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Marketing neu denken: Weg vom reinen Imageverständnis hin zu einem datenbasierten Ansatz

Steigende Kundenerwartungen, neue Wettbewerber und eine wechselfreudigere Kundschaft fordern Stadtwerke heraus – und damit auch Marketing-Verantwortliche. Die GGEW will sich mit Digitalisierung helfen.
18.08.2025

Bei der Gruppen-Gas- und Elektrizitätswerk Bergstraße (GGEW) ist man überzeugt: Stadtwerke haben alle Voraussetzungen, um sich im digitalen Wettbewerb erfolgreich zu positionieren.

Gastbeitrag von:
Simone Marder,
Bereichsleiterin Marketing
und Kommunikation bei GGEW


Die kommunale Energiewirtschaft steht unter Druck: Steigende Kundenerwartungen, neue Wettbewerber und eine wechselfreudigere Kundschaft fordern Stadtwerke heraus – und damit auch uns als Marketing-Verantwortliche. Während große Energieversorger und agile Start-ups längst datengetrieben agieren, bleiben Marketing und Kommunikation in vielen Stadtwerken oder anderen regionalen Versorgern in traditionellen Mustern verhaftet. Damit vergeben sie Chancen auf Umsatz, Kundenbindung und Effizienz im täglichen Doing.

Marketing zwischen Tradition und Wandel

In kommunalen Versorgungsunternehmen werden Kommunikation und Marketing oft genug noch als "Imageabteilung" verstanden. Bunte Bilder und Luftballons statt umsatzrelevanter Maßnahmen und echter Kundenbindung.

Der Fokus liegt allerdings auch oft genug noch auf klassischer Werbung, Sponsoring und Öffentlichkeitsarbeit – unilaterale Maßnahmen, die eher auf eine schwammige Sichtbarkeit als auf messbare Konversion zielen. Strategische Vertriebsunterstützung? Leadgenerierung? Datenbasierte Optimierung? Bei kleineren Versorgern oft Fehlanzeige.

Digitale Marketinginstrumente wie Social Media, SEO, SEA oder Marketing Automation sind selten systematisch integriert. Oft mangelt es an einer durchgängigen Logik über die verschiedenen Kontaktpunkte hinweg: Website, Kundenzentrum und Postwerbung folgen unterschiedlichen Tonalitäten und Prozessen – ohne orchestrierte Customer Journey, ohne zielgerichtete Banden eines Funnels. Das Ergebnis: isolierte Touchpoints, Inkonsequenz in der Ansprache und letzten Endes wenig Erkenntnis darüber, wie sich Kundinnen und Kunden tatsächlich verhalten, was sie eigentlich benötigen. Oft genug fehlt ein klares Mapping des Kundenverhaltens – also eine belastbare Vorstellung davon, wie sich Kunden vom Erstkontakt bis hin zum Vertragsabschluss verhalten.

Daten und Digitalisierung: Ungenutzte Hebel

Zentrale Chancen bleiben dadurch ungenutzt: Die strategische Leadgenerierung etwa, bei der über gezielte Kampagnen qualifizierte Interessengruppen angesprochen, diese in Richtung Vertragsabschluss begleitet und emotional an das Unternehmen gebunden werden. Oder etwa der Einsatz von CRM-Systemen, mit denen sich Kundenbeziehungen systematisch entwickeln und steuern lassen – durch automatisierte Trigger bei Tarifwechseln, Umzügen oder dem Interesse an PV-Anlagen.

Im selben Maße wird die Segmentierung von Zielgruppen vernachlässigt: Kundinnen und Kunden erhalten dieselbe Botschaft, unabhängig davon, ob sie bereits langjährige Bestandskunden sind oder sich gerade erst über ein Produkt informieren. Marketing ohne Personalisierung verliert jedoch in einer digitalen Welt schnell an Relevanz – und damit an Wirkung.

Mehr Miteinander wagen

Ein weiterer Schwachpunkt liegt in der Zusammenarbeit zwischen Marketing und Vertrieb. Beide Abteilungen verfolgen oft unterschiedliche Ziele und nutzen unterschiedliche Tools – statt gemeinsam entlang einer durchgängigen Customer Journey zu arbeiten. Dabei kann ein gut abgestimmter Prozess echten Mehrwert bringen: Marketing schafft Aufmerksamkeit, qualifiziert Leads vor und baut Vertrauen auf. Der Vertrieb übernimmt, berät und schließt ab. Voraussetzung dafür: ein einheitliches Verständnis von Zielen, KPIs und Übergaberegeln sowie der Einsatz gemeinsamer Systeme wie CRM und Dashboards.

Hierfür ist auch ein technisches Knowhow essenziell. Wer datengetrieben agieren möchte, muss Daten erheben, verwalten und klug einsetzen. Wer modern und effizient kommunizieren möchte, kommt um agile Methoden und KI-basierte Tools nicht herum. Gerade Marketing- und Kommunikationsteams können nicht nur, sondern sollten Treiber der digitalen Transformation eines Unternehmens sein: Vorreiter für neue Technologien und Methoden. Dafür benötigt es enge Absprachen mit den jeweiligen IT- und Innovationsverantwortlichen.

Übersicht: Was moderne Stadtwerke jetzt brauchen

Stadtwerke, die Marketing künftig als strategischen Hebel für Wachstum und Kundenbindung nutzen wollen, sollten jetzt handeln – mit einem klaren Bekenntnis der Geschäftsführung zur digitalen Transformation. Fünf Empfehlungen für den Einstieg:

  1. Marketing neu denken: Weg vom reinen Imageverständnis – hin zu einem daten- und vertriebsorientierten Ansatz.
  2. Kompetenzen aufbauen: Digitale Skills intern fördern oder gezielt über externe Partner aufbauen.
  3. Technologische Basis schaffen: CRM-Systeme, Automatisierung und KI-Tools einführen und nutzen.
  4. Prozesse verzahnen: Klare Schnittstellen und gemeinsame KPIs zwischen Marketing und Vertrieb definieren.
  5. Iterativ vorgehen: Mit kleinen, datenbasierten Kampagnen starten – testen, lernen, skalieren.

Stadtwerke haben alle Voraussetzungen, um sich im digitalen Wettbewerb erfolgreich zu positionieren: Nähe zum Kunden, hohe Glaubwürdigkeit und regionale Verankerung. Dazu müssen Silos eingerissen werden. Was oft fehlt, ist der Mut zur Veränderung – und die Entscheidung, Marketing als das zu nutzen, was es sein kann: ein zentraler Wachstumstreiber im kommunalen Unternehmen.