Abwasser

Die Risiken von Abwasser auf Feldern

Ein Forschungsprojekt untersucht, welche Probleme Antibiotikarückstände in gereinigtem Abwasser verursachen könnten. Das machen deutsche Experten in einem Gebiet nördlich von Mexiko-Stadt, denn dort finden sie ideale Bedingungen vor.
26.07.2021

Abwasserkanal in der Modellregion in Mexiko.

FOR5095 – hinter diesem unscheinbaren Kürzel verbirgt sich ein deutsch-mexikanischer-Forschungsverbund, den die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) für die nächsten vier Jahre mit insgesamt rund 2,5 Mio. Euro fördert. Sieben Partner wollen am Beispiel des weltweit größten zusammenhängenden Abwasser-Bewässerungssystems nördlich von Mexiko-Stadt die Interaktionen von Schadstoffen, Krankheitserregern und Antibiotikaresistenz erforschen.

„In dem rund 900 Quadratkilometer großen Gebiet finden wir einmalige Bedingungen vor“, erklärt Prof. Kornelia Smalla vom Julius Kühn-Institut (JKI). Denn hier wurden Agrarflächen in den vergangenen 100 Jahren mit einer Mischung aus unbehandeltem Abwasser und Regenwasser bewässert. Dadurch konnten sich die Rückstände von Arznei- und Desinfektionsmitteln, Metalle und auch antibiotikaresistente Bakterien in den Böden der Felder anreichern. Smalla leitet ein Teilprojekt, in dem untersucht wird, ob Antibiotikarückstände in Böden und Pflanzen das Pflanzenmikrobiom beeinflussen und so zur Anreicherung übertragbarer Antibiotika-Resistenzen beitragen.

Kläranlage macht die Sache nicht besser

Inzwischen wurde im Valle Mezquital die weltweit drittgrößte Kläranlage in Betrieb genommen, die die Partner der DFG-Forschergruppe bereits 2013 besichtigt hatten. Nun gelangt das Abwasser von Mexiko-Stadt nicht mehr ungeklärt auf die Felder. Die Forschenden befürchten jedoch, dass jetzt mehr antibiotikaresistente Bakterien auf die landwirtschaftlichen Flächen und in die Nahrungskette gelangen könnten. Denn sie vermuten, dass zwar insgesamt weniger Bakterien im geklärten Abwasser enthalten sind, dafür aber multiresistente Bakterien einen Selektionsvorteil haben, wenn das behandelte Abwasser zu einer Mobilisierung der in der Vergangenheit im Boden akkumulierten Schadstoffe führt.

„Diese vermutete Selektion von Antibiotikaresistenzen und die Ausbreitung von Krankheitserregern in Agrarsystemen und ihren Transfer wollen wir untersuchen“, beschreibt Smalla den Beitrag des JKI-Teilvorhabens. Zunächst wird geprüft, ob die Umweltkonzentrationen von Schadstoffen, die aus dem Boden freigesetzt und von Pflanzen aufgenommen werden, hoch genug sind, um Antibiotikaresistenzen zu selektieren und horizontalen Gentransfer, also den Austausch von Genen zwischen verschiedenen Bakterienarten, in Böden und Pflanzen zu stimulieren. Dann soll am JKI herausgearbeitet werden, inwiefern der Bodentyp die Freisetzung von Schadstoffen und die damit verbundene Selektion von Antibiotikaresistenzen verändert.

Möglicherweise entstehen neue Probleme

Die Wiederverwendung von Abwasser für die Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen ist eine effiziente Möglichkeit, Wasser zu sparen und die Nahrungsmittelproduktion für eine wachsende Bevölkerung unter den Bedingungen des Klimawandels zu gewährleisten. Aufgrund von Investitionen in die Infrastruktur wird in vielen Ländern dazu vermehrt behandeltes Abwasser verwendet. Kläranlagen gelten jedoch als Hotspots für die Entstehung von Antibiotikaresistenzen, und auch geklärtes Abwasser enthält meist Antibiotikarückstände, aber weniger organische Substanz, die diese an sich binden. Daher steht die Frage im Raum, ob der Einsatz des geklärten Abwassers nicht neue Probleme mit sich bringt. (hp)