Klärwerke als Energiedienstleister
Moderne städtische Abwasserbetriebe sind mittlerweile neben der Abwasserbehandlung zu Orten der nachhaltigen Strom- und Wärmeerzeugung geworden: Das in Faulbehältern entstehende Klärgas beispielsweise gilt als äußerst ergiebiger erneuerbarer Energieträger. Immer häufiger gehen Betreibende auch dazu über, die Standorte für Windkraft- und Photovoltaikanlagen zu nutzen..
All diese Potenziale machen es möglich, Kläranlagen energieflexibel als Dienstleister für das Energiesystem zu betreiben. Die Anlagen könnten damit zum Herzstück eines flexiblen städtischen Energieversorgungssystems werden.
Derzeit noch zu hoher Aufwand
Durch eine gezielte zeitliche Verschiebung von Energiebezug und -verbrauch könnte beispielsweise Strom vermehrt bezogen werden, wenn viel Energie aus Wind und Sonne zur Verfügung steht. In Zeiten mit wenig Wind und Sonne kann weniger Energie bezogen werden oder gar überschüssige Energie ins System eingespeist werden.
„Um diese Potenziale auch nutzen zu können, müssen die Betreibenden der Anlage in der Lage sein, Verbrauch und Erzeugung besser einschätzen zu können, um sie auf die prognostizierte Situation des Energiesystems und des Stromnetzes abstimmen zu können“, sagt Markus Zdrallek, Leiter des Lehrstuhls für Elektrische Energieversorgungstechnik der Bergischen Universität und Projektkoordinator. Aktuell seien solche Flexibilitäten nur unter erheblichem Zeit- und Ingenieursaufwand prognostizierbar.
Die Projektpartner
Gemeinsam mit den Stadtentwässerungsbetrieben Köln, dem IT-Dienstleister EnFlex.IT und der Universität Duisburg-Essen untersucht das Team um den Wissenschaftler daher Lösungsansätze, mit denen sich die Energieeinsatzplanung in den Betrieben optimieren lässt. Dabei setzen die Beteiligten auf die Unterstützung von Künstlicher Intelligenz.
Unter Anwendung von Methoden des Machine Learnings ist es das Ziel, Prognosen für relevante Einflussgrößen zu generieren, mit denen sich die Flexibilitätspotenziale von Abwasseranlagen erkennen, analysieren und bestmöglich ausnutzen lassen. Dabei handelt es sich beispielsweise um Prognosen, zu welchen Zeitpunkten welche Mengen an zu klärendem Wasser am Klärwerk eintreffen, die abhängig sind von Regenmengen und dem Verbrauchsverhalten der Haushalte und der Industrie.
Praxistests und Prüfung der Übertragbarkeit
Durch einen optimierten Betrieb erhielten die Abwasserbetriebe nicht nur die Möglichkeit, CO2-Emissionen und die eigenen Energiekosten zu senken, sondern selbst zusätzliche Einnahmen aus der Vermarktung der Energieflexibilität zu erzielen. „In FlexAqua werden wir mit unseren Partnern zunächst verschiedene Lösungsansätze simulieren und testen. In einem späteren Schritt gehen wir in die Praxis, um die gefundenen Lösungen auch unter realen Bedingungen anzuwenden“, erklärt Zdrallek das Vorgehen.
Das Projekt ist darauf ausgerichtet, prototypische Lösungsansätze zu entwickeln, die für einen produktiven Einsatz im Regelbetrieb weiterentwickelt werden können. Die Erkenntnisse aus dem Praxistest sollen insbesondere hinsichtlich der Übertragbarkeit auf weitere Wasserwirtschafts- und auch Industriebetriebe analysiert werden.
Fördermittel für drei Jahre
Gefördert wird das Vorhaben „FlexAqua“ in den kommenden drei Jahren vom Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen und der Europäischen Union aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) mit insgesamt rund 1,1 Mio. Euro. Der Anteil der Bergischen Universität beträgt rund 270.000 Euro. (hp)