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Liquiditätskrise: Uniper greift zu neuen "Notmaßnahmen"

Der angeschlagene Konzern schöpft seinen KfW-Milliardenkredit vollständig aus. Zudem speichert er Gas aus, um liquide zu bleiben. Der Druck auf die Bundesregierung wächst.
18.07.2022

Energiekonzern Uniper leidet zunehmend unter den russischen Gaslieferkürzungen.

Die Lage bei Deutschlands größtem Gasimporteur Uniper spitzt sich weiter zu. Am Montagmorgen teilte das Unternehmen mit, die bestehende Kreditlinie der staatlichen Förderbank KfW in Höhe von zwei Milliarden Euro nun vollständig in Anspruch genommen zu haben.

Wenige Stunden später gab der Konzern bekannt, einen Antrag auf Erhöhung der Linie gestellt zu haben. Damit dürfte der Druck auf die Bundesregierung zunehmen, ein Rettungspaket für die Tochter des finnischen Konzerns Fortum zu schnüren.

Einigung mit Bund nicht in Sicht

Uniper ist wegen der ausbleibenden Gaslieferungen aus Russland in Bedrängnis geraten. Der Konzern muss zur Erfüllung seiner Verträge teureres Gas am Markt einkaufen, was zu Liquiditätsproblemen führt. Nach Aussagen von Firmenchef Klaus-Dieter Maubach fießen bei Uniper tägliche Mittel im mittleren zweistelligen Millionenbereich ab.

In der Folge hatte Uniper vor zehn Tagen einen Antrag auf staatliche Hilfe gestellt. Doch eine Einigung ist bislang nicht in Sicht. Die Gespräche dauerten an, teilte Uniper am Montag mit. Es sei derzeit nicht absehbar, wann sie abgeschlossen werden könnten.

Hoffnung auf Erhöhung der Kreditlinie

Die nun erhoffte Erhöhung der Kreditlinie reichte Uniper nach eigenen Angaben zusätzlich und separat zu den beantragten staatlichen Stabilisierungsmaßnahmen ein. "Um unsere Liquidität zu sichern und unsere Lieferverträge mit unseren Kunden zu erfüllen, sind wir zu Schritten gezwungen, die eindeutig als Notmaßnahmen bezeichnet werden müssen", sagte Konzernchef Maubach.

Ursprünglich hatte Uniper die Kreditlinie mit der KfW-Bankengruppe Anfang Januar angesichts des sich damals anbahnenden Ukraine-Kriegs vereinbart und sie Ende März vorsichtshalber bis Ende April 2023 verlängert.

Uniper speichert Gas aus

Außerdem hat das Unternehmen Anfang vergangener Woche begonnen, Gas aus seinen selbst genutzten Speichern zu entnehmen. Auch dies geschieht laut Uniper zur Schonung der Geldmittel und zur Erfüllung von Verträgen. Die binnen einer Woche entnommenen Mengen belaufen sich laut Mitteilung vom Montag auf mehr als 2 TWh.

Ferner habe der Konzern seine Kunden über die aktuelle Marktsituation informiert und auf die Möglichkeit steigender Preise hingewiesen. Uniper beliefert mehr als hundert Stadtwerke und Industriefirmen.

Unterschiedliche Vorstellungen

Grund für die Verzögerung in den Gesprächen mit der Bundesregierung dürften nicht zuletzt unterschiedliche Vorstellungen darüber sein, wie die Hilfe für Uniper aussehen soll. Dem Mutterkonzern Fortum schwebt eine Umstrukturierung Unipers vor – mit dem Ziel, eine Versorgungssicherheitsgesellschaft im Eigentum des Bundes zu gründen.

Der Konzern hält 78 Prozent an Uniper und gehört selbst zu mehr als 50 Prozent dem finnischen Staat. Uniper reichte hingegen bei der Bundesregierung einen Vorschlag ein, der unter anderem Eigenkapital-Komponenten enthält, durch die sich der Bund an Uniper beteiligen könnte. Zudem sieht der Vorschlag eine Aufstockung der KfW-Kreditlinie vor.

Warten auf Nord Stream 1

Die Kommentare Finnlands und seitens Fortum seien "nach dem Treffen konstruktiv" gewesen, die Verhandlungen aber in einer heiklen Phase, schrieb JP-Morgan-Analyst Vincent Ayral kürzlich. Wahrscheinlich werde abgewartet, ob Russland nach dem Wartungsstillstand von Nord Stream 1 wieder Gas durch die Pipeline schickt.

Voraussichtlich noch bis zum 21. Juli wird die für Deutschland wichtige Pipeline Nord Stream 1 gewartet, sodass kein Gas mehr durch die Röhren unter der Ostsee fließt. Aber schon davor hatte der russische Staatskonzern Gazprom die Lieferungen auf 40 Prozent gedrosselt und dies mit einer fehlenden Turbine begründet. Diese soll mittlerweile auf dem Weg nach Russland sein.

Streit um Turbine

Die Bundesregierung hält dieses Argument für vorgeschoben und fürchtet, dass auch nach der Wartung kein Gas mehr durch Nord Stream 1 fließen wird.

Gazprom beruft sich auf "höhere Gewalt"

Der russische Energiekonzern Gazprom begründete die ausgebliebenen Lieferungen an Uniper unterdessen mit höherer Gewalt. Uniper habe ein Schreiben von Gazprom Export erhalten, sagte ein Sprecher des Versorgers. Gazprom Export ist eine Tochter des russischen Staatskonzerns.

In dem Schreiben habe Gazprom Export rückwirkend «Force Majeure» für die bisherigen und aktuellen Fehlmengen geltend macht. Uniper hält dies für nicht gerechtfertigt und hat diesen Anspruch zurückgewiesen. Auch der Energieversorger RWE bestätigte den Erhalt eines Schreibens zu höherer Gewalt von Gazprom.

Unter «Force Majeure» (höhere Gewalt) wird ein von außen kommendes, unvorhersehbares Ereignis verstanden, welches außerhalb der Kontrolle der Vertragsparteien liegt. Darunter können beispielsweise Krieg, Naturkatastrophen oder Pandemien fallen, die dazu führen, dass eine Leistung nur unzureichend oder gar nicht erfüllt werden kann.

(dpa/aba/hoe)