Smart City / Energy

"KI könnte zum Gamechanger in Smart Cities werden"

Was macht München besser als andere Städte beim Thema Smart City? Was könnte sich mit Künstlicher Intelligenz verbessern? Lucia Wright von Haselhorst Associates Consulting im Interview.
12.09.2024

Lucia Wright ist Director bei Haselhorst Associates Consulting und verantwortet hier den Bereich Urbane Transformation.

München belegt im Smart-City-Ranking von Haselhorst Associates Consulting wie im Vorjahr schon Platz 1. Was macht München besser als andere Städte?

Lucia Wright: Das Beeindruckende an München ist aus meiner Sicht, wie es der Stadt schon seit vielen Jahren gelingt, den Smart-City-Prozess kontinuierlich voranzutreiben. Seit unserem ersten Smart-City-Ranking im Jahr 2018 landet München bereits zum dritten Mal auf dem ersten Platz der größten Städte Deutschlands ab 30.000 Einwohnern. Außerdem durchbricht die Landeshauptstadt zum ersten Mal die 50-Prozent-Marke beim Smart-City-Entwicklungsgrad. Das ist bisher noch keiner anderen Stadt gelungen. 
 
Der Erfolg kommt aber nicht von ungefähr. Denn damit eine Stadt in unserem Ranking über einen so langen Zeitraum ganz vorne mitspielen kann, muss sie stetig neue und bedarfsorientierte Lösungen für ihre individuellen Herausforderungen finden. Smart City ist kein Konzept, das sich einheitlich auf alle Städte überstülpen lässt. Vielmehr sieht sich jede Stadt mit ihren eigenen Themen konfrontiert und muss dafür sorgen, als Wohn- und Arbeitsort dauerhaft lebenswert zu bleiben.

In welchen Bereichen ist München denn besonders gut?

München landet beispielsweise in gleich vier von zehn der von uns untersuchten Handlungsfelder unter den deutschlandweiten Top 5: Strategie, Gesundheit, Verwaltung und Wirtschaft und Handel. Allein das ist schon bemerkenswert. Was darüber hinaus aber auch auffällt, ist zum Beispiel der zielgerichtete Umgang der Stadt mit den zunehmenden Hitzeinseln. Hier nutzt München einen sogenannten digitalen Stadtzwilling. Mit diesem virtuellen Abbild der Stadt ist es möglich, Hitzeinseln frühzeitig zu identifizieren und dann entsprechende Anpassungsmaßnahmen vorzunehmen. Genau das ist ein perfektes Beispiel für bedarfsorientiertes Handeln.

Die Integration von Technologien wie dem digitalen Zwilling, die Schaffung einer zentralen Datenplattform für Mobilität sowie der Einsatz einer KI-Assistenz in der Verwaltung unterstreichen das Engagement der Stadt München, innovative Lösungen gezielt für das Wohl der Bürgerinnen und Bürger einzusetzen. So stellen die städtischen Akteure sicher, dass München nicht nur den aktuellen Herausforderungen gerecht wird, sondern auch langfristig eine führende Rolle in der Gestaltung einer smarten und lebenswerten Stadt einnimmt.
 
Kann sich KI zum Gamechanger bei Smart Cities entwickeln?

Künstliche Intelligenz birgt auf jeden Fall ein großes Potenzial, die Entwicklung hin zu Smart Cities weiter voranzutreiben. Wenn wir uns allein einmal anschauen, wie sich die KI-basierte Bilderkennung weiterentwickelt, lassen sich daraus viele verschiedene Anwendungsfälle für den städtischen Kontext ableiten. Zudem ermöglicht die fortschreitende Integration von KI in Verkehrsmanagement, Energieeffizienz und städtische Sicherheitssysteme eine zunehmend effektivere und ressourcenschonendere Gestaltung urbaner Infrastrukturen. Angesichts dieser Entwicklungen kann KI durchaus als Gamechanger in Smart Cities betrachtet werden, da sie in der Lage ist, komplexe Prozesse autonom zu optimieren und datengetriebene Entscheidungen in Echtzeit zu ermöglichen. Das kann dann zu einer nachhaltigeren und effizienteren Stadtentwicklung führen.
 
Für die Entwicklung zu Smart Cities ist es entscheidend, dass alle städtischen Akteure in den Prozess miteingebunden werden. Sie brauchen eine klare Übersicht darüber, welche Themen mit welcher Priorität in ihrer Stadt angegangen werden müssen, damit die Lebensqualität der Bürger erhalten bleibt. Auf Basis dessen entwickeln wir dann nämlich eine Strategie und schaffen so die Grundlage für die effiziente Umsetzung der notwendigen Maßnahmen. Diese Maßnahmen können zum Teil auf digitalen Tools und Technologien basieren; das ist aber nicht zwingend nötig. Eine Smart City darf also nicht mit einer digitalen Stadt verwechselt werden. Ich plädiere eher für ein ganzheitliches Bild von einer Stadt, die sich nachhaltig und resilient fortentwickelt. Hier kann KI in verschiedenen Bereichen helfen; sie bleibt aber Mittel zum Zweck – und das auch nur dort, wo es wirklich sinnvoll ist.

Was machen dieses Jahr ihre Top-3 der Emerging Cities aus?

Auffallend ist, dass es sich bei allen drei Erstplatzierten der Emerging Cities um kleinere Mittelstädte handelt; also um Kommunen zwischen 30.000 und 50.000 Einwohnern. Generell verzeichnet diese Städtegruppe in diesem Jahr im Durchschnitt die größte prozentuale Steigerung des Smart-City-Entwicklungsgrades. Besonders groß ist die Entwicklung natürlich bei der Top 1 der Emerging Cities: der Stadt Falkensee in Brandenburg. Die Stadt hat ihren Smart-City-Prozess innerhalb eines Jahres sehr stark vorangetrieben und setzt zum Beispiel auch zielgerichtet innovative KI-Technologien ein. Hier können wir also sehen, dass KI bei richtiger Anwendung wie gesagt durchaus ein großes Potenzial hat. Konkret verfügt Falkensee über ein KI-basiertes System zur Erkennung von Ertrinkenden im neuen Hallenbad. Außerdem gibt es den cityGPT-Assistenzen "Falko". Das ist ein digitaler Chatbot, der die Bürgerkommunikation unter anderem durch seine mehrsprachigen Auskünfte zu städtischen Verwaltungsfragen effizienter gestaltet.
 
Auf dem zweiten Platz der Emerging Cities landet Nienburg an der Weser in Niedersachsen. Die Stadt hatte 2023 noch einen Smart-City-Entwicklungsgrad von 21,6 Prozent; heute sind das 33,3 Prozent. Die Stadt punktet insbesondere im Bereich der digitalen Infrastruktur, wobei der Glasfaserausbau nach dem Breitbandatlas der Bundesnetzagentur anhand des Ausbaustands von FTTB/H bewertet wird. Auch die drittplatzierte Emerging City, Schwabach, hat sich stark weiterentwickelt – nämlich um 11,6 Prozentpunkte im Vergleich zum vergangenen Jahr. Das liegt vor allem an einem digitalen Zwilling, der für die Stadt im Rahmen des Projekts TwinBy des Bayerischen Staatsministeriums für Digitales konzipiert wurde. Dieser kann potenzielle Hochwasserflächen und Hitzeinseln sichtbar machen und die Planung von Evakuierungsmaßnahmen optimieren.
 
Sie sagen, dass im Idealfall die Strukturen von Städten so aufgestellt sind, dass alle Daten, die einmal erhoben werden, auch von anderen Abteilungen genutzt werden können. Wie viele Städte kommen dem schon nach?

Die Entwicklung hin zur Smart City ist ein komplexer und fordernder Prozess, der durchaus ressourcenintensiv ist. Umso wichtiger ist es, dass diese Ressourcen – sowohl finanziell als auch personell – zielgerichtet und effizient eingesetzt werden. Vor diesem Hintergrund sollten beispielsweise auch Daten, die innerhalb einer Stadt erhoben werden, von allen städtischen Akteuren genutzt werden können. Dabei kann eine urbane Datenplattform helfen, entscheidender ist jedoch, das Thema gemeinsame Datennutzung wesentlich niedrigschwelliger anzugehen. Das schließt aus meiner Sicht vor allem ein strategisches Handeln ein.
 
Städte brauchen eine klare Übersicht über sämtliche Daten, die ohnehin bereits erhoben werden und damit genutzt werden können. Abhilfe kann hier auch unser Smart-City-Ranking schaffen. Denn damit verfügen wir über eine deutschlandweit sehr breit aufgestellte Datenbasis, anhand derer städtische Akteure wichtige Schlussfolgerungen für ihr bedarfsorientiertes Handeln ableiten können. Damit eine strategische Datennutzung in den Städten gelingt, braucht es außerdem ein hohes Maß an Kommunikation zwischen allen Stakeholdern. Das heißt alle relevanten Personen, Unternehmen und Institutionen müssen miteinander in Kontakt treten. Das schafft wertvolle Synergieeffekte zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft – und natürlich den Bürgerinnen und Bürgern selbst.
 
Seit dem vergangenen Jahr sehen wir deutlich, dass das Thema Datennutzung in den Städten immer wichtiger wird. Gleichzeitig ist das Potenzial in diesem Bereich aber noch sehr groß – eben gerade weil in vielen Städten das dazu notwendige strategische Fundament noch nicht etabliert ist.

Die Fragen stellte Stephanie Gust