Smart City / Energy

Data Hub: Digitale Drehscheibe für Smart-Meter-Daten und Marktprozesse

Lastspitzen durch Wärmepumpen, E-Autos und Speicher fordern Netzbetreiber heraus. Ein Data Hub bündelt Verbrauchs- und Netzdaten, reduziert Komplexität und schafft die Basis für Steuerung nach § 14a EnWG.
07.10.2025

Ohne Data Hub müsste ein Stadtwerk oder Netzbetreiber jede Schnittstelle zu Lieferanten, Messstellenbetreibern, Aggregatoren oder Dienstleistern einzeln aufbauen, testen und pflegen.

Gastbeitrag von
Inga Busch,
Portfolio Manager – IT Services for the Energy Sector
Lufthansa Industry Solutions


18:45 Uhr, ein Winterabend in einem Neubaugebiet: Die Wärmepumpen laufen, gleich mehrere Elektroautos hängen an den Wallboxen und dazu gehen noch einige Batteriespeicher ans Netz. Man könnte auch sagen: dezentrale Einspeisung bei gleichzeitig steigender und volatiler Abnahme. Für Netzbetreiber ist das längst kein theoretisches Gedankenspiel mehr, sondern ein realistisches Bild der nahen Zukunft – wenn nicht schon das einer Ist-Situation – welches in der Praxis zu schwer prognostizierbaren Lastspitzen führen kann. 

Die Antwort des Gesetzgebers auf dieses heimelige Szenario ist der § 14a EnWG, der Netzbetreiber verpflichtet, steuerbare Verbrauchseinrichtungen technisch erfassbar und steuerbar zu machen, um so Netzengpässe zu vermeiden. In der Praxis bedeutet das: die Vernetzung mit Smart-Meter-Gateway-Infrastruktur, um hochdynamische Datenströme nahezu in Echtzeit und in bisher ungekanntem Umfang mit Marktpartnern nach standardisierten Protokollen auszutauschen.
 

Smart Metering als Basis der Steuerung

Die technische Grundlage für all das bilden die intelligenten Messsysteme. Entscheidend ist jedoch die praktische Umsetzung. Erst Integration, Plausibilisierung, Analyse und Weiterleitung der Verbrauchsdaten ermöglichen es Netzbetreibern, Lastprobleme frühzeitig zu erkennen und gezielt eingreifen zu können. 

Eine leistungsfähige digitale Infrastruktur in Form eines Data Hubs befähigt zur umfänglichen Nutzung aller Potenziale. Als Datendrehscheibe für die Verbrauchs- und Netzdaten bündelt und konsolidiert er diese an einem zentralen Ort und macht sie für verschiedenste Prozesse nutzbar. Er sorgt für eine effiziente Datenintegration, mit der die wachsenden Daten- und Informationsmengen beherrscht und sinnvoll für Markt- und Geschäftsprozesse genutzt werden. 

Schnittstellen- und Prozesskomplexität ohne Data Hub

Ohne Data Hub müsste ein Stadtwerk oder Netzbetreiber jede Schnittstelle zu Lieferanten, Messstellenbetreibern, Aggregatoren oder Dienstleistern einzeln aufbauen, testen und pflegen. Die Zahl der Schnittstellen wächst exponentiell, die technische Komplexität steigt und organisatorischer Aufwand entsteht, da Marktkommunikation oft über EDIFACT-Dateien oder E-Mails erfolgt.

Jede neue Empfangsadresse, Formatvariation oder jeder zusätzliche Kommunikationsweg erhöht den Aufwand und die Fehleranfälligkeit erheblich. Kurz: Ohne zentrale Plattform bedeutet dies manuelle Verwaltung, steigende Kosten und geringere Geschwindigkeit bei der Einführung neuer Prozesse.

Unternehmensinterner Data Hub – Effizienz und Transparenz

Ein unternehmenseigener Data Hub setzt hier einen klaren Gegenakzent. Er reduziert die Schnittstellenvielfalt, übernimmt Datenmapping, Plausibilitätsprüfungen und Formatanpassungen zentral und stellt einheitliche Sicherheitsmechanismen bereit.

Datenschutzvorgaben nach DSGVO oder BSI-Standards lassen sich konsistent umsetzen und regulatorische Anforderungen wie MaKo 2025 automatisch berücksichtigen. Damit wird nicht nur Komplexität reduziert, sondern auch Transparenz geschaffen und die Umsetzung gesetzlicher Pflichten erheblich erleichtert.

Regulatorische Mehrwerte und wirtschaftliche Anreize

Um die Teilnahme an § 14a EnWG attraktiv zu gestalten, hat die Bundesnetzagentur drei Tarifmodule eingeführt: pauschale Netzentgeltreduzierung, Arbeitspreisermäßigung bei separatem Zähler und zeitvariable Netzentgelte. Sie schaffen Kostenvorteile für Betreiber steuerbarer Verbrauchseinrichtungen, gleichzeitig profitieren Netzbetreiber: Die Verschiebung des Verbrauchs in netzdienliche Zeiten reduziert Lastspitzen, entlastet die Netzinfrastruktur und senkt Kosten für Redispatch-Maßnahmen.

Ein Data Hub erleichtert auch hier die Umsetzung, indem er Verbrauchs- und Steuerdaten zentral erfasst, standardisiert verarbeitet und für Abrechnung sowie Steuerung bereitstellt. Dadurch sinken auch hier operativer Aufwand und Fehleranfälligkeit, während wirtschaftliche Vorteile optimal genutzt werden können.

Strategische Mehrwerte über die Regulierung hinaus

Darüber hinaus eröffnet der Data Hub strategische Mehrwerte, die über die reine Regulierung hinausgehen. Auf Basis konsolidierter Daten lassen sich digitale Zwillinge von Netzen erstellen, Szenarien simulieren und Engpässe frühzeitig erkennen.

Netzbetreiber können KI-gestützte Prognosen für Last- und Erzeugungsentwicklungen nutzen, Energieversorger erhalten Grundlagen für neue Geschäftsmodelle rund um Flexibilität und Prosumer, und Kommunen können den Hub in Smart-City-Konzepte einbinden, die Energie-, Verkehrs- und Umweltdaten verknüpfen. Der Data Hub wird so vom Instrument für die regulatorische Umsetzung zum zentralen Hebel für Effizienz, Innovation und Zukunftsfähigkeit.

Fazit: Vom regulatorischen Druck zur Chance

Kurzfristig dominieren regulatorische Vorgaben. Mittelfristig rücken Effizienz und Zukunftssicherheit in den Fokus. Wer frühzeitig die richtigen Strukturen etabliert, erfüllt regulatorische Anforderungen effizient, nutzt wirtschaftliche Vorteile der Tarifmodule und legt die Grundlage für Innovation, digitale Geschäftsmodelle und eine widerstandsfähige Energieversorgung. Die Frage lautet daher nicht, ob ein Data Hub sinnvoll ist, sondern wie lange man es sich leisten kann, ohne ihn zu arbeiten.