Wasser

Pestizidstreit: „Gerichtsurteile sind Klatsche für das Land“

Der Zweckverband Landeswasserversorung (LW) hat drei Verfahren gegen das Land Baden-Württemberg gewonnen – und doch ist der Fall damit nicht erledigt. Streitpunkt ist die Herausgabe von Daten über den Pestizideinsatz in Naturschutzgebieten.
08.09.2020

Die Urteile zu Daten zum Pestizideinsatz haben nach Ansicht der Kläger EU-weite Bedeutung.

Der Zweckverband Landeswasserversorgung (LW) und der Naturschutzbund (Nabu) Baden-Württemberg haben in insgesamt sechs unterschiedlichen Verfahren gegen die Landesregierung Baden-Württemberg geklagt. Zu drei Verfahren liegen nun erstinstanzliche Urteile vor. Sie alle verpflichten die Landesregierung zur Herausgabe der gewünschten Daten: Welche Pestizide wurden wann und wo, in welchen Mengen und auf welcher Kulturpflanze ausgebracht – und zwar in sämtlichen Naturschutzgebieten des Regierungspräsidiums (RP) Freiburg, im Wasserschutzgebiet Egautal und im Naturschutzgebiet Kalkofen (Enzkreis) in einem Zeitraum von drei Jahren.

Die Urteile haben nach Aussagen des LW Signalwirkung für drei weitere Verfahren, die noch in den Regierungsbezirken Stuttgart, Tübingen und Karlsruhe anhängig sind. Sie besitzen darüber hinaus Bedeutung für andere Bundesländer und sogar für die gesamte EU, da der Entscheidung der Gerichte Richtlinien und Verordnungen der EU zugrunde liegen.

Der Streitgegenstand

Konkret hatten LW und Nabu die Landwirtschaftsverwaltung von Baden-Württemberg aufgefordert, die nach Maßgabe des Pflanzenschutzgesetzes (§ 11 PflSchG) erfassten Aufzeichnungen der landwirtschaftlichen Betriebe über ausgebrachte Pflanzenschutzmittel anonymisiert weiterzugeben. Bislang wiesen die Behörden jegliches Informationsrecht zurück.

Die Gerichte gaben den beiden Verbänden nun in allen Punkten ihrer jeweiligen Klagen recht. Das Informationsrecht sei ein Jedermannsrecht, die Landesverwaltung stütze sich auf einen europarechtswidrigen Paragraphen im Bundespflanzenschutzgesetz und handle damit selbst europarechtswidrig, so der Tenor der drei Gerichte.

„Durch alle Instanzen“

„Die drei Urteile sind eine Klatsche für die Juristen der Landwirtschaftsverwaltung des Landes“, kommentierte der NABU-Landesvorsitzende, Johannes Enssle, die Gerichtsentscheidungen. „Nicht nur der Naturschutz, auch wir Wasserversorger sehen den Einsatz von Pestiziden in Natur- und Wasserschutzgebieten schon lange kritisch“, stellte Prof. Frieder Haakh, Geschäftsführer des Zweckverbands Landeswasserversorgung, fest. „Nach diesen klaren Urteilen erwarten wir nun einen Kurswechsel und die Offenlegung der Daten. Ohne diese Informationen suchen wir quasi nach der Nadel im Heuhaufen. Liegen die Daten vor, können Wasseruntersuchungen deutlich wirtschaftlicher und effizienter gestaltet werden.“

Baden-Württemberg will aber gegen die Urteile Berufung einlegen. Die Auseinandersetzung schwelt bereits seit 2018. LW und Nabu sind zwar zu Gesprächen mit den zuständigen Behördeb bereit. „Im Kern der Sache bleiben wir aber hartnäckig. Zur Not ziehen wir durch alle Instanzen“, kündigen Enssle und Haakh an. (hp)