025

Dirk Schiereck (rechts) ist Professor mit Fachgebiet Unternehmensfinanzierung an der Technischen Universität Darmstadt und Thomas Eitenmüller ist Geschäftsführer von Komuno, einem digitalen Marktplatz für Kommunalfinanzierung.

Gastbeitrag von 
Dirk Schiereck,
Professor im Fachgebiet Unternehmensfinanzierung
Technische Universität Darmstadt
und 
Thomas Eitenmüller,
Geschäftsführer
Komuno

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Während die neue Bundesregierung ihre Arbeit aufgenommen hat und sich bemüht, ihre zahlreichen Wahlversprechen zu erfüllen, mehren sich in vielen Städten und Gemeinden die Ängste um eine Umverteilung öffentlicher Finanzmittel zu Lasten der Kommunen. Damit kommen neue Finanzierungsnotwendigkeiten auf die Kämmereien zu, die bereits zuvor über Personalkosten, Zinsanstieg und Digitalisierungsbelastungen gestöhnt haben. Das "Trendbarometer Kommunalfinanzierung 2025" von der TU Darmstadt in Kooperation mit Komuno, der digitalen Plattform für Kommunalkredite, hat etwa 550 Finanzentscheider aus Kommunen, kommunalen Unternehmen und Finanzinstituten befragt, um die wesentlichen aktuellen Herausforderungen auch der nachhaltigen Transformation bei den Finanzverwaltungen mit belastbaren Zahlen zu unterlegen.

Schon die Entwicklung der Gesamtverschuldung liefert hier eine erste Indikation zur Abschätzung der Handlungsspielräume, die die Haushaltslage für weitere Investitionen bietet. So lässt sich mit Blick zurück auf das Haushaltsjahr 2024 zwar eine Verschnaufpause beobachten, denn nur für die Hälfte der befragten 449 Kommunen war ihre Verschuldung insgesamt gestiegen, wobei allerdings immerhin 29 Prozent einen starken Anstieg verzeichneten. Diese moderate Entwicklung wird sich gemäß der geäußerten Erwartungen in 2025 nicht fortsetzen, 75 Prozent der Finanzverwaltungen gehen von einer wachsenden kommunalen Schuldenlast aus, und nur 14 Prozent rechnen mit einem Rückgang.

Zudem wird der Anstieg des Schuldenstandes von einem deutlichen Anstieg der Zinskosten für die Neuschuldenaufnahme bei langfristigen Verbindlichkeiten begleitet, so dass zusammenlaufend die kommunalen Haushaltsspielräume weiter eingeschränkt werden. Für das laufende Jahr gehen die Kämmereien durchschnittlich von Zinssätzen bei einer Kreditlaufzeit über fünf Jahre von 3,00 Prozent aus, befürchten aber zugleich einen weiteren Anstieg bis 2029 auf 3,24 Prozent. Ihre Finanzierungspartner auf der Bankenseite erwarten dagegen zwar mittelfristig eher etwas niedrigere Finanzierungssätze und gehen mit durchschnittlich 3,01 Prozent von recht stabilen Zinslasten aus, sehen aber hier auch keine Entspannung.

Strukturelle Veränderungen in der Finanzierung der kommunalen Wirtschaft?

Das deutlich gestiegene Zinsniveau der letzten Jahre hat die Kommunalfinanzierung für die deutschen Kreditinstitute wieder deutlich attraktiver werden lassen. Dabei stellen die Banken und Sparkassen für sich einen weiterhin sehr guten Zugang zu Kommunen und kommunalen Unternehmen fest. Waren es 2023 schon 80 Prozent der befragten Kreditinstitute, die hier einen mindestens guten Zugang wahrgenommen haben, so sind es heute sogar 86 Prozent, wobei die Mehrheit davon sogar von einem sehr guten Zugang ausgeht. Bei diesen überaus positiven Sichtweisen überrascht es um so mehr, dass sich in verschiedener Hinsicht größere strukturelle Brüche abzeichnen, die alle auf mehr marktbasierte Finanzierungsbeziehungen hinauslaufen.

Auf die Frage nach den absehbaren Entwicklungen in der Finanzierung von Kommunen und kommunalen Unternehmen erwarten gerade einmal 13 Prozent der Kreditinstitute keine Veränderungen, während die Mehrheit von einer zunehmenden Digitalisierung oder sogar von einer überwiegend digitalen Kommunalfinanzierung ausgeht. Dieser absehbare Wandel kommt insbesondere in der Nutzung digitaler Plattformen für die Vergabe von Finanzierungen zum Ausdruck.

Wachsende Zahl an Banken nutzt digitale Plattformen

Hier stieg der Anteil der Nutzer unter den befragten Instituten, die bereits Kredite über Plattformen erfolgreich vergeben haben, von 31 Prozent vor zwei Jahren auf 49 Prozent in 2025. Der Anteil der Banken und Sparkassen, die zumindest bereits Angebote über Plattformen platziert haben oder planen, dieses zu tun, liegt sogar bei 80 Prozent. Angesichts dieser hohen Nutzungsbereitschaft von Plattformen auf der Kreditgeberseite erscheint es für kommunale Unternehmen äußerst attraktiv, sich ebenfalls intensiv mit den Möglichkeiten dieser marktkonformen digitalen Kreditaufnahme zu befassen, auch um Finanzierungsvorteile zu nutzen.

Bei den Gründen für die Nutzung von digitalen Marktplätzen wird deutlich, dass die deutsche Kreditwirtschaft hier überwiegend strategische Ziele in Verbindung mit einer breiter angelegten allgemeinen Digitalstrategie verfolgt, aber zum Teil auch kundengetrieben agiert und die Vorteile der Marktplätze bei der Suche nach neuen Geschäftspartnern erkannt hat. Alle diese genannten Gründe sind offensichtlich auf langfristige, dauerhafte Veränderungen angelegt und laufen weitestgehend auf irreversible Anpassungen in der Abwicklung von Kommunalfinanzierungen hinaus. Auch das spricht für die Notwendigkeit bei kommunalen Unternehmen, sich zeitnah mit der Kreditaufnahme über digitale Marktplätze vertraut zu machen.

Indirekte Finanzierung über den Kapitalmarkt

Der Trend weg von der direkten Bankfinanzierung hin zu marktbasierten Lösungen wird aber nicht nur in den dramatisch steigenden Nutzerzahlen bei digitalen Marktplätzen deutlich, sondern auch in der Bereitstellung von Fremdkapital für Kommunen und kommunale Unternehmen über Anleihen und Schuldscheine. Der Anteil der Kreditinstitute, die kommunalen Kreditnehmern Finanzmittel durch den Erwerb sowohl von Anleihen als auch von Schuldscheinen zur Verfügung stellen, stieg von 11 Prozent im Jahr 2023 auf nunmehr 26 Prozent.

Bei den Instituten, die sich bei ihren Investments auf kommunale Schuldscheine beschränken, stieg der Anteil von 14 auf 18 Prozent. Berücksichtigt man, dass 16 Prozent der Banken und Sparkassen sich zu dieser Frage nicht äußern wollten, hat also die klare Mehrheit der befragten Institute über den Kapitalmarkt Fremdkapital an die kommunale Wirtschaft vergeben. 2023 haben noch mehr als 60 Prozent der Befragten diese Instrumente gemieden.

Mit der Nutzung digitaler Plattformen für die Bereitstellung von Finanzmitteln an kommunale Unternehmen und Investments in Anleihen und Schuldscheine durch Banken und Sparkassen verbreitert sich der Kreis der Finanzierungspartner für Kommunen und kommunale Unternehmen und damit die Basis für attraktive Refinanzierungen in Zeiten hoher Unsicherheit und volatiler Zinsentwicklungen.