Mehr als sechs Millionen: Stromversorger-Wechsel auf neuem Allzeithoch
Von Pauline Faust
Die Indikatoren zum Wechselverhalten und zur Anbietervielfalt zeigten, dass die durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ausgelöste Unsicherheit bei den Verbrauchern gewichen und die Preissensibilität gestiegen ist. Das schreiben die Bundesnetzagentur (BNetzA) und das Bundeskartellamt in ihrem gemeinsamen Monitoringbericht über die Entwicklungen auf den deutschen Strom- und Gasmärkten für 2023.
Demnach wechselten im Jahr 2023 gut sechs Millionen Stromkunden den Lieferanten, was einem Anstieg von rund 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht und zu einem neuen Allzeithoch führte.
Bei der Belieferung von Gaskunden stieg die Anzahl der Lieferantenwechsel auf 1,8 Millionen. Auch das entspricht laut BNetzA einem neuen Höchststand, nachdem die Zahl im Vorjahr bei 1,15 Millionen Haushaltskunden lag.
Etwa drei Millionen Stromkunden bzw. 660.000 Gaskunden hätten zudem ihren Vertrag beim bestehenden Lieferanten angepasst. In beiden Bereichen sei allerdings zu berücksichtigen, dass es im Jahr 2022 schon deshalb weniger Lieferantenwechsel gegeben haben dürfte, weil die Versorger in jenem Jahr sehr zurückhaltend bei der Aufnahme neuer Kundenbeziehungen waren.
Stellung der Grundversorger ist auch nach der Krise stabil
Jeder vierte Haushalt bezieht seinen Strom über die Grundversorgung. Insgesamt wurden rund 64 Prozent der Entnahmemenge durch den Grundversorger geliefert (im Rahmen der Grundversorgung oder eines Vertrags außerhalb der Grundversorgung). Die starke Stellung der Grundversorger in ihren jeweiligen Versorgungsgebieten sei damit auf dem Vorjahresniveau geblieben, erklärte die BNetzA.
Am Haushaltskundenmarkt hat sich für die Verbraucher die Anzahl der Auswahloptionen zwischen verschiedenen Elektrizitätslieferanten leicht vermindert. Die Kunden konnten im bundesweiten Durchschnitt aus 129 Anbietern wählen (2022: 136 Anbieter).
Im Bereich des Ökostroms sind die Anteile der Abgabemenge an der gesamten Stromabgabe an Haushaltskunden in Deutschland 2023 auf 54 Prozent angewachsen (Vorjahr: 43 Prozent).
Strom- und Gaspreise bei den Lieferanten, die außerhalb der Grundversorgung tätig sind, liegen wieder deutlich unter denen in der Grundversorgung. Diese Entwicklung ist laut Bericht auf die stark zurückgegangenen Preise im Strom- und Gasgroßhandel zurückzuführen.
Kartellamt schaut auf den Gasmarkt
In Anbetracht der großen Verschiebungen auf den Gasmärkten habe das Bundeskartellamt den Bereich des Gasvertriebs auf der Großhandelsebene wieder mehr in den Fokus genommen und das Monitoring dementsprechend erweitert.
In allen betrachteten Bereichen seien Unternehmen mit hohen Anteilen an den jeweiligen Gesamtvolumina tätig; betrachtet man die in den Bereichen jeweils stärksten drei Unternehmen, liegen deren kumulierte Anteile – zum Teil deutlich – über 50 Prozent.
RWE führt bei Stromerzeugung weiter an
Bei der konventionellen inländischen Stromerzeugung hat die Marktkonzentration bei Betrachtung der größten Erzeuger im Jahr 2023 abgenommen. So erreichten die fünf absatzstärksten Unternehmen bei der konventionellen inländischen Stromerzeugungsmenge im Jahr 2023 einen gemeinsamen Marktanteil von 61,3 Prozent gegenüber 63,5 Prozent im Jahr 2022.
Ihr Anteil an den konventionellen deutschen Stromerzeugungskapazitäten zum Jahresende 2023 lag insgesamt mit 52,6 Prozent leicht über dem Vorjahresniveau von 52,1 Prozent. RWE führt sowohl bei der Stromerzeugungsmenge als auch bei den Stromerzeugungskapazitäten das Feld der größten Anbieter jeweils mit deutlichem Abstand an.
"Die Kraftwerke von RWE waren im Vergleich zum vorherigen Berichtszeitraum zwar in weniger Stunden für die Deckung der Stromnachfrage unverzichtbar, in der Gesamtschau lässt dies aber weiterhin eine marktbeherrschende Stellung vermuten", sagt Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes. "Wir erwarten außerdem, dass sich das Ausmaß der Unverzichtbarkeit künftig wieder erhöhen dürfte." Das Kartellamt gehe davon aus, dass RWE das kartellrechtliche Missbrauchsverbot beachten müsse.
Hingegen positiv: Im Jahr 2023 stammte erstmals mehr als die Hälfte des erzeugten Stroms aus erneuerbaren Energien.
Big Four im Stromvertrieb verlieren leicht
Auf dem bundesweiten Markt für die Belieferung von SLP-Kunden im Rahmen von Sonderverträgen (außerhalb der Grundversorgung und ohne Heizstrom) belief sich der kumulierte Absatz der vier absatzstärksten Unternehmen (aktuell Eon, EnBW, Vattenfall und EWE) im Jahr 2023 auf rund 41 TWh – im Vorjahr entfielen auf dieselben Unternehmen noch 49,7 TWh.
Der CR4-Wert, der die Konzentrationsrate misst, betrug auf diesem Markt für das Jahr 2023 rund 38 Prozent; im Vorjahr lag dieser Wert noch bei 44,2 Prozent. Auf beiden Märkten liegt der jeweilige CR4-Wert laut der Behörde somit nach wie vor deutlich unter den gesetzlichen Schwellen für die Vermutung einer (gemeinsamen) marktbeherrschenden Stellung.
Für das Jahr 2023 geht das Bundeskartellamt weiterhin davon aus, dass sowohl im Strom- als auch im Gasbereich auf den bundesweiten Märkten für die Belieferung von typischen Industrie- und Gewerbekunden (RLM) sowie für die Belieferung von Haushalts- und Kleingewerbekunden (SLP im Rahmen von Sonderverträgen) derzeit kein Anbieter marktbeherrschend ist.
- Hier finden Sie den vollständigen Bericht der BNetzA.